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BFH-Beschluß vom 9.8.1988 (VII E 4/88) BStBl. 1989 II S. 46

Seit Inkrafttreten des Kostenänderungsgesetzes 1975 ist § 135 Abs. 5 Satz 1 FGO (Prozeßkostenhaftung mehrerer Beteiligter nach Kopfteilen) nicht mehr anwendbar. Maßgebend sind nunmehr die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (§ 59: gesamtschuldnerische Haftung).

 FGO § 135 Abs. 5 Satz 1; GKG § 1 Abs. 1 Buchst. c, § 58, § 59.

Sachverhalt

Dem Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) sind - zusammen mit einem weiteren Beschwerdeführer - durch Beschluß des IV. Senats vom 14. Dezember 1987 (IV B 25/87) die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden. Durch Kostenrechnung vom 23. Februar 1988 setzte der Kostenbeamte die Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren gegen beide Beschwerdeführer als Gesamtschuldner fest.

Mit der dagegen eingelegten Erinnerung beantragte der Erinnerungsführer die Kosten anteilig auf die Kostenschuldner gemäß ihren Streitwertanteilen aufzuteilen. Nach § 135 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 100 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) habe eine Aufteilung der Kosten zu erfolgen, wenn die Beteiligung der Streitgenossen untereinander zu einer erheblichen Verschiedenheit führe. Seine gesellschaftliche Beteiligung habe lediglich 10.000 DM betragen, während der andere Beschwerdeführer mit 300.000 DM an der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Des weiteren beruft sich der Erinnerungsführer auf § 100 Abs. 3 ZPO, sowie auf § 58 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Der Vertreter der Staatskasse half der Erinnerung nicht ab und beantragt, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist nicht begründet.

1. Die Frage, wer für die Gerichtskosten haftet, wenn der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen besteht, ist für das finanzgerichtliche Verfahren seit dem 15. September 1975, dem Tag, an dem das "Gesetz zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften" (Kostenänderungsgesetz) vom 20. August 1975 (BGBl I 1975, 2189, BStBl I 1975, 950) in Kraft getreten ist, in zwei sich widersprechenden Vorschriften geregelt. Nach § 135 Abs. 5 Satz 1 FGO haften, wenn der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen besteht, diese nach Kopfteilen. Die Haftung nach dieser Vorschrift tritt kraft Gesetzes ohne besonderen Ausspruch im Urteil, Beschluß oder in der Kostenentscheidung ein (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Stand Juli 1980, § 135 FGO Rdnr. 11; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 135 Rdnr. 10). Dagegen haften nach § 59 GKG Streitgenossen als Gesamtschuldner, soweit die Kosten nicht durch gerichtliche Entscheidung unter ihnen verteilt worden sind. Unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung erscheint es gerechtfertigt, die Regelung des § 135 Abs. 5 Satz 1 FGO für die Kostenerhebung nach Inkrafttreten des Kostenänderungsgesetzes 1975 nicht mehr anzuwenden. Mit dem Kostenänderungsgesetz 1975 hat sich die Rechtslage für die Erhebung der Kosten im finanzgerichtlichen Verfahren erheblich geändert. Zwar wurde § 135 Abs. 5 Satz 1 FGO nicht wie andere Vorschriften der FGO über den Kostenansatz (§§ 140, 141, 146, 147, 148 FGO) ausdrücklich aufgehoben. Die Nichtanwendung dieser Bestimmung erscheint aber gleichwohl insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil gleichzeitig mit Erlaß des Kostenänderungsgesetzes 1975 § 1 Abs. 1 Buchst. c GKG eingeführt worden ist, der vorschreibt, daß Kosten für Verfahren vor den Finanzgerichten (FG) nur nach dem GKG erhoben werden dürfen. Somit stellt sich § 135 Abs. 5 Satz 1 FGO als überholtes Gesetz dar, das nach dem neuen, durch das Kostenänderungsgesetz geschaffenen Recht nicht mehr anwendbar ist. Anwendbar ist danach vielmehr ausschließlich § 59 GKG der i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. c GKG, der für die Erhebung der Gerichtskosten die neuere und speziellere Vorschrift darstellt. Das bedeutet, daß mehrere unterliegende Beteiligte für die Gerichtskosten gesamtschuldnerisch haften.

2. Die Erinnerung kann nicht unter Anwendung des § 135 Abs. 5 Satz 2 FGO (auch nicht i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO) zum Erfolg führen. Nach dieser Vorschrift liegt es im Ermessen des Gerichts, bei erheblicher Verschiedenheit der Beteiligung diese zum Maßstab der Kostenverteilung zu machen. In seinem Beschluß vom 14. Dezember 1987 hat der IV. Senat davon jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern die Kosten den Beschwerdeführern gemeinsam auferlegt. Eine Anfechtung dieser Entscheidung mit der Erinnerung ist nicht zulässig, da mit ihr nach § 5 Abs. 1 GKG nur der Kostenansatz (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 GKG) angegriffen werden kann. Einwendungen, die ihre Grundlage nicht im Kostenrecht haben, können mit der Erinnerung nicht zur Geltung gebracht werden. Sowohl der Kostenbeamte als auch das Gericht, das über die Erinnerung zu entscheiden hat, sind an die gerichtliche Kostenlastentscheidung gebunden (Beschlüsse des Oberlandesgerichts - OLG - München vom 30. Juni 1961 11 W 1077/61, Der Deutsche Rechtspfleger - Rpfleger - 1961, 422 L, und des Kammergerichts vom 11. Dezember 1957 15 W 2302/57, Rpfleger 1962, 122 L).

3. Ein Erfolg der Erinnerung kann schließlich nicht auf § 58 Abs. 2 GKG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift soll die Haftung eines anderen Kostenschuldners, soweit ein Kostenschuldner aufgrund von § 54 Nr. 1 oder Nr. 2 GKG haftet, nur geltend gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des ersteren erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Diese Vorschrift begründet eine gesetzliche Rangfolge der Haftung. Danach sollen der Erstschuldner (Entscheidungsschuldner nach § 54 Nr. 1 GKG) und der Übernahmeschuldner (§ 54 Nr. 2 GKG) vor anderen Kostenschuldnern (Zweitschuldnern) haften (Tipke/Kruse, a.a.O., Stand Mai 1984, vor § 135 FGO Rdnr. 43). Eine derartige Haftungsrangfolge liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Vielmehr haften beide Beschwerdeführer aus dem gleichen Grund, nämlich nach § 49 Abs. 1 GKG, weil sie das Beschwerdeverfahren beantragt haben, und nach § 54 Nr. 1 GKG, weil ihnen die Kosten durch die gerichtliche Entscheidung auferlegt wurden. Somit kann § 58 Abs. 2 GKG ebenfalls keine Anwendung finden.