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BFH-Urteil vom 1.2.1989 (II R 240/85) BStBl. 1989 II S. 518

Rebstöcke sind keine zu einer Betriebsanlage gehörenden sonstigen Vorrichtungen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (= § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

GrEStG RP § 3 Abs. 1 Nr. 1 (= § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger kaufte 1980 zwei (im Kataster als "Weingarten" bezeichnete) Grundstücke.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte Grunderwerbsteuer fest.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, ein Teil des gezahlten Kaufpreises entfalle auf Vorrichtungen der Rebanlage ("Stickeldrahtanlage" usw.). Insoweit dürfe vom Kaufpreis keine Grunderwerbsteuer berechnet werden.

In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Steuer herab. Soweit der Kaufpreis auf die Rebanlage ohne Rebstöcke entfalle, sei er gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - (RP) nicht Bemessungsgrundlage der Steuer.

In dem anschließenden Klageverfahren beantragte der Kläger, den vereinbarten Kaufpreis für die Berechnung der Steuer noch weiter zu mindern. Er legte das Gutachten eines von der Landwirtschaftskammer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vor, wonach im Jahre 1980 die auf den erworbenen Grundstücken vorhandene "Weinbergsdrahtanlage" X DM wert gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Steuer auf Y DM herab.

Das Gericht entscheide gemäß Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) nach billigem Ermessen ohne mündliche Verhandlung, weil nur noch ein Steuerbetrag von 80 DM streitig sei. Die gesamte Rebanlage einschließlich der Rebstöcke zähle zu den Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören. Ihr Erwerb unterliege daher gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (RP) nicht der Grunderwerbsteuer. An sich hätten daher die Werte dieser Betriebsvorrichtungen sowie des Grund und Bodens ermittelt werden müssen, um den Kaufpreis entsprechend aufteilen zu können. Davon sehe das FG im vorliegenden Verfahren nach Art. 3 § 5 VGFGEntlG ab. Denn aufgrund der Sachkunde eines mitwirkenden ehrenamtlichen Richters sei dem FG bekannt, daß die Kosten je Hektar neuangelegter Rebanlagen einschließlich Rebstöcke etwa das Doppelte der Kosten betragen, die das FA für die Anlage der Spann- und Befestigungsanlagen allein ermittelt habe. Unter Berücksichtigung dieser und weiterer (im einzelnen genannter) Umstände ergebe die Verhältnisrechnung einen auf den Grund und Boden entfallenden Kaufpreisanteil, der bereits unter dem vom Kläger zugestandenen Betrag liege. Über den Klageantrag dürfe das Gericht aber nicht hinausgehen.

Auf Antrag des FA hat der Senat die Revision zugelassen.

Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Das FG-Urteil muß aufgehoben werden, weil es gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (RP) verstößt.

Nach dieser Vorschrift wurden, ebenso wie nunmehr nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, nicht zu den Grundstücken gerechnet. Das FG hat zu Unrecht entschieden, daß neben den Spann-, Halte- und Erziehungsvorrichtungen auch die Rebstöcke - d.h. die Pflanzen - Vorrichtungen in diesem Sinne seien.

Schon der Wortlaut der Vorschrift gibt keinen Anhalt, daß hier auch Pflanzen gemeint sind. Die Formulierung "Maschinen und andere Vorrichtungen" ist dahin zu verstehen, daß die anderen Vorrichtungen wie Maschinen dem auf dem Grundstück unterhaltenen Betrieb zu dienen bestimmt sind; sie müssen von Menschenhand hergestellt sein, so daß Pflanzen ausscheiden. Eine darüber hinausgehende Bedeutung der "anderen Vorrichtungen" hätte bei dieser Satzstellung kenntlich gemacht werden müssen.

Der Sinn des Gesetzes läßt keine andere Auslegung zu.

Sieht man diesen Sinn darin, daß die Überschneidung der Grunderwerbsteuer mit der Besteuerung gewerblicher oder landwirtschaftlicher Produktion vermieden werden sollte, dann wäre er nur unvollkommen verwirklicht worden; denn man hätte dann auch den Erwerb von betrieblichen und landwirtschaftlichen Grundstücken jeweils einschließlich der aufstehenden Gebäude ausklammern müssen (vgl. dazu den Kommentar von Boruttau/Egly/ Sigloch zum Grunderwerbsteuergesetz, 12. Aufl., Vorbem. Rdnr. 537). Das ist aber nicht geschehen. Ein Grundsatz, welcher die Einbeziehung auf landwirtschaftlichen Grundstücken stehender Pflanzen in die Grunderwerbsteuer verbietet, ist demnach nicht ersichtlich. Abgesehen davon ist ohnehin nicht erkennbar, inwiefern die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer mit der Besteuerung der gewerblichen oder landwirtschaftlichen Produktion konkurrieren könnte. Beide Steuerarten haben verschiedene Zweckrichtungen.

Der Senat sieht den Sinn der genannten Vorschrift darin, daß die Grunderwerbsteuer nicht ungerechtfertigt ausgedehnt werden sollte. Man wollte zwar den Erwerb von Grundstücken mit Bewuchs und Gebäuden, den Erwerb von Maschinen und Fabrikationseinrichtungen aber selbst dann nicht besteuern, wenn diese wesentliche Bestandteile eines Grundstücks waren. Auch bei dieser Deutung wurde der Erwerb mit dem Boden verbundener Pflanzen nicht durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (RP) von der Besteuerung ausgeschlossen. Das gilt schließlich ebenso, wenn man mit Boruttau/Egly/Sigloch (a.a.O.) den tragenden Grund dieser Vorschrift darin sieht, daß (bei Betriebsvorrichtungen) die oft schwierige Unterscheidung zwischen Bestandteil und Zubehör vermieden werden sollte. Bei mit dem Boden verbundenen Pflanzen gibt es insoweit keine Zweifel. Sie sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 94 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wesentliche Bestandteile des Grundstückes.

Unerheblich ist, daß im Ertragsteuerrecht Rebanlagen einschließlich der Rebstöcke ebenso wie andere Pflanzenanlagen als ein einheitliches Wirtschaftsgut angesehen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. November 1978 IV R 43/78, BFHE 127, 17, BStBl II 1979, 281, m.w.N.). Das hat auf die Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (RP) ebensowenig Auswirkung wie möglicherweise von der vorliegenden Entscheidung abweichende Ansichten zu § 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes. Maßgebend sind hier nur Wortlaut sowie Sinn und Zweck der genannten grunderwerbsteuerrechtlichen Vorschrift.

2. Das FG hat keine Tatsachen festgestellt, welche die Aufteilung des Kaufpreises auf das Grundstück mit Rebstöcken einerseits und die Betriebsvorrichtungen andererseits ermöglichen. Die Sache geht daher an das FG zurück.