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BFH-Urteil vom 23.6.1988 (IV R 84/86) BStBl. 1989 II S. 41

Die Herabsetzung des Kaufpreises für einen Betrieb aufgrund von Einwendungen des Käufers gegen die Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags ist ein rückwirkendes Ereignis, das zur Änderung des Steuerbescheids führt, dem der nach dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis ermittelte Veräußerungsgewinn zugrunde liegt.

EStG §§ 16, 18 Abs. 3; AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Streitjahr zusammen mit D ein Ingenieurbüro in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR); am Vermögen und Gewinn der GbR war er zu 60 v.H. beteiligt. Aufgrund Vertrags vom 20. Dezember 1980 schied der Kläger zum 31. Dezember 1980 aus der GbR aus; D führte das Ingenieurbüro danach als Einzelunternehmen fort. Nach dem Vertrag vom 20. Dezember 1980 übernahm D alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der GbR zum 31. Dezember 1980 und verpflichtete sich, an den Kläger ab 10. Januar 1981 in monatlichen Teilbeträgen von je 5.000 DM einen vereinbarten Anteil des "Firmenwerts" in Höhe von 300.000 DM zu zahlen. D zahlte an den Kläger insgesamt 19 monatliche Teilbeträge zu je 5.000 DM. Am 30. Dezember 1982 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des D vom Amtsgericht mangels Masse abgewiesen.

Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der GbR hatte diese einen Planungs- und Bauleitungsauftrag für ein Großprojekt. Es kam jedoch zu Auseinandersetzungen mit dem Kunden, die dazu führten, daß dieser den Vertrag kündigte und D gegen den Kunden auf Zahlung von 561.816 DM klagte. Mit Schreiben vom 28. September 1984 teilte der Rechtsanwalt des D dem Kläger dies mit und drohte gleichzeitig für den Fall, daß D den Prozeß verliere, die Anfechtung des Vertrags vom 20. Dezember 1980 mit der Begründung an, der Auftrag für das Großprojekt sei "Kalkulationsfaktor" für den Kaufpreis von 300.000 DM gewesen. Aufgrund dieser Entwicklung wurde der Kaufpreis mit Vereinbarung vom 2. März 1985 auf 95.000 DM (= Betrag der gezahlten Raten) herabgesetzt. In dieser Vereinbarung wurde darauf hingewiesen, bei der "Bewertung des Kaufpreises" habe "im Vordergrund der Großprojekt-Auftrag" gestanden.

Im Jahre 1982 führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die GbR eine Betriebsprüfung für die Jahre 1978 bis 1980 durch. Aufgrund der dabei vom Prüfer getroffenen Feststellungen erfaßte das FA in dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheid 1980 u.a. einen sich aus der Veräußerung des Anteils des Klägers an D ergebenden Veräußerungsgewinn, der zunächst mit 110.112 DM und durch Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 1985, nachdem das FA gemäß § 367 Abs. 2 AO 1977 auf seine Verböserungsabsicht hingewiesen hatte, auf 301.301 DM festgestellt und dem Kläger zugerechnet wurde. Der Betrag von 301.301 DM wurde in der Weise ermittelt, daß der Kaufpreis von 300.000 DM entsprechend der vereinbarten (zinslosen) Ratenzahlung nach der Tabelle 1 im Anhang 2a zu den Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) abgezinst und daß dem so ermittelten Betrag von 263.850 DM das negative Kapitalkonto des Klägers zum 31. Dezember 1980 hinzugerechnet wurde.

Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, aufgrund der nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises könne der Veräußerungsgewinn nur auf der Grundlage eines Kaufpreises von 95.000 DM ermittelt werden, außerdem sei der gemeine Wert der Kaufpreisforderung wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit des D niedriger als die abgezinste Summe der Raten gewesen, blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, damit die Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt werden könne, ob eine Forderung aus der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils bzw. eine Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters noch zum Betriebsvermögen gehören könne.

Mit der Revision werden mangelnde Sachaufklärung (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und unzutreffende Ermittlung des Veräußerungsgewinns (§ 16 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) gerügt.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und in Abänderung des Feststellungsbescheids vom 24. September 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 1985 der Feststellung des dem Kläger zuzurechnenden Veräußerungsgewinns die Kaufpreisforderung für den anteiligen Firmenwert mit einem gemeinen Wert von 90.950 DM zugrunde zu legen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung sowie in Abänderung des angefochtenen Feststellungsbescheids zur Feststellung des Veräußerungsgewinns des Klägers auf 128.401 DM.

I.

Der Veräußerungsgewinn, den der Kläger zum 31. Dezember 1980 durch die Veräußerung seines Anteils an der GbR an D erzielt hat (§ 18 Abs. 3 Satz 1 EStG), war auf der Grundlage eines Veräußerungspreises in Höhe von 90.950 DM zu ermitteln.

1. Nach § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG i.V. m. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG ist Veräußerungsgewinn i. S. des § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des der selbständigen Arbeit dienenden Anteils am Vermögen übersteigt. Der Kläger und D hatten zwar ursprünglich als Veräußerungspreis den Betrag von 300.000 DM, zahlbar in 60 Monatsraten zu je 5.000 DM, vereinbart. Aufgrund der Herabsetzung des Kaufpreises durch die Vereinbarung vom 2. März 1985 mußte der Veräußerungsgewinn jedoch nach einem Veräußerungspreis von 90.950 DM ermittelt werden.

a) Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 i.V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist ein Feststellungsbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ob ein Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zurückwirkt, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden Steuergesetz. Der Senat hat in seinem Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 10/83 (BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786) darauf hingewiesen, ein Veräußerungsgewinn aus der Übertragung eines Mitunternehmeranteils gelte als mit der Übertragung realisiert, und daraus gefolgert, die spätere vergleichsweise Festlegung eines bisher strittigen Abfindungsanspruchs sei daher ein rückwirkendes Ereignis (vgl. auch Senatsurteil vom 7. September 1972 IV 311/65, BFHE 107, 211, BStBl II 1973, 11). Ein rückwirkendes Ereignis in diesem Sinne liegt nach Auffassung des Senats auch vor, wenn Veräußerer und Erwerber sich zwar zunächst über den Veräußerungspreis geeinigt haben, es jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zu rechtlichen Auseinandersetzungen über die Berechnungsgrundlage für die Ermittlung dieses Preises kommt und diese durch eine Herabsetzung des ursprünglich vereinbarten Preises beigelegt werden (ebenso Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., 1988, § 16 Anm. 58; Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 16 EStG Anm. 194; Gänger in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 16 Rz. 116; Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. 133; Märkle, Finanz-Rundschau - FR - 1978, 25, 27; Claßen, Betriebs-Berater - BB - 1987, 380, 381). Für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns kann es nämlich keinen Unterschied machen, ob die Grundlagen für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns von Anfang an unbestimmt, unklar oder umstritten waren, oder ob der Erwerber erst zu einem späteren Zeitpunkt wegen Unklarheit von Regelungen im Veräußerungsvertrag, wegen Meinungsverschiedenheiten über die Grundlagen des Vertrags, insbesondere über die Grundlagen für die Preisermittlung, oder wegen behaupteter Sach- und Rechtsmängel die getroffene Vereinbarung mit dem Ziel einer Herabsetzung des Veräußerungspreises angreift. In diesen Fällen erweist sich durch die nachträglich erhobenen Einwendungen des Erwerbers, daß nur scheinbar von Anfang an eine eindeutige und klare Rechtsgrundlage für die Forderung des Veräußerers bestanden hat. Geht der Veräußerer auf die Einwendungen des Erwerbers ein und einigen sich beide daraufhin auf einen geringeren Kaufpreis, so muß dieser Vereinbarung ebenso wie dem Vergleich über einen von Anbeginn an umstrittenen Punkt für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen Rückwirkung i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 beigemessen werden.

b) Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall führt dazu, daß der Veräußerungspreis mit 90.950 DM zu bemessen ist. Aus dem Urteil des FG ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß D mit Rücksicht auf die beiden Vertragspartnern bekannte Bedeutung des Großauftrags für die Kaufpreisbemessung und die Nichtdurchführung dieses Auftrags dem Kläger anwaltlich mit der Anfechtung des Vertrags vom 20. Dezember 1980 gedroht hatte und daß es daraufhin zur Herabsetzung des Veräußerungspreises auf die bisher von D gezahlten Raten gekommen ist. Danach ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis von 300.000 DM mit Rücksicht auf die von D erhobene Einwendung, der Vereinbarung vom 20. Dezember 1980 sei durch die Nichtdurchführung des Großauftrags die Grundlage entzogen worden, nachträglich auf 95.000 DM herabgesetzt worden ist. Nach den Ausführungen unter a) handelt es sich bei dieser nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises um ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Als Veräußerungspreis ist somit der Barwert von nur 19 monatlich vorschüssig zahlbaren Raten von je 5.000 DM anzusehen. Dies ergibt bei Anwendung der Tabelle 1 in Anlage 2a zu den VStR einen Betrag von 90.950 DM. Daraus errechnet sich bei einem negativen Buchwert des veräußerten Anteils am Vermögen von 37.451 DM ein Veräußerungsgewinn des Klägers in Höhe von 128.401 DM.

2. Der Annahme, bei der Vereinbarung vom 2. März 1985 handele es sich um ein rückwirkendes Ereignis, steht nicht entgegen, daß D Nachzahlung von 19 Monatsraten zahlungsunfähig geworden ist. Die Ansprüche des Klägers aus dem Vertrag vom 20. Dezember 1980 waren dadurch nicht berührt worden; auch nach der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse bestanden die Ansprüche des Klägers, ungeachtet ihrer derzeitigen Uneinbringlichkeit, fort. Erst die Vereinbarung vom 2. März 1985 hat zum Wegfall weiterer Ansprüche des Klägers aus dem Vertrag vom 20. Dezember 1980 geführt. Nachdem es dazu gekommen war, ist es schon aus diesem Grunde für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich, ob die Forderung des Klägers nachträglich uneinbringlich geworden ist. Offenbleiben kann auch, ob der gemeine Wert der Forderung des Klägers von Anbeginn niedriger als der abgezinste Barwert der Raten war. Jedenfalls lag der gemeine Wert auch nach dem Vorbringen der Revision nicht unter dem Barwert der tatsächlich gezahlten Raten.

Das FG mußte hiernach unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und in Abänderung des angefochtenen Feststellungsbescheids den Veräußerungsgewinn entsprechend dem Vertrag vom 2. März 1985 neu feststellen. Da dies nicht geschehen ist, war das FG-Urteil aufzuheben.

II.

Die Sache ist spruchreif. Entsprechend den Ausführungen unter I.1. b) wird die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 1985 aufgehoben und wird in Abänderung des Feststellungsbescheids vom 24. September 1982 der Veräußerungsgewinn des Klägers auf 128.401 DM festgestellt.