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BFH-Urteil vom 19.4.1989 (II R 16/89) BStBl. 1989 II S. 804

Bei durch Organschaft verbundenen Unternehmen ist bei der Entscheidung, ob die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer unbillig ist, i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Organtochter, sondern auch auf die der Muttergesellschaft abzustellen.

GrStG 1973 § 33.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Klägerin ist Organtochter der Maschinenfabrik D-GmbH. Sie betreibt auf eigenem, in Berlin gelegenem Grundstück eine Werkzeugmaschinenfabrik. In den Jahren 1975 und 1976 entstanden bei der Klägerin Verluste, die aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrages von der D-GmbH übernommen wurden.

Fristgerecht beantragte die Klägerin, die für die Jahre 1975 und 1976 jeweils in Höhe von 35.982,80 DM festgesetzte Grundsteuer wegen Minderausnutzung des Grundstücks gemäß § 33 des Grundsteuergesetzes (GrStG) teilweise zu erlassen.

Mit zwei Bescheiden vom 5. Juni 1978 lehnte das Finanzamt (FA) die Erlaßanträge der Klägerin ab, weil es für den Erlaßzeitraum eine Minderung des normalen Rohertrags des Grundstücks von mehr als 20 v.H. verneinte. Die Beschwerde der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Ablehnungsbescheide des FA sowie die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) aufgehoben und dem Erlaßbegehren der Klägerin zum überwiegenden Teil entsprochen, im übrigen die Klage abgewiesen. Das Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvereinbarung stehe dem Erlaß nicht entgegen.

Mit der Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Finanzrechtsweg ist gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 1 Abs. 2 GrStG).

2. Die Revision ist begründet.

Das angefochtene Urteil des FG beruht auf unrichtiger Anwendung des § 33 Abs. 1 GrStG. Nach dieser Vorschrift ist bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken die Grundsteuer im Falle der Minderung der Ausnutzung des Grundstücks um mehr als 20 v.H. unter weiteren Voraussetzungen zu erlassen, wenn die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebes unbillig wäre.

§ 33 GrStG ordnet anders als die §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977) den Steuererlaß von Gesetzes wegen an; soweit diese gesetzliche Regelung reicht, ist kein Raum für eine Ermessensausübung der Steuerbehörde. Der Begriff der "Unbilligkeit" ist deshalb als Rechtsbegriff zu qualifizieren, dessen Anwendung der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.

Entgegen der Auffassung des FG ist bei der Frage, ob die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer bei einer Organgesellschaft unbillig ist, nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Organtochter, sondern auch auf die der Muttergesellschaft abzustellen. Daß es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gesamtunternehmens (Organkreises) ankommt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG. Der Gesetzgeber hat die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Beziehung zum Objekt der Steuer (Grundstück), sondern zum "Betrieb" gesetzt. Er hat damit eine betriebsbezogene Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse angeordnet. Diese Prüfung erfordert die Einbeziehung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Gesamtbetriebes und nicht die isolierte Betrachtung nur einzelner Betriebsstätten, von Teilbetrieben oder der Betriebe von Organgesellschaften. Die tatsächliche Ertrags- und Vermögenslage eines verbundenen Unternehmens läßt sich in vollem Umfang nur erfassen, wenn das Gesamtunternehmen betrachtet wird. Dies gilt insbesondere bei Vereinbarung eines Ergebnisabführungsvertrages. Denn hier gehört zum Vermögen der Organgesellschaft der Anspruch auf Übernahme des Verlustes durch die Organmutter (wie hier: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1982 8 C 50.81, Deutsches Verwaltungsblatt 1983, 136, und vom 15. April 1983 8 C 146.81, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 1983, 195; BTDrucks VI/3418 zu § 33 GrStG S. 95, ... maßgeblich ist "das gesamte Betriebsergebnis" ...; Ostendorf, Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ- 1978, 221, 226; Missy, KStZ 1977, 106; Hatopp, Deutsche Gemeindesteuer-Zeitung - DGStZ - 1979, 39, 40; ders., KStZ 1980, 161, 162; Loberg, DGStZ 1979, 34, 36; kritisch: Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., 1986, § 33 Anm. 13 unter Buchst. e).

Im Streitfall hat die D-GmbH aufgrund des bestehenden Organschaftsverhältnisses mit Ergebnisabführungsvereinbarung die Verluste der Klägerin in den Erlaßzeiträumen 1975 und 1976 übernommen. Da die Klägerin nicht behauptet hat und sich aus den gesamten Umständen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß bei der D-GmbH in den Erlaßzeiträumen negative Betriebsergebnisse vorgelegen haben, führen die Übernahme der Verluste der Klägerin durch die D-GmbH sowie deren wirtschaftliche Verhältnisse dazu, die Einziehung der Grundsteuer als nicht unbillig anzusehen.

Die Sache ist spruchreif. Der Senat konnte deshalb gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Sache selbst entscheiden. Ungeachtet des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen steht dem Anspruch der Klägerin auf Erlaß der Grundsteuer entgegen, daß die Einziehung der Steuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Gesamtbetriebes (Organkreises) nicht unbillig ist. Denn die D-GmbH war als Organmutter offensichtlich in der Lage, die Verluste der Klägerin aus ihren Erträgen oder ihrem Vermögen abzudecken. Auf die Frage der zutreffenden Ermittlung der Minderung der Ausnutzung des Grundstücks kommt es danach nicht mehr an. Das FA hat im Ergebnis zutreffend den Erlaßantrag der Klägerin abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Verpflichtungsklage ist deshalb abzuweisen.