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BFH-Urteil vom 6.9.1989 (II R 135/86) BStBl. 1989 II S. 984

§ 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG setzt voraus, daß der Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet (vgl. Urteil des BFH vom 16. Dezember 1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269). Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn der Berechtigte sich das Kaufangebot einräumen läßt, um damit eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Es ist nicht erforderlich, daß der angestrebte wirtschaftliche Erfolg tatsächlich eintritt.

GrEStG Berlin (GrEStG 1983) § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. März 1976 verkauften die beiden Eigentümer eines Grundstücks dieses "den von dem Kaufmann A (- dem Kläger -) zu benennenden Käufer. Selbstbenennung ist ausgeschlossen". Die Käuferbestimmung hatte bis zum 6. April 1976 zu erfolgen. Der Kaufpreis betrug 131.580 DM. Am Abschluß dieses Vertrages war der Kläger nur durch einen vollmachtlosen Vertreter beteiligt. Durch notariell beglaubigte Erklärung vom 1. April 1976 "bestätigte" er, "daß der als vollmachtloser Vertreter aufgetretene ... bevollmächtigt war, den Grundstückskauf zu unterzeichnen". Gleichzeitig benannte er seine Ehefrau als Käuferin. Das beklagte Finanzamt (FA) ermittelte, daß der Kläger das Recht zur Benennung von Grundstückskäufern wiederholt in den Jahren 1976 und 1977 ausgeübt hatte. Der Kläger hatte im Zusammenhang mit den Benennungen stets Dienstverträge mit den benannten Käufern geschlossen, die ihm bei Realisierung der Bauvorhaben erhebliche Gebühren und Provisionen eingebracht hatten. Derart bevollmächtigt schloß der Kläger auch stets Baubetreuungsverträge mit der ihm wirtschaftlich verbundenen A- KG.

Mit Bescheid vom 9. März 1981 setzte das FA 2.499 DM Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Als Gegenstand der Steuer bezeichnete es den am 23. März 1976 beurkundeten Vertrag. In dem Bescheidsformular setzte es den Kläger in die für den Erwerber vorgesehene Zeile ein. Das FA stützte die Steuererhebung auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 des früheren Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Als Bemessungsgrundlage zog es 140 v. H. des Einheitswerts des Grundstücks heran.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, der vom FA am 4. Oktober 1984 als unbegründet zurückgewiesen wurde. In der Einspruchsentscheidung stützte das FA den Steueranspruch nunmehr auf § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG.

Hiergegen richtete sich die Klage. Zu deren Begründung führte der Kläger im wesentlichen an, daß er weder die Absicht noch die Möglichkeit gehabt habe, mit dem Kaufangebot zu handeln. Er habe von seiner Ehefrau weder ein Entgelt erhalten, noch diese zum Abschluß weiterer Verträge bestimmen wollen. Er habe von Anfang an vorgehabt, das Grundstück für seine Ehefrau zu erwerben. Dafür benannte er zwei Zeugen.

In der mündlichen Verhandlung war der Kläger nicht vertreten, da er irrtümlich vom Finanzgericht (FG) zu einer späteren Uhrzeit geladen worden war.

Das FG gab der Klage statt und hob den Steuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG sei nicht erfüllt, da der Kläger tatsächlich wirtschaftliche Vorteile im Zusammenhang mit der Benennung seiner Ehefrau nicht erlangt habe. Darüber hinaus sei der Steuerbescheid rechtswidrig, da das FA gegen Vorschriften über das Besteuerungsverfahren verstoßen habe.

Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Der angefochtene Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung verstößt entgegen der Auffassung des FG nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.

Bereits der ursprüngliche Steuerbescheid vom 9. März 1981 genügt den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Steuerbescheiden (§ 119, § 157 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Lebenssachverhalt, den das FA der Besteuerung unterwerfen wollte, wird aus der Begründung des Steuerbescheids hinreichend deutlich. Durch die dort erfolgte Bezugnahme auf den Vertrag vom 23. März 1976 - der das Kaufangebot enthielt - in Verbindung mit der zitierten Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG wird unmißverständlich bekundet, daß nicht etwa der eigentliche Kauf des Grundstücks, sondern ein Zwischengeschäft erfaßt werden sollte. Dies wird durch die vom FA herangezogene Bemessungsgrundlage "Einheitswert" bestätigt. Die irrtümliche formularmäßige Bezeichnung des Klägers als Erwerber ändert an diesem Gesamteindruck nichts.

b) Das FA hat auch nicht dadurch Vorschriften über das Besteuerungsverfahren verletzt, daß es den Steueranspruch im ursprünglichen Steuerbescheid auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG, in der Einspruchsentscheidung dann aber auf Nr. 7 dieser Bestimmung stützte, also zunächst ein Verpflichtungsgeschäft, dann aber die Abtretung selbst besteuerte. Es ist Sache der rechtlichen Würdigung, welcher Ausschnitt eines bestimmten Lebenssachverhalts für die Besteuerung maßgeblich erachtet wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Juni 1978 II R 97/77, BFHE 125, 397, 401, BStBl II 1978, 568). Durch eine Änderung der rechtlichen Würdigung wird - jedenfalls im Streitfall - kein neuer Lebenssachverhalt zur Besteuerung herangezogen.

c) Entgegen der Auffassung des FG bestand auch keine Ermittlungspflicht des FA im Hinblick auf ein möglicherweise doch vorangegangenes Verpflichtungsgeschäft. Solange kein steuerlich relevanter Stichtag in Frage steht, kann dem Steuerpflichtigen dadurch kein Rechtsnachteil entstehen.

2. Das FG hat § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG unrichtig angewendet. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Grunderwerbsteuer die Abtretung u. a. der Rechte aus einem Kaufangebot, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Abtretung des Kaufangebots begründet. Zur Erfüllung dieses Steuertatbestands ist es erforderlich, daß ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt, dieses vom Berechtigten an einen Dritten abgetreten wird und der Kauf zwischen dem Dritten und dem Grundstückseigentümer auch tatsächlich zustande kommt (vgl. Urteil des BFH vom 31. Mai 1972 II R 162/66, BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Aufgrund des Vertrags vom 23. März 1976 (und dessen nachträglicher Genehmigung durch den Kläger) erhielt dieser eine Rechtsposition, die als Kaufangebot i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu werten ist (zur zivilrechtlichen Problematik dieses Begriffs vgl. Urteil des BFH vom 10. Juli 1974 II R 89/68, BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86). Unerheblich ist es, daß der Kläger selbst das Angebot nicht annehmen konnte (vgl. Urteil des BFH vom 16. Dezember 1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269). Aufgrund der Benennung durch den Kläger ist der Kauf über das Grundstück zwischen dem Grundstückseigentümer und seiner Ehefrau dann auch zustande gekommen. Damit ist der Steuertatbestand insoweit erfüllt.

Eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG ist jedoch nach der Rechtsprechung des Senats von der weiteren Voraussetzung abhängig, daß der Berechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet (vgl. dazu BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269, m. w. N.). Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ergibt sich aus der Zielsetzung der Vorschrift, die den Handel mit Kaufangeboten erfassen will. Dieses Merkmal ist stets erfüllt, wenn der Benennungsberechtigte eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, und sei es auch nur durch Ausübung der sonst dem Veräußerer gegebenen Möglichkeit, den jeweiligen benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluß weiterer Verträge zu bestimmen (vgl. Urteil vom 16. April 1980 II R 141/77, BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525). Nutzt beispielsweise der Berechtigte seine Rechtsposition dahingehend aus - wie es der Kläger nach den Feststellungen des FA in anderen Fällen getan hat -, den Käufer zum Abschluß von Dienstverträgen und Baubetreuungsverträgen zu bewegen, so verfolgt er damit eigene wirtschaftliche Interessen im geschilderten Sinn.

Die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen durch den Benennungsberechtigten setzt nicht voraus, daß dieser bei der Ausübung des Benennungsrechts den erhofften wirtschaftlichen Vorteil auch tatsächlich erzielt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wesen der Grunderwerbsteuer, die als Rechtsverkehrsteuer regelmäßig nicht auf einen wirtschaftlichen Erfolg für den Betroffenen abstellt (vgl. BFH vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Die Bedeutung des von der Rechtsprechung entwickelten ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals "Verfolgung eigener wirtschaftlicher Zwecke" erschöpft sich im übrigen darin, daß damit ganz bestimmte Sachverhalte aus dem Steuertatbestand ausgegrenzt werden, die zwar nach dessen Wortlaut, nicht aber nach dem Willen des Gesetzgebers steuerbar sein sollen, da sie keinen Handel mit Kaufangeboten darstellen. Zu denken ist dabei in erster Linie an die typischen Maklerverträge, aber auch an die Einräumung von Benennungsrechten allein im Interesse des Grundstückseigentümers selbst. Es besteht kein Anlaß, die erfolglose wirtschaftliche Betätigung ebenfalls abweichend vom Wortlaut der Vorschrift aus der Steuerbarkeit herauszunehmen. Zur Erfüllung des Steuertatbestands ist es daher ausreichend, wenn der Berechtigte sich das Kaufangebot einräumen läßt, um damit eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Der angestrebte wirtschaftliche Erfolg muß aber nicht tatsächlich eintreten.

Die wirtschaftliche Zielsetzung muß sich im Einzelfall auf die Verwertung des bestimmten Kaufangebots beziehen. Ein Verhalten in anderen Fällen kann im Rahmen einer Beweiswürdigung von Bedeutung sein.

Die hier vertretene Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 14. September 1988 II R 116/85 (BFHE 155, 153, 157, BStBl II 1989, 52). Dort hat der Senat zu § 1 Abs. 2 GrEStG die Auffassung vertreten, daß die bloße (nicht ausgenutzte) Chance nicht besteuert werde. Dies bezieht sich jedoch nur auf die nicht genutzte Chance zur Verwertung des Grundstücks selbst. Übertragen auf § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG wäre dies vergleichbar mit der nicht ausgenutzten Möglichkeit zur Abtretung des Kaufangebots. Keineswegs soll damit aber die Steuerbarkeit entfallen, wenn sich die - mit der erfolgten Verwertung des Grundstücks nach § 1 Abs. 2 GrEStG oder mit der erfolgten Abtretung des Kaufangebots nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG - verbundene Chance zur Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils nicht verwirklichen läßt.

Die Auffassung des FG, eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG scheide im Streitfall deswegen aus, weil der Kläger tatsächlich wirtschaftliche Vorteile nicht erlangt hätte, ist daher nicht zutreffend.

3. Die für die Entscheidung des FG maßgebenden Gründe beruhen auf anderen Rechtsgrundsätzen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif.

Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG bisher keine ausreichenden Ermittlungen darüber angestellt, ob der Kläger sich das Kaufangebot einräumen ließ, um damit eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Die entsprechenden Sachverhaltsermittlungen sind ausgehend von der Auslegung, wie sie der Senat diesem Tatbestandsmerkmal gibt, nachzuholen. Dabei wird das FG zu berücksichtigen haben, daß die Einlassung des Klägers, seine Ehefrau habe von vornherein als Käufer festgestanden, für sich gesehen dieses Tatbestandsmerkmal weder ausschließt noch bestätigt. Soweit sich aus dem Urteil des Senats vom 22. Dezember 1959 II 228/56 U (BFHE 70, 625, BStBl III 1960, 233) eine andere Auffassung ergibt, hält der Senat an dieser nicht fest.