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BFH-Urteil vom 26.4.1989 (I R 172/87) BStBl. 1989 II S. 673

1. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist seiner Kapitalgesellschaft gegenüber sowohl als Gesellschafter als auch als Geschäftsführer einem Wettbewerbsverbot unterworfen, es sei denn, ihm wurde von der Einhaltung zivilrechtlich wirksam Dispens erteilt.

2. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot ist schon dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer Leistungen aus dem Geschäftsbereich der Kapitalgesellschaft auf dem Markt entgeltlich anbietet.

3. Verstößt der Gesellschafter-Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot, so hat die Kapitalgesellschaft gegen ihn wahlweise einen Anspruch auf Schadensersatz oder auf Herausgabe der erzielten Vergütung.

4. Macht die Kapitalgesellschaft keinen der beiden Ansprüche geltend, so liegt in dem Verzicht auf den jeweils weitergehenden Anspruch eine verdeckte Gewinnausschüttung.

KStG 1977 § 8 Abs. 3 Satz 2; GmbHG § 43; BGB §§ 667, 681, 670.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die im Streitjahr 1981 ein Baugeschäft für Hoch- und Tiefbau betrieb. Das Stammkapital der Klägerin betrug 20.000 DM. Sämtliche Geschäftsanteile wurden von X gehalten, der auch alleiniger Geschäftsführer war. Der zwischen der Klägerin und X geschlossene Geschäftsführervertrag enthielt keine Vereinbarung über eine Befreiung des X vom Wettbewerbsverbot.

In einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) fest, daß X und seine Ehefrau durch Vertrag vom 15. Januar 1981 von den Eheleuten Y ein unbebautes Grundstück in E erworben hatten. Als Gegenleistung hatten sie sich verpflichtet, den Eheleuten Y auf deren Grundstück in H den Rohbau für ein Zweifamilienhaus "unentgeltlich" zu errichten. Die Vertragschließenden hatten den Wert des Rohbaus im Kaufvertrag auf 20.000 DM geschätzt.

Das FA ermittelte den Wert der von den Eheleuten X bei der Erstellung des Rohbaus erbrachten Leistungen auf 44.738 DM brutto bzw. auf 39.591,15 DM netto: Es erhöhte den Gewinn 1981 um 44.738 DM und die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Umsatzteuergesetzes (UStG) 1980 steuerpflichtigen sonstigen Leistungen des gleichen Jahres um 39.591,15 DM. Am 14. Dezember 1984 erließ das FA einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1981 und einen erstmaligen Umsatzsteuerbescheid 1981.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage ganz überwiegend statt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und des § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG des Saarlandes vom 30. September 1987 1 K 112/85 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

II.

A.

Das Revisionsverfahren wegen Umsatzsteuer 1981 war abzutrennen (§ 121, § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der erkennende Senat ist insoweit sachlich unzuständig. Sachlich zuständig ist der V. Senat, weil in dem Revisionsverfahren wegen Umsatzsteuer 1981 darüber zu entscheiden ist, ob § 1 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 UStG 1980 anzuwenden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169) und was die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch bzw. für die steuerpflichtige sonstige Leistung ist (vgl. Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Geschäftsjahr 1989, Teil A, Ergänzende Regelungen, I 1, I 3 und I 6, BStBl II 1989, 173, 175).

B.

Die Revision ist begründet, soweit sie die Entscheidung über die Klage wegen Körperschaftsteuer 1981 betrifft. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer Klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt bezahlt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25). Fehlt es an einer Klaren und im voraus getroffenen Vereinbarung, so besteht wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen der Gesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung der Einkommen der Gesellschaft und des Gesellschafters jeweils am günstigsten ist.

b) Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß X im Streitjahr 1981 sämtliche Anteile an der Klägerin hielt. X war damit beherrschender Gesellschafter der Klägerin. Die Klägerin erbrachte an X Leistungen zumindest in der Form, daß sie Baumaschinen und Baumaterial zur Verfügung stellte, ohne dafür ein Entgelt zu erhalten. In Höhe des Wertes dieser Leistungen ist eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, weil die genannten Leistungen eine Vermögensminderung der Klägerin auslösten, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist und sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt.

X war außerdem Geschäftsführer der Klägerin. Weder der Gesellschaftsvertrag noch der Geschäftsführervertrag sahen eine Befreiung des X von einem Wettbewerbsverbot vor. Deshalb ist davon auszugehen, daß X sowohl als Gesellschafter als auch als Geschäftsführer im Verhältnis zur Klägerin einem Wettbewerbsverbot unterlag. Das Wettbewerbsverbot galt unabhängig davon, ob es in der Satzung oder im Anstellungsvertrag ausdrücklich festgehalten war, ob die Klägerin durch das wettbewerbswidrige Tätigwerden des X geschädigt wurde und ob sie die von X betriebenen Geschäfte selbst hätte betreiben können (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26. Oktober 1964 II ZR 127/62, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - 1964, 1.320; vom 9. November 1967 II ZR 64/67, BGHZ 49, 30; vom 11. Oktober 1976 II ZR 104/75, Betriebs-Berater - BB - 1977, 313; vom 9. Juli 1979 II ZR 125/77, Lindenmaier/ Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Bürgerliches Gesetzbuch, § 242 [Cd] Nr. 223). Aufgrund des Wettbewerbsverbots war dem X jede Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im eigenen Namen und für eigene Rechnung im Geschäftsbereich der Klägerin verboten. Soweit X gegen das Wettbewerbsverbot verstieß, hatte die Klägerin wahlweise gegen X einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V. m. § 266 des Strafgesetzbuches (StGB) oder auf Herausgabe der erzielten Vergütung gemäß § 43 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), § 667 BGB bzw. gemäß §§ 681, 667 BGB (vgl. BGH in WM 1964, 1.320; Scholz/Schneider, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 43 Rdnr. 131, m. w. N.). Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, daß die Klägerin - einen Verstoß des X gegen das bestehende Wettbewerbsverbot unterstellt - von X zumindest die Herausgabe des unbebauten Grundstücks in E verlangen konnte, wobei sie bei Geltendmachung des Anspruchs dem X dessen persönliche Aufwendungen gemäß § 670 BGB ersetzen mußte. Wenn die Klägerin diesen (unterstellten) Anspruch gegen X nicht geltend machte, so liegt in dem Anspruchsverzicht eine verdeckte Gewinnausschüttung. Der Anspruchsverzicht führte nämlich zu einer Vermögensminderung der Klägerin, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt war und sich auf die Höhe des Einkommens auswirkte. Die entsprechende Gewinnausschüttung ist mit dem gemeinen Wert des Anspruchs auf die Herausgabe des unbebauten Grundstücks bei gleichzeitigem Ersatz der von X persönlich getragenen Aufwendungen zu bewerten. Dabei entspricht der Wert dieses Anspruchs dem Wert des unbebauten Grundstücks im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf die Eheleute X abzüglich der von X getragenen Aufwendungen. Der Anspruchsverzicht der Klägerin umfaßt auch denjenigen auf das Entgelt für die Überlassung des Baumaterials und der Baumaschinen, weshalb wertmäßig nur eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen werden kann.

2. Entgegen der Auffassung des FG fiel die von X übernommene Leistungsverpflichtung unter dessen Wettbewerbsverbot. Das Wettbewerbsverbot diente dem Schutz der Klägerin. Es verbietet dem Geschäftsführer jede Teilnahme am geschäftlichen Verkehr im Geschäftsbereich der Gesellschaft. Eine wettbewerbswidrige Teilnahme ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Geschäftsführer Leistungen aus dem Geschäftsbereich der Gesellschaft auf dem Markt entgeltlich anbietet. Darauf, ob die Teilnahme des Geschäftsführers am geschäftlichen Verkehr eine nachhaltige oder nur eine gelegentliche ist, kommt es nicht an. Ebenso ist es unerheblich, daß X mit seiner Teilnahme am geschäftlichen Verkehr die Absicht verfolgte, privates Grundvermögen zu erwerben. Diese Absicht ändert nichts daran, daß X entgeltlich tätig wurde und damit in einen Wettbewerb zur Klägerin trat. Der vom FG festgestellte Sachverhalt macht dies sogar besonders deutlich. Danach kam X seiner Leistungsverpflichtung durch Inanspruchnahme der Klägerin nach. X hätte also den Rohbau ohne Inanspruchnahme der Klägerin gar nicht errichten können. Ein anderer Grundstückserwerber hätte die Klägerin oder einen anderen Bauunternehmer beauftragen müssen, um eine gleichartige Leistungsverpflichtung zu erfüllen. Das FA weist deshalb in seiner Revisionsbegründung zutreffend darauf hin, daß die Form des vereinbarten Entgelts nur auf dem Hintergrund der engen Gesellschafterbeziehungen zwischen der Klägerin und X wirtschaftlich verständlich ist. X verpflichtete sich nur deshalb zur Errichtung des Rohbaus, weil er diesen mit Hilfe der Klägerin erstellen konnte. Gerade deshalb trat er aber auf dem Markt in Wettbewerb zur Klägerin.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. In tatsächlicher Hinsicht ist der Wert des Verzichtes der Klägerin auf ihren Anspruch auf Herausgabe des unbebauten Grundstücks in E festzustellen. Dies ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.

4. Für den zweiten Rechtszug weist der erkennende Senat vorsorglich auf folgendes hin:

a) Das FG ist bei einer zulässigen Klage verpflichtet, innerhalb des gestellten Klageantrags auch die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Ausschüttungsbelastung zu prüfen. Dies setzt voraus, daß dafür maßgebenden vEK-Bestände und der Zeitpunkt des Abflusses der verdeckten Gewinnausschüttung festgestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 87/83, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75). Die Klägerin wird auf die Möglichkeit hingewiesen, den Antrag nach § 54 Abs. 7 KStG 1977 zu stellen.

b) Wenn das FG nach Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit verfährt, dann müssen die Entscheidungsgründe zweifelsfrei erkennen lassen, ob der anderweitige Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung nur die Einkommensermittlung oder (auch) die Herstellung der Ausschüttungsbelastung betrifft. Außerdem ist klarzustellen, ob sich der anderweitige Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung auch auf die fingierte Feststellung des Einkommens gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 bezieht. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil vom 16. März 1988 I R 188/84 (BFHE 153, 219, BStBl II 1988, 683).