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BFH-Urteil vom 19.4.1989 (I R 3/88) BStBl. 1989 II S. 595

Die bloße Bezugnahme in einer Satzung auf andere Regelungen oder Satzungen Dritter genügt nicht den Anforderungen an die Satzung nach § 60 AO 1977 (formelle Satzungsmäßigkeit).

AO 1977 §§ 52 ff., 59, 60.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, veranstaltete im Streitjahr u.a. Kurse zur Erlangung von Bootsführerscheinen. Seine Zwecke und Ziele sind laut Satzung wie folgt festgelegt:

"§ 2 (Zweck und Ziel)

(I) Die Vereinigung betätigt sich ausschließlich und unmittelbar im Sinne der §§ 51 ff. der AO. Die Vereinigung fördert den Motorboot- und Segelsport, indem sie insbesondere selbst wassersportliche Veranstaltungen durchführt oder ihren Mitgliedern die Teilnahme an solchen Veranstaltungen ermöglicht. Sie betätigt sich dabei im Rahmen der sportlichen Regeln des ADAC und des DMYV und wahrt die Belange dieser Organisationen.

(II) Die Vereinigung führt Maßnahmen durch, die ihr zur Hebung der allgemeinen Verkehrssicherheit und zur Verhütung von Unfällen auf dem Wasser geeignet erscheinen und übernimmt im Rahmen ihrer Vereinsarbeit auch die Betreuung gemeinnütziger Wassersport-Ortsclubs innerhalb des ADAC-Gaues Schleswig-Holstein. Sie kann anderen gemeinnützigen Wassersport-Vereinigungen korporativ beitreten.

...

§ 3 (Mitgliedschaft)

(I) Ordentliche Mitglieder der Vereinigung können natürliche Personen sein, die Eigner eines Schiffes oder sonst am Wassersport interessiert sind, sofern und solange sie Mitglieder des ADAC sind und das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben. ..."

Seit 1974 war der Kläger bestrebt, als gemeinnütziger Verein anerkannt zu werden. Am ... 1977 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Kläger eine Bescheinigung über die vorläufige Anerkennung als gemeinnützig aus. Im Veranlagungsverfahren für das Streitjahr 1984 kam das FA zu dem Ergebnis, daß der Kläger u.a. wegen seiner engen satzungsmäßigen Verklammerung der Mitgliedschaft mit der Mitgliedschaft im ADAC gegen das Erfordernis der Förderung der Allgemeinheit verstoße und setzte mit Steuerbescheid vom ... 1986 eine Körperschaftsteuerschuld für das Streitjahr fest.

Der Einspruch ist erfolglos geblieben; das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. ...

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des FG war aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FA hat den Kläger im Ergebnis zu Recht zur Körperschaftsteuer herangezogen. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft (§ 59 der Abgabenordnung - AO 1977 -) liegen im Streitfall nicht vor. Es kann dahinstehen, ob der Kläger gemeinnützige Zwecke i.S. des § 52 AO 1977 verfolgt. Es fehlt bereits an der formellen Satzungsmäßigkeit (§ 60 AO 1977).

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 sind von der Körperschaftsteuer befreit, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungszweck oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Als Förderung der Allgemeinheit sind nach Abs. 2 dieser Vorschrift insbesondere u.a. anzuerkennen die Förderung des Sports.

Die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung müssen so genau bezeichnet sein, daß aufgrund der Satzung die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung geprüft werden können (§ 60 Abs. 1 AO 1977; sog. formelle Satzungsmäßigkeit; vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482 unter 3.; vom 9. Juli 1986 I R 14/82, BFH/NV 1987, 632).

2. Das FG hat ausgeführt, daß der Kläger den Motor- und Segelsport fördere. Es hat jedoch verkannt, daß gemäß § 2 der Satzung die Art der Tätigkeiten und deren Rahmen nicht hinreichend genau bestimmt sind.

Vereinszweck ist gemäß § 2 Satz 2 der Satzung: Förderung des Motorboot- und Segelsports, indem der Verein insbesondere selbst wassersportliche Veranstaltungen durchführt oder seinen Mitgliedern die Teilnahme an solchen Veranstaltungen ermöglicht. Diese Förderung soll im Rahmen der sportlichen Regeln des ADAC und des DMYV geschehen; der Kläger muß dabei die Belange dieser Organisationen wahren (§ 2 Satz 3 der Satzung).

Es kann dahinstehen, ob eine Bezugnahme auf die sportlichen Regeln des DMYV ausreicht; jedenfalls sind die Begriffe "allgemeine sportliche Regeln des ADAC" und "Belange dieser Organisationen" zu unbestimmt, um "aufgrund der Satzung" (§ 60 Abs. 1 AO 1977) beurteilen zu können, welche Zwecke der Kläger damit fördern und wie er sie verwirklichen will. Die bloße Bezugnahme auf Satzungen oder andere Regelungen Dritter genügt nicht, um prüfen zu können, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen gegeben sind (§ 60 Abs. 1 AO 1977). Da es schon an der formellen Satzungsmäßigkeit fehlt, kann dahinstehen, ob der Kläger die sonstigen Voraussetzungen der §§ 52 ff. AO 1977, insbesondere der §§ 56, 57 AO 1977 erfüllt.

3. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die Mitteilung über die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit berufen. Aus ihr kann kein Anspruch auf Freistellung im Veranlagungsverfahren hergeleitet werden (Scholtz in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., Anm. 13 zu § 51), selbst dann nicht, wenn das FA bereits bei gründlicher Prüfung der eingereichten Unterlagen hätte zu dem Schluß kommen können, daß eine Freistellung von der Steuer nicht in Betracht kommen werde (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374). Über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 wird - worüber in der mündlichen Verhandlung Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestand - ausschließlich im Veranlagungsverfahren für die jeweilige Steuer und den jeweiligen Veranlagungszeitraum entschieden (BFH-Beschluß vom 7. Mai 1986 I B 58/85, BFHE 146, 392, BStBl II 1986, 677). Durch das Schweigen des FA in der Folgezeit wurde kein nach den Grundsätzen von Treu und Glauben schutzwürdiger Vertrauenstatbestand geschaffen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 77/76, BFHE 127, 327, 330, BStBl II 1979, 481, 482). Das FA hat in der Mitteilung vom ... 1977 ausgeführt, daß damit keine endgültige Entscheidung über die Steuerbefreiung gefällt sei, diese vielmehr dem Veranlagungsverfahren vorbehalten bleibe.