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BFH-Urteil vom 7.12.1988 (I R 25/82) BStBl. 1989 II S. 248

1. Unterläßt es eine Kapitalgesellschaft trotz geänderten Mietpreisniveaus, durch Änderungskündigung einen höheren Mietzins gegenüber dem beherrschenden Gesellschafter durchzusetzen, so liegt hierin der Verzicht auf eine vermögenswerte Rechtsposition. Dies ist eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter.

2. Bei einem beherrschenden Gesellschafter setzt die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs voraus, daß er auf einer im voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht.

KStG 1968 § 6 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1968 bis 1973 eine Werkzeug- und Maschinenfabrik. Das Stammkapital in Höhe von 50.000 DM lag in den Händen der Eheleute E (99 v.H.) und F X (1 v.H.). F X war gleichzeitig alleiniger Geschäftsführer der Klägerin. der Klägerin.

Die Klägerin war in den Streitjahren (1968 bis 1973) u.a. Eigentümerin einer Wohnung B-Straße 1. Diese hatte sie an ihre Gesellschafter vermietet. Die Gesellschafter hatten die Wohnung ursprünglich selbst genutzt und in den Streitjahren untervermietet. Sie zahlten an die Klägerin eine Miete von jährlich 3.000 DM und bezogen selbst folgende Einnahmen aus Untervermietung:

 

   1968    1969     1970   1971   1972     1973

 

   DM      DM       DM      DM      DM       DM

 

  

 

   6.643   8.640   8.640   8.790   8.600   4.200.

 

Die Klägerin hatte ihrerseits von ihren Gesellschaftern die in deren Eigentum stehenden Grundstücke A-Straße 2 und 3 gemietet und eigengewerblich genutzt. Nach Angaben der Klägerin war die Nutzung der Grundstücke zur Aufrechterhaltung des eigenen Geschäftsbetriebs unverzichtbar.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in dem Unterschiedsbetrag zwischen den Mieteinnahmen der Klägerin für die Wohnung B-Straße 1 und den entsprechenden Untermieteinnahmen ihrer Gesellschafter abzüglich einer Unkostenpauschale von jährlich 400 DM eine verdeckte Gewinnausschüttung. Entsprechend erhöhte das FA das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um folgende Beträge:

   1968    1969     1970      1971    1972     1973

   DM       DM       DM        DM       DM       DM

  

  3.242    5.240    5.240    5.390    5.200     800.

   

Gegen die entsprechenden Körperschaftsteuerbescheide 1968 bis 1973 vom 3. September 1975 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es nahm an, daß eine Änderungskündigung der Mietverträge für die Wohnung im Gebäude B-Straße 1 mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer entsprechenden Änderungskündigung der Mietverträge für die Grundstücke A-Straße 2 und 3 durch die Gesellschafter der Klägerin geführt haben würde. Per Saldo würde der sich für die Klägerin dadurch ergebende Mehraufwand um ein Vielfaches über den erzielbaren Mehreinnahmen gelegen haben. Daraus folge, daß den Gesellschaftern kein Vorteil zugeflossen sei, der nicht auch einem Nichtgesellschafter zugeflossen wäre.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 13. Oktober 1969 - KStG 1968 - (BGBl I 1969, 1869, BStBl I 1969, 633).

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Auffassung des FG löst die Vermietung der Wohnung im Gebäude B-Straße 1, durch die Klägerin an ihre beiden Gesellschafter zu einem unangemessen niedrigen Mietzins eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 aus. Unter den Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung fallen alle Vorgänge, durch die Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern auf Grund eines Sachverhaltes zugeführt wird, der eine Ausschüttung verdeckt. Mit anderen Worten: Es werden durch eine verdeckte Gewinnausschüttung Gesellschaftern Vermögensvorteile in einer Form zugeführt, in der sie äußerlich nicht als ausgeschüttet erscheinen, sondern hinter einer anderen Bezeichnung verborgen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob die Leistung an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) gewährt wird. Die Zweckrichtung ist ein innerer Vorgang. Sie kann nur anhand der objektiv nach außen in Erscheinung tretenden Merkmale des Einzelfalles festgestellt werden, die auf ihr Bestehen hindeuten.

2. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit dem Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) darauf abgestellt, ob die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Die Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wurde insbesondere dann herangezogen, wenn ein Rechtsverhältnis zu beurteilen war, das ebenso im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und einem Nichtgesellschafter bestehen könnte. In diesen Fällen dient der hypothetische Vergleich mit dem Nichtgesellschafter der Beurteilung der betrieblichen oder gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Leistung der Gesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 1. Dezember 1982 I R 101/79, BFHE 137, 171, BStBl II 1983, 150; vom 1. Dezember 1982 I R 69-70/80, BFHE 137, 62, BStBl II 1983, 152; vom 13. Oktober 1983 I R 4/81, BFHE 139, 393, BStBl II 1984, 65).

3.a) Nach den mit Revisionsrügen nicht angefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG unterließ es die Klägerin trotz des veränderten Mietpreisniveaus, durch Änderungskündigung einen höheren Mietzins gegenüber den Gesellschaftern durchzusetzen. Hierin liegt der Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung einer vermögenswerten Rechtsposition. Dies ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils durch die Klägerin an ihre Gesellschafter.

b) Die Vorteilszuwendung ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre bestrebt gewesen, den Mietzins eines vermieteten Gebäudes an den Marktpreis anzupassen. Seine Aufgabe als Geschäftsführer eines Erwerbsunternehmens ist es, einen Gewinn zu erzielen und den Gewinn nach Möglichkeit zu steigern. Er wird deshalb nur beim Vorliegen besonderer Umstände bereit sein, Teile des Gewinns seines Unternehmens einem Nichtgesellschafter durch Einräumung eines unangemessen niedrigen Mietzinses zu überlassen.

c) Die Tatsache, daß die Eheleute E und F X ihrerseits der Klägerin die Grundstücke A-Straße 2 und 3 zu einer unangemessen niedrigen Miete überließen, ändert an der Veranlassung der Vorteilszuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis nichts. Die Vermietung der Grundstücke A-Straße 2 und 3 zu einem unangemessen niedrigen Mietzins bedeutet gesellschaftsrechtlich die Zuwendung eines Erfolgsbeitrages durch die Gesellschafter an die Klägerin. Der zugewendete Erfolgsbeitrag bestand darin, daß die Klägerin Aufwendungen in Höhe des angemessenen Mietzinses ersparte. Dieser Vorteil stand jedoch in keiner Abhängigkeit zu demjenigen, den die Klägerin ihren Gesellschaftern zuwendete. Die Gesellschafter konnten die Grundstücke A-Straße 2 und 3 der Klägerin auch dann zu einem unangemessen niedrigen Mietzins überlassen, wenn die Klägerin für die Überlassung der Wohnung B-Straße 1 die angemessene Miete gefordert hätte. Die wirtschaftliche Lage der Klägerin legte einen solchen Erfolgsbeitrag ihrer Gesellschafter sogar nahe. Von diesem objektiv erkennbaren Sachverhalt ist auch für Zwecke der Besteuerung auszugehen. Frau E X war nämlich beherrschende Gesellschafterin der Klägerin. Sie besaß 99 v.H. der Anteile an der Klägerin. Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann aber ein betrieblich veranlaßter Leistungsaustausch nur dann angenommen werden, wenn er auf einer im voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht. Daran fehlt es im Streitfall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bestand zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern keine Vereinbarung des Inhalts, daß die Wohnung im Gebäude B-Straße 1 nur deshalb zu einem unter dem Marktpreis liegenden Mietzins vermietet wurde, weil die Klägerin ihrerseits die Grundstücke A-Straße 2 und 3 verbilligt gemietet hatte. Die Gesellschafter hätten der Klägerin auch einen anderen Vorteil zuwenden können (z.B. verbilligte Warenlieferung), der ggf. als verdeckte Einlage zu beurteilen gewesen wäre. Der andere Vorteil hätte ebensowenig eine verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin an ihre Gesellschafter ausschließen können, wenn zwischen den Vorteilszuwendungen kein Veranlassungszusammenhang in der Form einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung hergestellt worden wäre.

4. Eine andere steuerrechtliche Beurteilung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs möglich. Ist - wie im Streitfall - der betroffene Gesellschafter ein beherrschender, so setzt die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs voraus, daß er auf einer im voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734, und vom 8. Juni 1977 I R 95/75, BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704). Diese Rechtsprechung rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß jeder Gesellschafter - insbesondere aber jeder beherrschende Gesellschafter - seiner Gesellschaft Vorteile aller Art als verlorenen Gesellschafterzuschuß zuführen kann. Die Nutzungsüberlassung eines Gebäudes zu einem unangemessen niedrigen Mietzins durch einen beherrschenden Gesellschafter an seine Gesellschaft sagt deshalb nichts darüber aus, ob der Nutzungsvorteil als Vorteilsausgleich oder aber als verlorener Gesellschafterzuschuß gewährt wird. Dann aber kann von einem Vorteilsausgleich steuerrechtlich nur ausgegangen werden, wenn er als solcher von vornherein klar und eindeutig vereinbart wurde. Andernfalls hätten Gesellschafter und Gesellschaft es jeweils in der Hand, sich im nachhinein für die günstigere Gestaltung zu entscheiden. Fehlt es deshalb - wie im Streitfall - an einer von vornherein abgeschlossenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung, so muß zu Lasten der Gesellschaft und des Gesellschafters von einem verlorenen Gesellschafterzuschuß ausgegangen werden, der die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht ausschließt.

5. Nach den mit Revisionsrügen nicht angefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG vermieteten die Eheleute E und F X der Klägerin die Grundstücke A-Straße 2 und 3 ebenfalls zu einem unter dem Marktpreis liegenden Mietzins. Dadurch wurde der Klägerin ein Erfolgsbeitrag zugeführt, der die verdeckte Gewinnausschüttung möglicherweise überstieg. Steuerrechtlich ist jedoch dieser Vermögensvorteil als Gewinn der Klägerin zu erfassen. Er bewirkte eine Erhöhung des Endvermögens der Klägerin i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) infolge der Ersparnis von Mietzahlungen in angemessener Höhe. Der dadurch gewinnmäßig in Erscheinung tretende Vermögensvorteil kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Nutzungseinlage neutralisiert werden. Der Große Senat des BFH hat mit Beschluß vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) entschieden, daß der von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährte Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, steuerrechtlich kein einlagefähiges Wirtschaftsgut ist. Der erkennende Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 Bezug. Seine Entscheidungsgründe sind auf die Nutzungsüberlassung eines Grundstücks mit aufstehendem Gebäude entsprechend anzuwenden.

6. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung getroffen. Im zweiten Rechtszug wird es die dazu notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen und im übrigen seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung durch den erkennenden Senat zugrunde legen müssen (§ 126 Abs. 5 FGO). Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.