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BFH-Urteil vom 28.6.1989 (II R 102/86) BStBl. 1989 II S. 802

Der Nachweis dafür, daß ein Grundstück zur Vermeidung der Enteignung für Straßenbauzwecke freiwillig veräußert wurde, ergibt sich auch aus der bestehenden und vom Grundstückskäufer darzulegenden Straßenbauplanung.

GrEStG 1983 § 9 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom Januar 1983 für 7.800 DM einen Grundstücksteil zum Ausbau der Staatsstraße zwischen A und B. Für die "Anschneidung" des dem Verkäufer verbleibenden Grundstücksteiles zahlte er gesondert 2.600 DM.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen den Kläger 208 DM Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach einer Gegenleistung von 10.400 DM.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, die 2.600 DM seien die Entschädigung für die Wertminderung des Restgrundstückes und gehörten daher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) nicht zur Gegenleistung; denn der Grundstückskauf habe eine Enteignung vermieden.

Das FA wies den Einspruch zurück.

Das Landratsamt X als Enteignungsbehörde antwortete dem FA auf Anfrage, es könne mangels Unterlagen nicht prüfen, ob der betreffende Grundstückskauf eine Enteignung vermieden habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klagebegehren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil das FG § 9 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG 1983 nicht richtig angewendet hat.

Durch den Vertrag vom Januar 1983 wurde das betreffende Grundstück im Sinne der genannten Vorschrift zur Vermeidung der Enteignung freiwillig veräußert. Dem Vertrag war ein Grunderwerbsplan für den Ausbau der Staatsstraße zwischen A und B beigefügt. Aus diesem Plan ist - auch nach Ansicht des FG - ersichtlich, daß die erworbene Grundstücksfläche zum Bau der Einmündung einer Ortsstraße in die genannte Staatsstraße benötigt wurde. Somit drohte dem Grundstücksveräußerer gemäß Art. 40 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1981 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 1981, 448) i.V.m. Art. 1 des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Juli 1978 (GVBl 1978, 625) die Enteignung seines Grundstückes, falls er es nicht freiwillig veräußerte.

Eine Bestätigung der zuständigen Enteignungsbehörde, daß die Veräußerung zur Vermeidung einer Enteignung erfolgte, war unter diesen Umständen nicht erforderlich. Ebensowenig brauchte der Kläger gemäß Art. 36 Abs. 3 Nr. 1 BayStrWG ein Planfeststellungsverfahren nach Art. 36 Abs. 1 dieses Gesetzes durchzuführen; denn er hatte sich mit dem Grundstückseigentümer über den Verkauf der für den Straßenbau benötigten Grundfläche geeinigt. Es wäre sinnwidrig, lediglich für steuerliche Zwecke zur "Vermeidung der Enteignung" eine Planfeststellung zu verlangen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, über welchen der Senat mit dem Urteil vom 30. Januar 1980 II R 44/77 (BFHE 130, 185, BStBl II 1980, 362) zu entscheiden hatte. Er hat dort die Ansicht vertreten, daß der Erwerb "zur Vermeidung einer Umlegung" nach den früheren Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzen der Länder einen Bebauungsplan voraussetze. Denn § 45 des Bundesbaugesetzes räumt im Gegensatz zu Art. 36 BayStrWG nicht die Möglichkeit ein, unter bestimmten Bedingungen auf einen förmlichen Plan zu verzichten.

2. Der Senat entscheidet selbst in der Sache. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Steuer nach einer Gegenleistung von 7.800 DM auf 156 DM festzusetzen; denn die restlichen 2.600 DM wurden für die "Anschneidung" des dem Verkäufer verbleibenden Grundstücksteiles gezahlt und rechnen daher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG nicht zur Gegenleistung.