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BFH-Urteil vom 9.11.1988 (II R 188/84) BStBl. 1989 II S. 201

Verkauft jemand ein Grundstück an eine KG, an der er sich mit einer geringen Einlage beteiligt hat, während alle anderen Gesellschafter keine Einlage zu erbringen haben, so tritt gleichwohl keine Steuerermäßigung gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG ein, wenn die gesellschaftsvertraglichen Abmachungen ergeben, daß er ohne Rücksicht auf ihm gutgeschriebene Gewinne und belastete Verluste oder das Vorhandensein stiller Reserven beim Ausscheiden und bei einer Auflösung der Gesellschaft immer nur die geleistete Einlage unverändert zurückerhält.

GrEStG Niedersachsen § 5 Abs. 2 (= GrEStG 1983 § 5 Abs. 2)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin zu 1 ist eine Kommanditgesellschaft (im folgenden KG), deren Zweck der Erwerb von Grundstücken, deren Bebauung und Vermietung sowie die Vornahme aller damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte ist. Sie wurde am 21./22. Dezember 1980 gegründet und am 26. Januar 1981 in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter waren die D-GmbH, die nach kurzer Zeit wieder aus der KG ausschied, sowie zwei natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter und als einzige Kommanditistin die A-AG, die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2 (im folgenden auch Klägerin zu 2 genannt), mit einer Hafteinlage von 10.000 DM. Die persönlich haftenden Gesellschafter hatten keine Einlage zu leisten.

Der Eintritt weiterer Gesellschafter sollte möglich sein. Unstreitig sind in der Folgezeit weitere Kommanditisten mit Einlagen in die KG eingetreten. Konkrete Feststellungen hierüber sind nicht getroffen worden.

Nach dem Gesellschaftsvertrag sollten je 1.000 DM Kapitalbeteiligung eine Stimme gewähren; den persönlich haftenden Gesellschaftern standen je 50 Stimmen zu.

Gewinne und Verluste sollten (nach Abzug einer Vorwegvergütung von je 500 DM für die persönlich haftenden Gesellschafter mit Ausnahme der D-GmbH) entsprechend den geleisteten Zahlungen auf die Einlagen verteilt werden.

Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters war vorgesehen, daß ein Gesellschafter, der eine Kapitaleinlage geleistet hatte, als Abfindung diese Einlage zurückerhielt, gleichgültig ob sich diese durch Gewinne oder Verluste verändert hatte. Diese Regelung galt auch für den Fall der Auseinandersetzung.

Am 22. Dezember 1980 kaufte die KG das in B belegene Betriebsgrundstück der Klägerin zu 2 für einen Kaufpreis von 8 Mio DM. Dieses Grundstück vermietete die KG an die L-GmbH, die an der D-GmbH zu 19/20 beteiligt war.

Der Kaufpreis wurde zunächst am 30. Dezember 1980 von der C-GmbH, einer Tochter der L-GmbH, gezahlt. Zum 30. März 1981 erfolgte eine Umschuldung durch einen Kredit der Landesbank in Höhe von 8.825.000 DM. Zur Sicherung des Kredits wurden neben der Bestellung von Grundpfandrechten alle Ansprüche aus den Mietverträgen abgetreten; die L-GmbH verpflichtete sich, die KG so mit Geld auszustatten, daß diese ihren Kreditverpflichtungen gegenüber der Bank fristgerecht nachkommen könne.

Die Klägerinnen beantragten, den Grundstückserwerb gemäß § 5 Abs. 2 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes vom 29. März 1940 in der in Niedersachsen geltenden Fassung (GrEStG) von der Grunderwerbsteuer freizustellen, weil die Klägerin zu 2 vermögensmäßig allein an der KG beteiligt sei. Das beklagte Finanzamt (FA) folgte diesem Antrag nicht, setzte vielmehr gegen die Klägerinnen Grunderwerbsteuer fest. Es vertrat die Auffassung, daß die Klägerin zu 2 nach den vertraglichen Abmachungen nicht am Gesamthandsvermögen der KG beteiligt sei.

Nach erfolglosen Einsprüchen haben die Klägerinnen Klage erhoben und die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Steuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt. Sie haben ihre Klage damit begründet, daß die Klägerin zu 2 deshalb allein vermögensmäßig an der KG beteiligt sei, weil sie allein die Einlage geleistet habe.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Klägerinnen haben Revision eingelegt, die Verletzung des § 5 Abs. 2 GrEStG gerügt und außerdem unzureichende Sachaufklärung geltend gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Grunderwerbsteuer ist in voller Höhe nach der vereinbarten Gegenleistung entstanden. Die Vergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG greift nicht ein.

Wird ein Grundstück durch eine Gesamthand von einem Gesamthänder erworben, so unterliegt dieser Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer bleibt aber in Höhe des Anteils unerhoben, zu dem der veräußernde Gesamthänder am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (§ 5 Abs. 2 GrEStG). Dadurch wird berücksichtigt, daß sich das Alleineigentum des veräußernden Gesamthänders wirtschaftlich als gesamthänderisch gebundene Mitberechtigung an dem Grundstück fortsetzt (vgl. Begründung zu § 5 GrEStG 1940, RStBl 1940, 398). Die teilweise Nichterhebung der Grunderwerbsteuer setzt jedoch voraus, daß sich das bisherige Alleineigentum des Gesamthänders an dem Grundstück in einem durch die gesamthänderische Mitberechtigung bestimmten, begrenzten Quantum an Wirtschaftsmacht fortsetzt (Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 II R 92/80, BFHE 137, 87, BStBl II 1983, 138). Umschrieben wird diese fortgesetzte Beteiligung am Grundstück durch den Begriff des Anteils am Vermögen der Gesamthand.

Dieser Anteil entspricht grundsätzlich der verhältnismäßigen Beteiligung an dem Reinvermögen der Gesellschaft am Tag des Erwerbs (vgl. hierzu die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1951 II 80/51 S, BFHE 56, 45, 47, BStBl III 1952, 19, und vom 31. Mai 1972 II R 9/66, BFHE 106, 360, 364 ff., BStBl II 1972, 833, 834 ff.).

Die Annahme eines Anteils am Vermögen der Gesamthand setzt eine dingliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen voraus. Für das Ausmaß der Beteiligung der einzelnen Gesamthänder am Gesamthandsvermögen sind dann allerdings die handelsrechtlich zulässig zwischen den Gesellschaftern getroffenen abweichenden Vereinbarungen über die Vermögensbeteiligung maßgebend (vgl. BFHE 106, 360, 366, BStBl II 1972, 833, 836). Diese können im Einzelfall dazu führen, daß trotz einer gesamthänderischen Beteiligung das Vorliegen eines Anteils am Vermögen der Gesamthand i.S. des § 5 Abs. 2 GrEStG zu verneinen ist.

Ein derartiger Fall liegt vor. Denn nach den im Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 1980 getroffenen Vereinbarungen steht der Klägerin zu 2 ein Anteil an dem Gesellschaftsvermögen der KG trotz ihrer Kommanditistenstellung nicht zu. Es ist vielmehr eindeutig geregelt, daß sie sowohl bei der Beendigung der Gesellschaft als auch bei ihrem Ausscheiden lediglich ihre eingezahlte Einlage zurückerhält, gleichgültig ob sich diese Einlage durch Gewinne erhöht oder durch Verluste vermindert hat (§§ 3 und 11 des Gesellschaftsvertrags). Die Klägerin zu 2 hat danach keine weitergehenden Ansprüche als ein stiller Gesellschafter, der nicht an den Verlusten beteiligt ist. Auch bei ihm kommt eine Anwendung des § 5 Abs. 2 GrEStG nicht in Betracht (vgl. das Senatsurteil vom 30. November 1983 II R 131/81, BFHE 139, 442, BStBl II 1984, 160).

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß das Vermögen der KG bei ihrer Gründung nur aus der Einlage der Klägerin zu 2 bestand und somit nach einem gedachten Abfluß dieser Einlage kein Vermögen der KG mehr vorhanden war. Dieser am Tage der Gründung der KG bestehende Zustand darf ebensowenig zur Annahme einer alleinigen Beteiligung der Klägerin zu 2 an dem Vermögen der KG führen, wie etwa der Umstand, daß dem Aktivvermögen lediglich eine Verpflichtung an den Kapitalgeber in Höhe dieses Aktivvermögens gegenübersteht.

Die Mitwirkungsrechte, die der Klägerin zu 2 als Kommanditistin im Rahmen der Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) zustanden, lassen keine andere Beurteilung zu. Denn diese Rechte bewirkten nicht, daß das Vermögensinteresse der Klägerin zu 2 an der KG über die eingezahlten 10.000 DM hinausging.

Auch der Hinweis der Klägerinnen auf die Vereinbarungen über die Gewinnverteilung, wonach die Gewinne und Verluste (abzüglich einer Vorwegvergütung für die persönlich haftenden Gesellschafter) nur denjenigen Gesellschaftern zustehen sollten, die Einlagen geleistet haben, vermag an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern. Eine Gewinnbeteiligung kann auch bei Gewährung eines partiarischen Darlehens oder im Falle des Vorliegens einer stillen Gesellschaft bestehen. Hieraus können keine Schlüsse auf das Vorliegen einer Vermögensbeteiligung am Gesellschaftsvermögen gezogen werden, wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich bestimmt, daß ein Gesellschafter ohne Rücksicht darauf, wie sich die Gesellschaft entwickelt, bei Auflösung der Gesellschaft oder bei Austritt aus der Gesellschaft immer nur seine Einlage zurückerhält. Im übrigen war es höchst ungewiß, ob und inwieweit nach der Gründung der KG Gewinne entstehen würden, die zu einer Auszahlung an die Klägerin zu 2 hätten führen können. Angesichts der erkennbaren Absicht, weitere Gesellschafter aufzunehmen (vgl. hierzu auch die Darlehenszusage der Landesbank vom 30. März 1981, die der im Urteil des FG wiedergegebenen Umschuldung zugrunde liegt), war vielmehr anzunehmen, daß auch dadurch die Möglichkeiten der Klägerin zu 2, aufgrund ihrer Einlage Gewinne zu erzielen, beschnitten werden würden.

Wenn die Klägerinnen in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß, wenn nicht die Klägerin zu 2, am Vermögen der KG niemand beteiligt gewesen sei, weil der Gesellschaftsvertrag eine Vermögensbeteiligung nur für Gesellschafter vorgesehen habe, die Einlagen geleistet hatten, so ist diese Schlußfolgerung nicht zwingend. Das zeigt die Annahme eines Ausscheidens der Klägerin zu 2 gegen Zahlung der vereinbarten Abfindung in Höhe der Einlage von 10.000 DM. In einem solchen Falle würde die KG allein von den persönlich haftenden Gesellschaften fortgeführt werden und diese somit allein an dem Vermögen beteiligt gewesen sein. Auch bei einer gedachten Auseinandersetzung bei Beendigung der Gesellschaft lassen die Vereinbarungen, auch wenn sie nicht völlig frei von Widerspruch sind, nur den Schluß zu, daß die Klägerin zu 2 lediglich Anspruch auf 10.000 DM hat und daß somit die restlichen Vermögenswerte, soweit Reinvermögen vorhanden sein sollte, den übrigen Gesellschaftern zuständen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 1980 erkennbar unvollständig war; bei dem erwarteten Eintritt weiterer Kommanditisten mußte er vervollständigt werden. Der Senat ist der Überzeugung, daß der unvollständige Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 1980 vor allem zu dem Zweck abgeschlossen worden ist, eine Freistellung des Grundstückserwerbs gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG zu erreichen, ehe neue Gesellschafter mit höheren Einlagen aufgenommen werden. Die Klägerinnen haben während des finanzgerichtlichen Verfahrens nichts vorgetragen, was dieser Annahme widersprechen könnte. Insbesondere haben sie keine zusätzlichen Tatsachen dafür vorgetragen, daß die KG eine Gesellschaft sei, an der die Klägerin zu 2 vermögensmäßig allein beteiligt sein sollte und daß der aus dem Gesellschaftsvertrag folgende Schluß fehlerhaft sei, das Vermögensinteresse der Klägerin zu 2 beschränke sich auf die dort genannten 10.000 DM.

Der erkennende Senat ist an einer Entscheidung über die Revision auch nicht dadurch gehindert, daß das FG nicht im einzelnen festgestellt hat, wann weitere Kommanditisten und mit welchen Einlagen aufgrund des in der Darlehenszusage der Landesbank genannten Fonds-Prospektes in die KG eingetreten sind und inwieweit dabei der Gesellschaftsvertrag geändert worden ist. Denn für seine Entscheidung reichte es aus, daß sich aus dem Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 1980 eindeutig ergab, daß das Vermögensinteresse der Klägerin zu 2 auf die Rückzahlung der Einlage von 10.000 DM begrenzt war, einerlei, wie sich die Vermögensverhältnisse der KG nach Erwerb des Grundstücks entwickeln würden. Wenn die Klägerinnen der Auffassung sein sollten, daß sich aus einer späteren Änderung des Gesellschaftsvertrags, die von vornherein beabsichtigt war, günstigere Schlußfolgerungen ergeben könnten, hätte es ihnen freigestanden, entsprechende Tatsachen vorzutragen.

Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Aufklärungsrügen der Klägerinnen sind unzulässig. Die Klägerinnen hätten darlegen müssen, welche Ermittlungen das FG noch hätte anstellen sollen, zu welchem Ergebnis diese Ermittlungen geführt hätten und weshalb das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. u.a. das BFH-Urteil vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443).