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BFH-Urteil vom 26.7.1989 (I R 56/84) BStBl. 1989 II S. 1027

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß die Kosten der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen bei der Ermittlung des Gewinns einer AG gemäß § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 in der bis 1983 geltenden Fassung nur insoweit abgezogen werden können, als sie das Ausgabeaufgeld übersteigen.

2. § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 enthält insoweit ein Betriebsausgabenabzugsverbot.

KStG 1977 § 9 Nr. 1 Buchst. a; EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische Aktiengesellschaft, die ihr Grundkapital im Streitjahr 1977 um 11,25 Mio DM erhöhte. Die neuen Aktien wurden mit einem Aufgeld in Höhe von 9 Mio DM ausgegeben. Das Aufgeld wurde gemäß § 150 Abs. 2 Nr. 2 des Aktiengesetzes (AktG) a.F. (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - n.F.) in eine Kapitalrücklage eingestellt. Dabei entstanden Unkosten in Höhe von 134.638 DM. Diese setzte die Klägerin als Betriebsausgaben ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Unkosten - weil sie das Ausgabeaufgeld nicht überstiegen - als nicht abziehbare Aufwendungen i.S. des § 9 Nr. 1 Buchst. a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 in der für das Streitjahr gültigen Fassung.

Der Einspruch gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1977 vom 14. April 1980 blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin ab. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 309 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 KStG 1977 und des § 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. Oktober 1983 VI 122/81, die Einspruchsentscheidung des FA Hannover-Nord vom 9. April 1981 und den Körperschaftsteuerbescheid vom 14. April 1980 dahingehend zu ändern, daß die Körperschaftsteuer 1977 von einem um 134.638 DM herabgesetzten zu versteuernden Einkommen festgesetzt werde.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach den tatsächlichen und den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Klägerin im Streitjahr 1977 eine inländische Aktiengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977. Gemäß § 149 Abs. 2 AktG a.F., §§ 39 ff. HGB war sie zur Führung von Büchern verpflichtet. Damit sind die von ihr erzielten Einkünfte 1977 als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln (§ 8 Abs. 2 KStG 1977). Was als Einkommen bzw. als Einkünfte der Klägerin gilt und wie das Einkommen (Einkünfte) zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG und des KStG 1977 (§ 8 Abs. 1 KStG 1977).

2. a) Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind als Betriebsausgaben der Klägerin alle Aufwendungen zu verstehen, die durch ihren Betrieb veranlaßt sind. Dabei ist unter dem Betrieb der Klägerin deren Tätigkeit zu verstehen, die gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1977 als Gewerbebetrieb gilt. Diese Tätigkeit begann spätestens mit der Gründung der Klägerin. Sie umfaßte jede Form der Erweiterung und der Vermögensmehrung der Klägerin. Deshalb zählen Gründungs-, Erweiterungs- und Emissionskosten zu den Betriebsausgaben der Klägerin. Sie sind allerdings nicht abziehbare Betriebsausgaben, soweit sie aktiviert werden müssen (§ 269 HGB n.F.) oder das Gesetz ihren Abzug aus anderen Gründen ausschließt.

b) Die hier wiedergegebene Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). So hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 21. Dezember 1977 I R 20/76 (BFHE 124, 317, BStBl II 1978, 346) die Auffassung vertreten, Kosten der Gründung (Ingangsetzung) oder Erweiterung des Geschäfts (§§ 269, 282 HGB n.F.: z.B. Löhne, Gehälter und Provisionen für Dienstleistungen einer Zweigniederlassung) könnten abzugsfähige Betriebsausgaben sein (vgl. auch: Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 4 Anm. 92e, 99 Stichwort: "Anlaufverlust"). In derselben Entscheidung wurde die Gesellschaftsteuer, die auf die Zuführung von Anlage- und Betriebskapital durch die ausländische Kapitalgesellschaft an ihre inländische Niederlassung anfiel, als abzugsfähige Betriebsausgabe behandelt. In gleicher Weise hat der Senat Gesellschaftsteuern beurteilt, die auf die Hingabe kapitalersetzender Darlehen entfielen (BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802). Schließlich hat er auch die Kosten für die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen als abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt (BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl II 1973, 460). Zuletzt hat er im Urteil vom 8. Juni 1988 I R 132/84 (BFH/NV 1989, 48) die Emissionskosten dem Grunde nach als Betriebsausgaben behandelt.

c) Zwar hat der Reichsfinanzhof - RFH - (Urteil vom 12. November 1924 I A 32/24, RFHE 15, 200 = RStBl 1925, 66) die Auffassung vertreten, die Emission vollziehe sich im Bereich des Vermögens und nicht innerhalb der Einkommenssphäre. Aus dieser Aussage läßt sich jedoch der Nichtabzug der Emissionskosten als Betriebsausgabe nicht ableiten. § 4 Abs. 4 EStG stellt nicht auf den wirtschaftlichen Zusammenhang von Aufwendungen mit der Einkommenssphäre des Steuerpflichtigen ab. Vielmehr kommt es auf die Veranlassung durch den Betrieb an. Zum Betrieb einer Kapitalgesellschaft gehört aber die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen gleichermaßen wie z.B. die von Anleihen. Deshalb sind die entsprechenden Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 4 EStG gleichzubehandeln.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Unterscheidung zwischen der Vermögens- und der Einkommenssphäre einer Kapitalgesellschaft. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1977 i.V.m. §§ 4 und 5 EStG ist der Gewinn der Kapitalgesellschaft durch Vermögensvergleich zu ermitteln. Schon deshalb läßt sich die Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft von der Einkommenssphäre nicht trennen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist Gewinn im steuerrechtlichen Sinne der Unterschiedsbetrag zwischen dem Eigenkapital des Endvermögens und dem des Anfangsvermögens vermindert um Einlagen und erhöht um Entnahmen. Die Tatsache, daß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die Minderung des rechnerisch ermittelten Unterschiedsbetrages um Einlagen vorschreibt, belegt, daß bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages die Einlage zunächst erfolgswirksam erfaßt wird. Der rechnerisch ermittelte Unterschiedsbetrag macht also keinen Unterschied zwischen Vermögensmehrungen im Einkommens- und solchen im Vermögensbereich. Die Unterscheidung zwischen Vermögens- und Einkommensbereich läßt sich deshalb nur rechtfertigen, wenn man dem Vermögensbereich alle nicht steuerbaren Vermögensmehrungen zuordnet. In diesem Sinne ordnet jedoch § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG nur die Einlagen als solche und nicht auch die durch die Einlagen ausgelösten Aufwendungen dem Vermögensbereich zu.

3. a) Jedoch ergibt sich für den Streitfall ein Abzugsverbot der Emissionskosten unmittelbar aus § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977, weil die Kosten das Ausgabeaufgeld nicht übersteigen. Zwar enthält § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 seinem unmittelbaren Wortlaut nach nur eine Regelung über die Abziehbarkeit der Kosten der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen, soweit sie das Ausgabeaufgeld übersteigen, wobei die Vorschrift sich darüber ausschweigt, ob der Abzug schon auf der Ebene der Gewinnermittlung oder erst auf der Ebene der Einkommensermittlung vorzunehmen ist. Die Regelung ist jedoch erkennbar in die Wertung des Gesetzgebers eingebettet (vgl. BTDrucks 7/1470, S. 343), daß Kapitalgesellschaften eine außerbetriebliche Sphäre haben und die Emissionskosten grundsätzlich dieser außerbetrieblichen Sphäre zuzuordnen sind. Der Gesetzgeber wollte die nach seiner Auffassung von Natur aus keine Betriebsausgaben darstellenden Aufwendungen in beschränktem Umfang für abziehbar erklären. Die Rechtsprechung ist zwar dieser Ausgangsvorstellung des Gesetzgebers nicht gefolgt. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 124, 317, BStBl II 1978, 346 die Emissionskosten unmittelbar dem betrieblichen Bereich der Kapitalgesellschaft zugerechnet. Auf diesem Hintergrund geht die Regelung des § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977, soweit sie die Abziehbarkeit der Emissionskosten vorschreibt, ins Leere. Dies rechtfertigt jedoch nicht, die Wertung des Gesetzgebers, in die die Regelung des § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 eingebettet ist, außer Betracht zu lassen.

b) Die Wertung des Gesetzgebers, daß die Kapitalgesellschaft eine außerbetriebliche Sphäre habe und Emissionskosten grundsätzlich dieser außerbetrieblichen Sphäre zuzurechnen seien, hat im Gesetzestext des § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 - wenn auch unvollkommen - insoweit ihren Ausdruck gefunden, als die gesamte Regelung nur auf diesem Hintergrund logisch verständlich ist. Die entsprechende Wertung ist außerdem ausdrücklich Gegenstand der Begründung der Bundesregierung zum KStG 1977 (BTDrucks 7/1470, S. 343). Ihr hat der Bundesrat zugestimmt (BTDrucks 7/1470, S. 415 und BRDrucks 303/83, S. 25, 26). Der Finanzausschuß des Bundestages hat weitergehenden Anträgen nicht entsprochen (vgl. Dritter Bericht des Finanzausschusses des Bundestages in BTDrucks 7/5310, S. 5 und Dritter Antrag des Finanzausschusses des Bundestages in BTDrucks 7/5303, S. 4). Geht als Folge einer vom Gesetzgeber nicht erwarteten Rechtsprechung dessen Regelung über die Abziehbarkeit von Emissionskosten, soweit sie das Ausgabeaufgeld übersteigen, ins Leere, so bedeutet "Bindung an das Gesetz", wie sie gemäß Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) den Gerichten auferlegt ist, nicht nur die Bindung an den unmittelbaren Gesetzeswortlaut, sondern auch die Bindung an Wertungen des Gesetzgebers, die der getroffenen Regelung erkennbar zugrunde liegen. Der insoweit rechtlich als maßgeblich zu erachtende normative Sinn des Gesetzes kann nur unter Berücksichtigung auch der Regelungsabsichten und der konkreten Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers festgestellt werden (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 304). Deshalb ist es keine Gesetzeslückenausfüllung, wenn der erkennende Senat schon bisher den unvollkommen ausformulierten § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 entsprechend der ihm erkennbar zugrunde liegenden Regelungsabsicht auch im Sinne eines Betriebsausgabenabzugsverbotes für solche Emissionskosten verstanden hat, die das Ausgabeaufgeld nicht übersteigen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1980 I R 138/77, BFHE 130, 509, BStBl II 1980, 600; BFH-Beschluß vom 5. Oktober 1983 I B 43/83, BFHE 139, 392, BStBl II 1984, 65; BFH-Urteil vom 8. Juni 1988 I R 132/84, BFH/NV 1989, 48). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Sie liegt auch dem sich auf die Anwendung des § 9 Nr. 3 KStG 1977 beziehenden Urteil vom 25. November 1987 I R 126/85 (BFHE 151, 544, BStBl II 1988, 220) zugrunde.

c) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat auch insoweit gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), wurden die Aktien der Klägerin mit einem Ausgabeaufgeld von 9 Mio DM ausgegeben. Die durch die Ausgabe entstandenen Kosten betrugen nur 134.638 DM. Sie überstiegen das Aufgeld nicht. Damit unterliegen sie in voller Höhe dem Abzugsverbot des § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977.

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die unterschiedliche ertragsteuerliche Behandlung von Kosten einer Pari-Emission und solchen einer Über-Pari-Emission nicht gegen Art. 3 GG.

a) Ein Verstoß gegen das sog. Nettoprinzip ist schon deshalb nicht gegeben, weil dieses nur den Abzug solcher Aufwendungen gebietet, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 12. Aufl., S. 211 ff.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil die Emissionskosten zweifelsfrei auch mit nicht steuerbaren Vermögensmehrungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Es steht dem Gesetzgeber frei, die mit nicht steuerbaren Vermögensmehrungen im Zusammenhang stehenden Aufwendungen für nicht abziehbar zu erklären.

b) Zwar führt die Annahme eines Betriebsausgabenabzugsverbotes zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Kosten einer Pari-Emission und solchen einer Über-Pari-Emission. Die Ungleichbehandlung besteht einmal in der Körperschaftsteuer auf die nicht als Betriebsausgaben abziehbaren Emissionskosten und zum anderen in der Möglichkeit, nur einen geringeren Gewinn ausschütten zu können. Jedoch werden beide Nachteile im Falle einer Liquidation dadurch ausgeglichen, daß der Veräußerungserlös des Gesellschafters gemindert wird.

c) Im übrigen irrt die Klägerin, wenn sie vorträgt, es könne ein negatives EK 04 entstehen, wenn man der in Abschn. 84 Abs. 3 Nr. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1981 vertretenen Auffassung folge. Soweit die Emissionskosten das Agio übersteigen, sind sie bei der Einkommensermittlung abzugsfähig. Sie mindern dann aus diesem Grunde nicht das EK 04. Soweit die Emissionskosten das Aufgeld nicht übersteigen, mindern sie dasselbe. Nur der Differenzbetrag geht als verwendbares Eigenkapital in das EK 04 ein. Auch dieses kann deshalb nicht negativ werden.

5. Die Vorentscheidung entspricht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht. Entsprechend ist die Revision unbegründet.