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BFH-Urteil vom 16.6.1989 (III R 119/85) BStBl. 1989 II S. 1022

Der Antrag auf Gewährung einer sog. Beschäftigungszulage ist auch dann wirksam, wenn er nicht vom Antragsteller eigenhändig, sondern von seinem Bevollmächtigten unterzeichnet worden ist.

InvZulG 1982 § 5 Abs. 3; BGB § 126 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) eröffnete im Jahre 1982 eine Speisegaststätte. Am 28. September 1983 ging bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ein Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes 1982 (InvZulG 1982) - Beschäftigungszulage - in Höhe von ... DM für den Umbau und die Einrichtung der Gaststätte im Kalenderjahr 1982 ein. Der amtliche Vordruck war nicht vom Kläger eigenhändig, sondern von dessen Steuerberater unterschrieben.

Das FA lehnte die Gewährung der beantragten Investitionszulage ab. Zur Begründung wies es darauf hin, daß der Steuerberater die von ihm angeforderten Unterlagen nicht beigebracht habe und die Unterschrift des Steuerberaters auf dem Antragsformular mangels entsprechender Vollmacht nicht ausreiche.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hatte die Klage zum Finanzgericht (FG) teilweise Erfolg. Aufgrund der im Klageverfahren eingereichten Unterlagen ging das FG von einer Bemessungsgrundlage von ... DM für die begehrte Zulage aus; es vertrat die Auffassung, auf die eigenhändige Unterschrift des Klägers komme es nicht an.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Investitionszulage hat. Entgegen der Auffassung des FA ist eine eigenhändige Unterzeichnung des Antrags auf Gewährung einer Investitionszulage nicht erforderlich.

1. a) Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 und 3 InvZulG 1982 wird u.a. auch die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 auf Antrag gewährt, der innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung der begünstigten Anlagegüter endet, gestellt werden muß. In dem Antrag sind die begünstigten Investitionen so genau zu bezeichnen, daß ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist (§ 5 Abs. 3 Satz 4 InvZulG 1982).

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 16. Juni 1989 III R 173/85 (BFHE 157, 284, BStBl II 1989, 807) entschieden, daß sich aus diesen Vorschriften auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis das Erfordernis der Schriftlichkeit für den Investitionszulagenantrag ergibt, und daraus weiter gefolgert, daß ein entsprechender Antrag zu unterzeichnen ist. Entgegen der Auffassung des FA folgt daraus jedoch nicht, daß der amtliche Vordruck für den Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage notwendigerweise eigenhändig vom Anspruchsberechtigten zu unterschreiben ist.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 107 der Reichsabgabenordnung (AO) kann sich der Steuerpflichtige im Falle der Verhinderung nicht nur bei der Abgabe von Willenserklärungen, sondern auch bei der Abgabe von "Wissens"-Erklärungen eines Bevollmächtigten bedienen, wobei die "Verhinderung" auch auf mangelnder geschäftlicher oder rechtlicher Erfahrung oder Kenntnis beruhen kann (Urteile vom 16. August 1962 I 216 und 217/61 U, BFHE 75, 620, BStBl III 1962, 493, und vom 8. Juni 1971 VII R 75/68, BFHE 103, 18, BStBl II 1971, 726).

Von dieser Rechtslage geht auch die Vorschrift des § 150 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) aus, nach der der Steuerpflichtige die Steuererklärung nur dann eigenhändig zu unterzeichnen hat, wenn die Steuergesetze dies anordnen. Es kann dahinstehen, ob § 150 AO 1977 unmittelbar auch für die Form eines Antrags auf Gewährung einer Investitionszulage gilt. § 150 Abs. 3 AO 1977 betrifft seinem Wortlaut nach nur Steuererklärungen; der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage ist aber nicht als "negative" Steuererklärung anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 7. November 1975 III R 164/73, BFHE 117, 518, BStBl II 1976, 225). Es kann ferner offenbleiben, ob sich zum Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift etwas aus der in § 5 Abs. 5 InvZulG enthaltenen Verweisung "auf die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften" ergibt. Denn diese Verweisung ist nicht eindeutig. Sie kann einerseits i.V.m. § 155 Abs. 4 (jetzt Abs. 6) AO 1977 so verstanden werden, daß nur die Regelungen des 3. Abschnitts der AO über das Steuerfestsetzungsverfahren zur Anwendung kommen sollen (zweifelnd auch FG Münster, Urteil vom 27. Juni 1985 XI 379/84 F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 573); andererseits spricht die Verweisung i.V.m. § 1 Abs. 1 AO 1977 für die Anwendung aller Vorschriften der AO 1977. Jedenfalls aber sieht der Senat in § 150 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 ein allgemeines abgabenrechtliches Prinzip, wonach die eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen wie des Anspruchsberechtigten bei Steuervergütungen und Zulagen nur dann gefordert werden kann, wenn sich dies ausdrücklich aus dem jeweiligen Gesetz ergibt.

c) Ausgehend von dieser Rechtslage hat der Gesetzgeber für die Zukunft eine eindeutige Regelung getroffen, die die Vorschriften über das Antragsverfahren "teilweise entsprechend der Verwaltungsübung ergänzt" (BTDrucks 11/2157 S. 182); danach bestimmt § 19 Abs. 5 Satz 4 i.d.F. des durch das Steuerreformgesetz 1990 geänderten Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (BerlinFG 1987) vom 25. Juli 1988 (BGBl I, 1093), daß der Antrag von dem Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben ist. Nach Auffassung des erkennenden Senat ist diese Regelung jedoch auf den Streitfall schon deshalb nicht anwendbar, weil sie allein das BerlinFG betrifft. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB); denn abgesehen davon, daß § 126 Abs. 1 BGB im Steuerrecht nicht unmittelbar anzuwenden ist (BFH-Urteile vom 8. Juli 1983 VI R 80/81, BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13, und vom 20. Januar 1984 VI R 16/82, BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436), gilt als "eigenhändige" Unterschrift nach dieser Regelung auch die Unterschrift eines Bevollmächtigten (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 48. Aufl. 1989, § 126 Anm. 3; Dietrich, Der Betrieb 1974, 2141).

d) Da § 5 Abs. 3 InvZulG 1982 danach keine "eigenhändige" Unterschrift verlangt, bleibt es bei dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 AO 1977, nach dem grundsätzlich eine Vertretung statthaft ist. Dies gilt nicht nur - wie im Gesetz ausdrücklich genannt - für alle Verfahrenshandlungen, sondern auch für die Abgabe von Wissenserklärungen, denn insoweit findet die ältere zu § 107 AO ergangene Rechtsprechung des BFH (in BFHE 75, 620, BStBl III 1962, 493 und BFHE 103, 18, BStBl II 1971, 726) Anwendung (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, Kommentar, 3. Aufl., § 80 Anm. 2; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 80 AO 1977 Tz. 4; FG Berlin, Urteil vom 24. Juni 1981 II 349/80, EFG 1982, 174).

e) Der Senat setzt sich mit dieser Auffassung nicht in Widerspruch zu seinen Ausführungen im Urteil in BFHE 157, 284, BStBl II 1989, 807, wonach die Unterschrift dazu dient, den Urheber der Erklärung zu erkennen und seinen Willen, die Erklärung in den Rechtsverkehr zu bringen, deutlich zu machen. Diesen Zweck vermag auch die Unterschrift eines Bevollmächtigten zu erfüllen. Durch die Vertretung bei der Unterschrift wird der Anspruchsberechtigte von seiner Verantwortung für die tatsächlichen Angaben nicht entlastet (vgl. BFH in BFHE 103, 18, BStBl II 1971, 726), denn ihm wird die Zulage ausgezahlt und er hat sich unter Umständen neben dem Bevollmächtigten auch strafrechtlich zu verantworten (§§ 69 ff. AO 1977).

2. Das FG ist von diesen Grundsätzen auch im Streitfall ausgegangen und hat ausgeführt, für die wirksame Antragstellung nach § 5 Abs. 3 InvZulG 1982 reiche es aus, daß der Bevollmächtigte den Antrag stelle und die Bevollmächtigung durch den Zulageberechtigten nachgewiesen werde. Dabei kann es im Streitfall dahinstehen, ob die Antragstellung - wie das FG meint - durch Vorlage der Prozeßvollmacht gemäß § 184 BGB genehmigt worden ist, denn bei Angehörigen steuerberatender Berufe kann eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung durch den Beteiligten vermutet werden (so zutreffend Schreiben des Bundesminister der Finanzen vom 1. Oktober 1976, BStBl I 1976, 576, 593).

Wenn das FA demgegenüber vorträgt, der Bevollmächtigte des Klägers habe sein Mandat im Klageverfahren niedergelegt, weshalb die Vermutung gerechtfertigt sei, der Kläger habe von den Erklärungen seines Bevollmächtigten nichts gewußt, so handelt es sich um neues, in der Revisionsinstanz nicht mehr zu berücksichtigendes Vorbringen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

3. Auch soweit das FG dem Kläger der Höhe nach einen Teilbetrag der beantragten Investitionszulage zuerkannt hat, ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Das FG hat festgestellt, daß ein Vergleichsvolumen nicht anzusetzen war, weil es sich bei dem Betrieb des Klägers um eine Neugründung gehandelt hat; es hat ferner festgestellt, daß die Investitionszulage nach einer Bemessungsgrundlage von ... DM festzusetzen war. Dagegen hat das FA keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht.