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BFH-Urteil vom 3.3.1988 (V R 183/83) BStBl. 1989 II S. 205

Die Koppelung einer Pornofilmvorführung mit einer Schallplattenlieferung führt weder nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung noch nach dem Grundsatz von Haupt- und Nebenleistung zur Annahme einer verbundenen Leistung, auf die insgesamt der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1973 anzuwenden wäre.

Für eine wertorientierte Veränderung der gesondert angegebenen und behandelten Entgelte für Filmvorführung und Schallplattenüberlassung enthält das UStG 1973 keine Rechtsgrundlage.

Soweit das Entgelt für die Schallplatte - im Verhältnis zu deren Wert - überhöht angesetzt wurde, kann es auch nicht nach § 42 AO 1977 dem ermäßigt besteuerten Entgelt für die Filmvorführung zugeordnet werden, da mit der unangemessenen Gestaltung Umsatzsteuer nicht vermieden wurde.

UStG 1973 §§ 10, 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c; AO 1977 § 42.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1984, 261)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1978 und 1979 Lichtspieltheater, in denen pornographische Filme gezeigt wurden. Im Hinblick auf den Straftatbestand des § 184 Abs. 1 Nr. 7 des Strafgesetzbuches (StGB) bei öffentlicher Vorführung derartiger Filme "gegen ein Entgelt ..., das ganz oder überwiegend für diese Vorführung verlangt wird," wurde jedem Kinobesucher eine Single-Schallplatte ausgehändigt. Für Filmvorführung und Schallplatte hatte jeder Besucher insgesamt 10 DM zu bezahlen, von denen jeweils 5 DM auf die Filmvorführung und auf die Platte entfielen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lag der Verkehrswert der Schallplatten weit unter dem in Rechnung gestellten Stückpreis. Der größte Teil der ausgehändigten Schallplatten wurde im Kino zurückgelassen; viele Besucher lehnten die Entgegennahme der Schallplatte ab.

Der Kläger hatte zunächst die Schallplattenverkäufe dem Regelsteuersatz unterworfen. Nach Bekanntwerden des Urteils des FG Köln vom 6. August 1981 - IX (VI) 300/78 U (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 326) legte er gegen den noch nicht bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid 1978 Einspruch ein; ferner beantragte er die Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzung für 1979, jeweils dahingehend, daß die Verkäufe der Schallplatten mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen seien. Gegen die Ablehnung der Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1979 legte der Kläger ebenfalls Einspruch ein. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, Filmvorführung einerseits und Schallplattenlieferung andererseits seien umsatzsteuerrechtlich jeweils selbständige Leistungen, die nicht wie Haupt- und Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich einheitlich behandelt werden müßten.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des FG ist in den EFG 1984, 261 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger (sinngemäß) Verletzung materiellen Rechts.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, das FG habe entgegen dem Grundsatz der Einheitlichkeit von Haupt- und Nebenleistung die Plattenausgabe nicht als nebensächlichen Teil des "eigentlichen" Leistungsangebots - der Filmvorführung - beurteilt. Die gesamte Leistung hätte einheitlich nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 mit dem ermäßigten Steuersatz erfaßt werden müssen. Zwischen der Hauptleistung (Filmvorführung) und der Nebenleistung (Plattenverkauf) bestehe ein Verhältnis der Akzessorietät. Die Nebenleistung des Schallplattenverkaufs sei darauf gerichtet, den wirtschaftlichen Leistungsvollzug der Filmvorführung überhaupt zu erreichen. Ohne die Nebenleistung könnte die Filmvorführung (wegen der Strafvorschrift des § 184 Abs. 1 Nr. 7 StGB) durch Maßnahmen von Staatsanwaltschaft und Polizei verhindert werden.

Für die Annahme der Einheitlichkeit sei entscheidend, daß weder der Unternehmer noch der Besucher wählen könne, ob er nur die Filmvorführung oder auch die Schallplattenlieferung anbieten bzw. in Anspruch nehmen wolle. Auch bei der Abnahme der Schallplatte habe der Besucher keine Möglichkeit der Einwirkung (etwa nach persönlichem Geschmack) auf die Auswahl. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. November 1975 V R 138/73 (BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307) stehe seiner Auffassung nicht entgegen. Nach diesem Urteil sei für den Fall, daß mehrere, untereinander gleichzuwertende Faktoren zur Erreichung eines Zieles beitrügen und aus diesem Grunde zusammengehörten, die Annahme einer einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander griffen, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem ganzen zurücktreten. Er, der Kläger, habe bereits darauf hingewiesen, daß er bei der Filmvorführung und Schallplattenlieferung keine gleichzuwertenden Faktoren anerkenne. Das FG habe dies nicht geprüft (S. 7 des Urteils); auch aus diesem Grund sei eine nochmalige gerichtliche Prüfung geboten.

Der Kläger beantragt, das Urteil aufzuheben, die Umsatzsteuerfestsetzung 1978 unter Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf die gesamten Erlöse durchzuführen und bezüglich 1979 die bisher unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Steuerfestsetzung ebenfalls unter Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf die gesamten Erlöse zu ändern.

Das FA tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die beiden Leistungen der Filmvorführung einerseits und des Schallplattenverkaufs andererseits weder nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung noch nach dem Grundsatz von Haupt- und Nebenleistung so miteinander verbunden werden können, daß umsatzsteuerrechtlich - insbesondere im Hinblick auf den anzuwendenden Steuersatz - nur die Filmvorführung als Hauptleistung verbleibt.

1. Filmvorführung (sonstige Leistung) und Schallplattenverkauf (Lieferung) sind ihrem wirtschaftlichen Inhalt nach jeweils selbständige Leistungen. Mit dem Leistungsgegenstand der Filmvorführung hat der Leistungsgegenstand des Schallplattenverkaufs auch bürgerlich-rechtlich nichts zu tun. Die Platten sind nicht ihren Titeln nach auf den Inhalt der Filme (s. unten 2.) oder in anderer Weise so aufeinander abgestimmt (wie z.B. eine Lieferung und die Bearbeitung des Liefergegenstands durch den Lieferer), daß sie als einzelne Faktoren hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197, mit Nachweisen), also etwas selbständiges "Drittes" bilden. Daß der Kläger die Filmvorführung (nur) zusammen mit dem Plattenverkauf an die jeweiligen Filmbesucher leistete, weil er damit meinte, den Straftatbestand des § 184 Abs. 1 Nr. 7 StGB zu vermeiden (was hier nicht zu prüfen ist), führt für sich gesehen nicht zur Annahme einer einheitlichen Leistung. Wie der BFH im Urteil in BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307, mit Nachweisen, ausgeführt hat, können zusammengehörende Vorgänge nicht deshalb als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen (wirtschaftlichen) Ziel dienen. Das gilt auch für sog. "aufgedrängte Koppelungsgeschäfte" der vorliegenden Art. Durch bloße rechtsgeschäftliche Verbindung läßt sich eine umsatzsteuerrechtliche Einheitlichkeit (anstelle der umsatzsteuerrechtlich gesondert zu beurteilenden Leistungen) grundsätzlich nicht herstellen. Daß der Plattenverkauf (nach Auffassung des Klägers) erst die (straffreie) öffentliche Filmvorführung ermöglicht, ist somit unerheblich. Ob dieser Umstand dann die Annahme einer einheitlichen Leistung begründen könnte, wenn die für die Ausführung der Gesamtleistung vorgreifliche Leistung ihrem wirtschaftlichen Inhalt nach unselbständig und die Gesamtleistung der Art nach fördernd und deshalb ein einheitliches, nicht aufgeschlüsseltes Gesamtentgelt vereinbart worden wäre (vgl. die Rechtsprechung zum Kreditkauf, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197, mit Nachweisen), kann hier offenbleiben. Es fehlt nicht nur an der gegenseitigen gegenständlichen Ergänzung der Leistungen ihrem wirtschaftlichen Inhalt nach, sondern auch am Ansatz eines einheitlichen Entgelts.

2. Das FG hat ebenfalls zutreffend verneint, daß die Schallplattenverkäufe unselbständige Nebenleistungen zu den Filmvorführungen seien. Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung setzt voraus, daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng (im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung) zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197, unter 4.). Ob Nebensächlichkeit der Plattenlieferung vorliegt, kann offenbleiben. Es fehlt jedenfalls daran, daß der Verkauf der Schallplatte (deren Inhalt mit dem Gegenstand der vorgeführten Filme nach den Feststellungen des FG nichts zu tun hat) die Filmvorführung inhaltlich oder wirtschaftlich abrundet oder ergänzt (vgl. auch BFH-Urteile vom 12. Dezember 1985 V R 15/80, BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499, und vom 4. Dezember 1980 V R 60/79, BFHE 132, 124, BStBl II 1981, 231); ebenso ist nicht festgestellt und auch vom Kläger nicht behauptet, daß der Schallplattenverkauf üblicherweise im Gefolge von Filmvorführungen vorkommt.

Soweit der Kläger mit der Revision geltend macht, Filmvorführung und Schallplattenlieferung seien keine gleich zu wertenden Faktoren, das FG habe insoweit keine Prüfung vorgenommen, dient dies seinem Revisionsantrag ebenfalls nicht. Der Kläger kann damit nicht erreichen, daß die von ihm selbst festgelegte Zusammensetzung des Gesamtentgelts von 10 DM aus 5 DM für Filmvorführung und 5 DM für Schallplatte dahin gehend geändert würde, daß auf den Schallplattenverkauf (dem wirklichen Wert der Platte entsprechend?) ein erheblich geringerer Teil entfiele. Im UStG 1967/1973 wird die Umsatzsteuer für Lieferungen nach dem Entgelt (§ 10 UStG) - wie es regelmäßig vereinbart ist - bemessen. Auf den Wert der Lieferung kommt es nicht an. Die Frage nach der Angemessenheit der erbrachten Gegenleistung stellt sich im Umsatzsteuerrecht (vor dem UStG 1980) grundsätzlich nicht (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1976 V R 167/70, BFHE 118, 261, BStBl II 1976, 443, und vom 25. März 1954 V 241/53 U, BFHE 58, 658, BStBl III 1954, 162, jeweils zur Angemessenheit eines "Sonderentgelts" für Leistungen der Gesellschafter, das nicht Gewinnbeteiligung ist; ferner Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau 1986, 83, 88). Daß sich der Kläger mit diesem Begehren zu seiner Gestaltung, die im Hinblick auf § 184 Abs. 1 Nr. 7 StGB erfolgte, in Widerspruch setzt - die auf das "angemessene und übliche Entgelt" abstellt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 1979 g. B. u.a. 2 StR 114/79, BGHSt 29, 68) -, ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich.

Eine Erhöhung des Entgeltsanteils für die unter § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG fallende Filmvorführung - entgegen der Gestaltung durch den Kläger - kann auch nicht mit Hilfe von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) erreicht werden. Wenn die vom Kläger gewählte Gestaltung - zur Vermeidung der Strafbarkeit der öffentlichen Filmvorführung - den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen gewesen sein sollte, kann sich dies nicht zugunsten des Klagebegehrens des Klägers auswirken. Die Vorschrift des § 42 AO 1977 dient nicht der Korrektur von Gestaltungen, die - wie hier - zu einer höheren Steuer führen, als sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung angefallen wäre. Denn es fehlt dabei am Tatbestandsmerkmal eines "Mißbrauchs" von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zur Umgehung eines Steuergesetzes, also zur Vermeidung von Steuer (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 42 AO 1977 Tz. 18; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 42 AO 1977 Anm. 39).