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BFH-Urteil vom 20.6.1989 (VIII R 57/85) BStBl. 1989 II S. 835

Hat ein Steuerpflichtiger vor Abgabe einer strafbefreienden Erklärung i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 des Strafbefreiungsgesetzes - StrbEG - (Art. 17 § 1 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I, 1093, BStBl I, 224) seine Angaben in den Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1985 im Hinblick auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen berichtigt (§ 153 der Abgabenordnung), so gehört er insoweit nicht zu dem nach § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StrbEG begünstigten Personenkreis.

AO 1977 § 153; StrbEG §§ 1, 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1985, 508)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erklärte für das Streitjahr 1981 Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 538.813,69 DM. In diesem Betrag waren 183.076,61 DM Zinsen enthalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger zunächst entsprechend den Angaben in der Erklärung zur Einkommensteuer 1981. Der Einkommensteuerbescheid vom 9. März 1983 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 12. April 1983 Sprungklage erhoben, der das FA am 27. April 1983 zugestimmt hat. Am selben Tag teilte der Kläger dem FA mit, daß er seine im Streitjahr erzielten Zinserträge versehentlich um 62.164,20 DM zu niedrig angegeben habe. Das FA erließ daraufhin einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1981, in dem es die Einnahmen des Klägers aus Kapitalvermögen auf insgesamt 593.807 DM festsetzte; in diesem Betrag waren die Zinseinnahmen mit 245.240,81 DM berücksichtigt. Der geänderte Bescheid vom 4. August 1983 erging wiederum unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der geänderte Bescheid wurde auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, soweit die Zinseinnahmen des Klägers zur Einkommensteuer herangezogen worden seien. Diese Besteuerung sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) verfassungswidrig.

Die Finanzverwaltung unterlasse es bewußt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um alle Zinseinkünfte gleichmäßig zu besteuern. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) habe durch den sog. Bankenerlaß vom 31. August 1979 (BStBl I, 590) den Finanzbehörden bei der Ermittlung der Zinseinkünfte die Hände gebunden. Der Bankenerlaß unterstelle wahrheitsgemäße Steuererklärungen, obwohl bekannt sei, daß die Mehrzahl der Steuerpflichtigen ihre Zinseinkünfte nicht erkläre. Die Finanzverwaltung unterstütze damit steuerunehrliches Verhalten. Der Gleichheitssatz gebiete deshalb, entgegen den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) von einer Besteuerung erklärter Zinseinkünfte abzusehen. Nur so könne die Rechtsanwendungsgleichheit auch für steuerehrliche Bürger hergestellt werden. Das gelte jedenfalls, solange der Bankenerlaß in der bisherigen Art und Weise praktiziert werde.

Die Klage, mit der der Kläger beantragte, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid zu ändern und die Einkommensteuer auf der Grundlage eines um die Zinserträge von 245.241 DM geminderten Einkommens festzusetzen, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 508 veröffentlicht ist, hat die Klage abgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfrage zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt, mit der er sein Begehren im vorinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt. Er macht geltend, das Urteil des FG könne keinen Bestand haben, weil es den ständigen Verstoß der Finanzverwaltung gegen das EStG und die AO 1977 als rechtmäßig anerkenne und die dem Kläger widerfahrene verfassungswidrige Ungleichbehandlung auf sich beruhen lasse.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1981 dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuer 1981 auf der Grundlage eines um 245.241 DM niedrigeren Einkommens festgesetzt wird, hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungsmäßigkeit der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften einzuholen, auf denen die Festsetzung der Zinseinkünfte im angefochtenen Steuerbescheid beruht.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen gemäß §§ 164 Abs. 2, 172 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheid 1981 erlassen. Dieser Bescheid vom 9. September 1985 ist auf Antrag des Klägers zum Gegenstand des Verfahrens geworden (§§ 68, 121, 123 FGO). Auf Anfrage des Senatsvorsitzenden hat der Kläger mitgeteilt, die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes seien durch den geänderten Bescheid nicht berührt worden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß das FA die Zinseinnahmen des Klägers durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid zu Recht zur Einkommensteuer herangezogen hat.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung unterliegen Einkünfte aus Kapitalforderungen jeder Art der Einkommensteuer. Dazu gehören auch die vom Kläger bezogenen Zinseinkünfte. Diese Zinsen hatte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung wahrheitsgemäß anzugeben (§ 150 Abs. 2 AO 1977; § 25 Abs. 3 EStG).

A. Die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Besteuerung der Zinsen greifen nicht durch. Der Senat nimmt insoweit wegen der Begründung Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BFHE 156, 543 (vgl. dort unter A. und B. der Entscheidungsgründe).

B. Der Revision kann auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 2 i.V.m. § 1 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen - StrbEG - (Art. 17 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I, 1093, BStBl I, 224) stattgegeben werden. Denn der Kläger gehört nicht zu dem nach diesen Vorschriften begünstigten Personenkreis. Der Senat nimmt auch insoweit Bezug auf die Gründe seines Urteils VIII R 82/86 (vgl. dort unter C.). Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit geboten, als der Kläger im Streitjahr 1981 erzielte Zinserträge in Höhe von 62.164,20 DM dem FA erst nach Erhebung der Klage (1983) mitgeteilt hat.

Wie der Senat in seinem Urteil VIII R 82/86 im einzelnen dargelegt hat, greift die in § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG angeordnete Rechtsfolgenbestimmung (Nichtfestsetzung von Einkommensteuer) nur im Umfang der Wirkung einer sog. strafbefreienden Erklärung (vollständige und richtige Angaben bezüglich der Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Veranlagungszeiträume 1986 und 1987) oder Nachholung, Berichtigung oder Ergänzung dieser Angaben ab dem Veranlagungszeitraum 1986 (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG) ein. Da der Kläger aber die im anhängigen Verfahren umstrittenen Zinseinkünfte bereits im Jahre 1983 dem FA offenbarte, konnte er auch bezüglich der zunächst versehentlich nicht angegebenen Zinserträge in Höhe von 62.164,20 DM selbst dann keine strafbefreiende Erklärung mehr abgeben, wenn er - wovon nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht auszugehen ist - hierbei leichtfertig handelte (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG, § 1 Abs. 4 StrbEG i.V.m. § 378 AO 1977).

Die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Kläger ergangenen Einkommensteuerbescheids 1981 wird auch nicht durch die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrbEG berührt, da nach dem Senatsurteil VIII R 82/86 vom Tatbestand dieser Vorschrift nur solche Steuerpflichtige erfaßt werden, die hinsichtlich der Besteuerung ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Veranlagungszeiträume vor 1986 den objektiven Tatbestand der Steuerverkürzung erfüllt haben und für die aufgrund vollständiger und richtiger Steuer- oder Berichtigungserklärungen betreffend die Veranlagungszeiträume ab 1986 die Gefahr der Aufdeckung der in den Vorjahren verwirklichten Steuerverkürzungen bestünde. Die letztgenannte Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben, da der Kläger seine Einkommensteuererklärung 1981 bezüglich der zunächst nicht angegebenen Zinserträge bereits im Jahre 1983 berichtigte.

Der Senat braucht im vorliegenden Verfahren auch nicht darauf einzugehen, ob die Regelung des § 2 Abs. 1 StrbEG mit dem GG in Einklang steht. Denn auch dann, wenn dies zu verneinen wäre, käme eine Aussetzung des Revisionsverfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG nicht in Betracht. Auf die Gründe des Urteils VIII R 82/86 wird Bezug genommen.