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BFH-Urteil vom 28.9.1988 (II R 244/85) BStBl. 1989 II S. 157

Erwirbt ein Entwicklungsträger (§ 55 StBauFG) als Treuhänder einer Gemeinde ein Grundstück, so erhält die Gemeinde als Treugeber gleichzeitig an dem Grundstück die Verwertungsmacht i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983.

 GrEStG 1983 § 1 Abs. 2; StBauFG § 55 Abs. 3, § 36 Abs. 1 und 3.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, eine Gemeinde, hatte mit Treuhändervertrag vom 30. September 1980 eine GmbH mit der Vorbereitung und Durchführung einer Entwicklungsmaßnahme i.S. des § 1 Abs. 3 des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) beauftragt. In einem Enteignungsverfahren zugunsten der GmbH (als Entwicklungsträgerin) erwarb diese 1983 (durch Einigung mit den bisherigen Grundstückseigentümern) Grundbesitz gegen Zahlung von 34.066 DM.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 694 DM Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach der Entschädigung von 34.066 DM und den 681 DM Grunderwerbsteuer, welche die GmbH ihrerseits gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 für den Grunderwerb zahlen müsse.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Klagebegehren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil läßt keinen Rechtsverstoß erkennen.

1. a) Der Steueranspruch folgt dem Grunde nach aus § 1 Abs. 2 GrEStG 1983. Mit dem Erwerb des Grundbesitzes durch die GmbH erhielt gleichzeitig die Klägerin die rechtliche Möglichkeit, diesen Grundbesitz auf eigene Rechnung zu verwerten. Das der GmbH nach außen zustehende bürgerlich-rechtliche Grundstückseigentum war gegenüber der Klägerin eingeschränkt; in deren (und nicht im eigenen) Interesse hielt die GmbH das Grundstückseigentum (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Oktober 1985 II R 86/83, BFHE 144, 475, BStBl II 1986, 28). Das ergibt sich aus dem Treuhändervertrag vom 30. September 1980, den die Klägerin und die GmbH gemäß § 55 StBauFG abgeschlossen hatten. Danach handelte die GmbH im eigenen Namen für Rechnung der Klägerin und hatte dabei deren Beschlüsse und Weisungen zu beachten (§ 4 Abs. 1 und 2 des Vertrages). Die von der GmbH erworbenen Grundstücke wurden Treuhandvermögen (§ 5 Abs. 1). Die Treuhandgrundstücke hatte die GmbH nach Maßgabe des § 59 StBauFG unter Beachtung der Weisungen der Klägerin zu veräußern (§ 7 Abs. 2). Nach Beendigung des Treuhandvertrages hatte sie über das Treuhandvermögen Rechnung zu legen und "das Erlangte" an die Klägerin herauszugeben (§ 13). Auch schon vorher hatte sie Treuhandgrundstücke der Klägerin zu übereignen, falls diese den Grundbesitz "zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben" benötigte (§ 7 Abs. 1).

b) Die Klägerin meint, die Rechtsprechungsgrundsätze für die zivilrechtliche Treuhand könne man auf öffentlich-rechtliche Treuhandverhältnisse nicht anwenden. Sie (die Klägerin) habe über das Treuhandvermögen nicht frei verfügen können; denn dieses Vermögen habe für den Entwicklungszweck verwendet werden müssen. Beim Konkurs der GmbH hätte das Treuhandvermögen erst noch auf sie (die Klägerin) übertragen und bis dahin vom Konkursverwalter verwaltet werden müssen (§ 37 Abs. 3, § 55 Abs. 3 StBauFG). Schließlich dürfe die in § 59 StBauFG vorgeschriebene Privatisierung des Grundbesitzes nicht durch doppelte Erhebung der Grunderwerbsteuer erschwert werden.

Mit diesen Einwänden hat die Klägerin keinen Erfolg.

Ob das Treuhandverhältnis zwischen der Klägerin und der GmbH öffentlich-rechtlicher oder privat-rechtlicher Art war, mag offenbleiben. Entscheidend ist nur, daß die GmbH nach dem eindeutigen Wortlaut des Treuhändervertrages in eigenem Namen für Rechnung der Klägerin und nach deren Weisungen handelte (§ 4 Abs. 1 und 2 des Treuhändervertrages). Diese vertraglichen Vereinbarungen entsprechen überdies der gesetzlichen Regelung. Auch § 36 Abs. 1 und § 55 Abs. 3 StBauFG bezeichnen den Entwicklungsträger als Treuhänder, der "in eigenem Namen für Rechnung der Gemeinde" handelt. Die entsprechenden Weisungen erteilt die Gemeinde, welche dem Entwicklungsträger die Aufgaben überträgt (§ 55 Abs. 3 StBauFG).

Ebenso ist unerheblich, daß der Treuhandgrundbesitz für die Entwicklungsmaßnahmen verwendet werden mußte und die Klägerin daher nicht frei darüber verfügen konnte. Diese Beschränkung des Grundstückseigentums änderte nichts daran, daß die GmbH das eingeschränkte Eigentumsrecht auf Weisung und für Rechnung der Klägerin ausübte.

Auch § 37 Abs. 3 (i.V.m. § 55 Abs. 3) StBauFG spricht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu deren Gunsten. Diese Vorschrift bestätigt lediglich einen Grundsatz, der sich schon aus § 43 der Konkursordnung (KO) ergibt. Da das Treuhandvermögen wirtschaftlich nicht dem Treuhänder gehört, kann der Treugeber die Aussonderung verlangen (vgl. dazu den Kommentar von Kilger zur Konkursordnung, 15. Aufl. 1987, § 43 Anm. 9). Es muß ihm also übertragen werden.

Ebensowenig hindert eine von der Klägerin befürchtete "Erschwerung der in § 59 Städtebauförderungsgesetz vorgeschriebenen Privatisierung des Grundbesitzes" die Erhebung der Steuer. Der Gesetzgeber wollte mit dem GrEStG 1983 die Grunderwerbsteuer vereinfachen und durch weitgehenden Verzicht auf Steuerbefreiungen einen niedrigen Steuersatz ermöglichen. Die Versteuerung von Fällen der vorliegenden Art entspricht erkennbar seinem Willen; denn durch § 24 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1983 wurde § 77 StBauFG aufgehoben, der in seinem Abs. 1 Nr. 5 auch Erwerbsvorgänge, "die durch die Begründung, das Bestehen oder die Auflösung eines Treuhandverhältnisses i.S. des § 36, 37 oder 55 bedingt sind", von der Steuer befreit hatte. Der jetzt eingeführte niedrige Steuersatz (2 v.H.) war nach Ansicht des Gesetzgebers allgemein zumutbar.

2. Fehler bei der Berechnung der Höhe der Steuer sind nicht ersichtlich. Als Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983) hat das FA zutreffend die Entschädigung (34.066 DM) und die von der GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 zu zahlende Grunderwerbsteuer (681 DM) zugrunde gelegt. Beide Beträge mußte die Klägerin der GmbH gemäß § 9 Abs. 3 des Treuhandvertrages erstatten. Das ergibt eine Gegenleistung von 34.747 DM und eine Steuer von 694 DM.