| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 1.12.1988 (IV R 72/87) BStBl. 1989 II S. 234

1. Bei einer Pferdezucht sind die nach Durchschnittssätzen ermittelten Gewinne bei fehlender Buchführungspflicht (§ 141 AO 1977) und mangels eines wirksamen Antrags, den Gewinn für vier aufeinanderfolgende Jahre durch Vermögensvergleich bzw. durch Vergleich der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ermitteln zu können, auch dann der Einkommensbesteuerung zugrunde zu legen, wenn anhand von eingereichten Bilanzen Jahr für Jahr Verluste erklärt werden.

2. Die Frage der Liebhaberei kann sich in einem solchen Fall erstmals für das Wirtschaftsjahr stellen, ab dem aufgrund eines wirksamen Antrags (Option) die durch Vermögensvergleich ermittelten Verluste steuerlich relevant gegenüber dem FA erklärt werden können.

EStG 1977 § 13a Abs. 1; AO 1977 § 141 Abs. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau erwarben Ende 1974 einen landwirtschaftlichen Hof (landwirtschaftliche Nutzfläche ca. 7,5 ha) und betrieben auf ihm in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine kleine Trakehnerpferdezucht. Den Gewinn bzw. Verlust der Pferdezucht ermittelten sie von Anfang an durch Betriebsvermögensvergleich für die Zeit (Wirtschaftsjahr) vom 1. Mai bis 30. April. Die Bilanzen für die Pferdezucht reichten sie jeweils mit den Steuererklärungen beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ein.

Einen ausdrücklichen Antrag nach § 13a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 bzw. § 13a Abs. 2 EStG 1981 für die gewählte Gewinnermittlung nach dem Vermögensvergleich haben die Kläger bis 1984 nicht gestellt. Sie haben auch das für die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich vorgesehene Kästchen in den mit den Einkommensteuererklärungen eingereichten Anlagen L jeweils nicht angekreuzt. Allerdings haben sie in die maßgebenden Zeilen der Anlagen L, die "bei Gewinnermittlung nach § 13a EStG nicht auszufüllen waren", den jeweils für die maßgeblichen Wirtschaftsjahre durch Bestandsvergleich ermittelten Gewinn bzw. Verlust eingetragen.

Die Steuererklärungen sind ausweislich des jeweiligen Eingangsstempels wie folgt beim FA eingegangen:

1975 am   1. März 1977

1976 am 15. November 1979

1977 am   3. April 1980

1978 am 19. Mai 1980

1979 am 23. September 1981

1980 am   5. Juli 1982

1981 am 23. Juni 1983

1982 am 19. November 1984

Erst mit Schreiben vom 16. April 1984 haben die Kläger "nach § 13a Abs. 2 EStG den Antrag gestellt, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln". Weitere Angaben zu diesem Antrag enthält das Schreiben nicht.

Das FA berücksichtigte die für die Veranlagungszeiträume 1979 bis 1981 jeweils erklärten negativen Einkünfte aus der Pferdezucht zunächst im Rahmen der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerveranlagungen bis einschließlich 1981. Im Rahmen einer 1983 durchgeführten Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1979 bis 1981 stellten sich der Prüfer und ihm folgend das FA auf den Standpunkt, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Streitjahre gesondert und einheitlich festzustellen und mangels eines Antrags zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die nach Durchschnittssätzen ermittelten Gewinne gemäß § 13a EStG zu berücksichtigen seien. Dementsprechend ergingen für die Veranlagungszeiträume 1979 bis 1981 und etwas später auch für den Veranlagungszeitraum 1982 Gewinnfeststellungsbescheide für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Der gegen diese Gewinnfeststellungsbescheide eingelegte Einspruch hatte ebenso wie die auf die Einspruchsentscheidung hin erhobene Klage keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung von § 13a Abs. 1 EStG 1977 bzw. § 13a Abs. 2 EStG 1981 und § 4 Abs. 1 EStG durch das FG.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheide 1979 bis 1981 vom 16. August 1984 sowie 1982 vom 3. Dezember 1984 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 1985 die Einkünfte

1979 auf

./. 19.389 DM

1980 auf

./.   1.770 DM

1981 auf

./. 10.165 DM

1982 auf

./. 23.691 DM

festzustellen und je zur Hälfte auf die Kläger zu verteilen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist bezüglich der Streitjahre 1979 bis 1981 unbegründet. Bezüglich des Streitjahres 1982 führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.!2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Pferdezucht der Kläger stellt von der Sache her einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Gemäß § 13a Abs. 1 EStG 1977 ist für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Gewinn nach Durchschnittssätzen entsprechend dieser Bestimmung zu ermitteln,

a) wenn der Steuerpflichtige nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, für seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und

b) er auch keinen Antrag nach § 13a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 EStG 1977 bzw. nach § 13a Abs. 2 EStG 1981 gestellt hat, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder durch Vergleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben zu ermitteln (Option).

c) Nach § 13a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EStG 1981 setzt die Durchschnittsgewinnermittlung nach § 13a EStG außerdem voraus, daß der Ausgangswert für den Grundbetrag mehr als null DM und weniger als 32.000 DM beträgt und die Tierbestände drei Vieheinheiten je ha landwirtschaftlich genutzter Fläche oder insgesamt 30 Vieheinheiten nicht übersteigen.

Danach waren die Einkünfte der Kläger aus der Pferdezucht für die Jahre 1979 bis 1981 gemäß § 13a EStG nach den Durchschnittswerten zu ermitteln. Denn die Kläger waren unstreitig nicht buchführungspflichtig i. S. der §§ 140, 141 der Abgabenordnung (AO 1977). Ihre Ausgangswerte und Vieheinheiten lagen in den Veranlagungszeiträumen 1981 ff. innerhalb der Grenzen des § 13a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EStG 1981, und sie haben auch für die betreffenden Wirtschaftsjahre keinen gültigen Antrag für eine Gewinnermittlung nach dem Vermögensvergleich oder einen Vergleich der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gestellt.

Dieser Antrag hätte nach § 13a Abs. 1 Satz 3 EStG 1977 spätestens sechs Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, auf das er sich bezieht, schriftlich gestellt werden müssen. Nach § 13a Abs. 2 Satz 2 EStG 1981 hätte der Antrag für Wirtschaftsjahre, die nach dem 30. Juni 1980 beginnen (§ 52 Abs. 19b EStG 1981), 12 Monate nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres, auf das sich der schriftlich zu stellende Antrag bezieht, gestellt werden müssen. Die Antragsfrist ist eine (wiedereinsetzungsfähige) Ausschlußfrist (Senatsurteil vom 28. Januar 1988 IV R 61/86, BFHE 152, 480, BStBl II 1988, 532).

Selbst wenn man mit den Grundsätzen des Senatsurteils vom 28. Januar 1988 IV R 12/86 (BFHE 152, 476, BStBl II 1988, 530) davon ausgeht, daß die Kläger in Gestalt der Anlage L und in Verbindung mit der vorgelegten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG einen Antrag i. S. von § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1975/1977 bzw. § 13a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 1981 gestellt haben, haben sie jedoch einschließlich des Wirtschaftsjahres 1981/82 die vorstehend erwähnte Antragsfrist versäumt. Dies folgt aus den Daten, zu denen die jeweilige Steuererklärung samt Anlage L und Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich beim FA eingegangen ist.

Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich der Antrag immer auf das gerade abgelaufene Wirtschaftsjahr. Es ist deshalb nicht möglich, den Antrag, mit dem die Antragsfrist versäumt wurde, auf ein Wirtschaftsjahr zu beziehen, für das die Antragsfrist noch nicht abgelaufen ist. Außerdem läßt der aufgrund der Anlage L zur jeweiligen Steuererklärung in Verbindung mit dem beigefügten Bestandsvergleich gestellte Antrag eine Beziehung nur zu dem Wirtschaftsjahr erkennen, für das die Gewinnermittlung eingereicht wurde.

Die Antragsfrist ist zwar eine wiedereinsetzungsfähige Ausschlußfrist. Gründe, die zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Frist berechtigen könnten, haben die Kläger jedoch nicht vorgetragen. Solche Gründe könnten auch nicht mehr vorgetragen werden, weil die Kläger spätestens seit Ergehen der Einspruchsentscheidung im Jahre 1985 von ihrer Fristversäumnis wußten, hierzu aber nichts geäußert haben. Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) darzulegen (vgl. zur Rechtsprechung u.a. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 110 AO 1977 Tz. 2c).

Treu und Glauben steht der Sachbehandlung durch das FA schon deshalb nicht entgegen, weil die für einen Vertrauenstatbestand allenfalls in Betracht kommenden ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen 1979 bis 1982 sämtlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (vgl. im übrigen auch Senatsurteil in BFHE 152, 480, BStBl II 1988, 532).

Für die Veranlagungszeiträume 1979 bis 1981 wurden also den Einkünften der Kläger aus Land- und Forstwirtschaft zu Recht die nach Durchschnittssätzen ermittelten positiven Gewinne nach § 13a EStG zugrunde gelegt. Das Wesen der Durchschnittsgewinnermittlung nach § 13a EStG liegt darin, daß auf die Ermittlung des tatsächlichen Gewinns bzw. Verlustes, wie er sich aus dem Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG ergibt, verzichtet wird und an dessen Stelle der Gewinn nach gesetzlich festgelegten durchschnittlichen Werten bemessen wird, die nicht den tatsächlichen Gewinnen oder Verlusten entsprechen können und auch nicht entsprechen sollen. Es handelt sich vielmehr bei diesen Gewinnen um eine unwiderlegbare gesetzliche Fiktion des erzielten Gewinns mit der Folge, daß auf die Zugrundelegung auch des nachgewiesenen tatsächlichen Gewinns bzw. Verlustes kein Rechtsanspruch besteht. Das gilt auch dann, wenn nachgewiesen wird, daß der pauschale Durchschnittsgewinn weit über oder unter dem tatsächlichen Betriebsergebnis liegt. Nach der Systematik des Gesetzes können auch in einem solchen Fall nur die nach § 13a EStG ermittelten Durchschnittswerte als Gewinne steuerlich anerkannt und verwertet werden.

2. Anders verhält es sich hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 1982/83 im Streitjahr 1982. Denn bezüglich des Wirtschaftsjahres 1982/83 haben die Kläger nach Auffassung des Senats mit Schreiben vom 16. April 1984 rechtzeitig den Antrag gemäß § 13a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 1981 gestellt. Das Schreiben enthält zwar keine ausdrückliche Aussage zu dem Wirtschaftsjahr, auf das sich der Antrag beziehen soll. Nach dem für die Auslegung dieses Schreibens maßgeblichen Empfängerhorizont mußte es aber zweifelsfrei sein, daß sich der Antrag auf das unter dem Aspekt der Antragsfrist nächstmögliche Wirtschaftsjahr bezog. Dies folgt z.B. auch aus dem Zusammenhang mit der Außenprüfung, die die Antragsfrage erst aufgegriffen hatte. Nach Sachlage war zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim FA im April 1984 die Antragsfrist bezüglich des Wirtschaftsjahres 1982/83 noch nicht abgelaufen. Sie endete vielmehr mit Ablauf des 30. April 1984. Die Annahme, daß im Streitfall rechtzeitig der Antrag auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für das Wirtschaftsjahr 1982/83 gestellt worden ist, scheitert auch nicht daran, daß nach den Feststellungen des FG zum Zeitpunkt der Antragstellung dem FA noch kein Abschluß für das Wirtschaftsjahr 1982/83 vorlag; denn ein diesbezügliches Inhaltserfordernis ist an den Antrag in § 13a Abs. 2 EStG 1981 nicht gestellt.

Die Vorentscheidung muß daher hinsichtlich des Veranlagungszeitraumes 1982 aufgehoben werden. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da der von den Klägern anhand ihrer Bilanz erklärte Verlust des Wirtschaftsjahres 1982/83 vom FG in tatsächlicher Hinsicht noch nicht geprüft werden konnte. Bei dieser Prüfung wird das FG folgendes zu beachten haben:

Bei einer Pferdezucht mit anhaltenden Verlusten, die von einem Unternehmer mit entsprechenden positiven gewerblichen Einkünften erzielt werden, stellt sich die Frage der Gewinnerzielungsabsicht und in deren Gefolge die Frage der Liebhaberei schon von der Sache her. Im Streitfall muß zwar ihre Prüfung davon ausgehen, daß das Wirtschaftsjahr 1982/83 nach den Jahren mit den positiven § 13 a - Gewinnen das erste geltend gemachte und steuerlich relevante Verlustjahr darstellt (s. Ausführungen oben zu 1. am Ende), das für sich noch keine Beurteilung hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht der Kläger zuläßt (ob die geltend gemachten Verluste vor 1979 steuerlich anerkannt wurden, ist dem Senat nicht bekannt). Gleichwohl wird zumindest die Einbeziehung der seit dem Wirtschaftsjahr 1982/83 abgelaufenen Wirtschaftsjahre bei retrospektiver Betrachtung möglicherweise eine Entscheidung darüber zulassen, ob der Betrieb, so wie er von den Klägern geführt wurde, von Anfang an nicht in der Lage war, anhaltend Gewinne bzw. einen Totalgewinn zu erzielen und aus diesem Grunde die steuerliche Berücksichtigung des Verlustes im Wirtschaftsjahr 1982/83 ausgeschlossen werden muß.