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BFH-Urteil vom 11.11.1988 (III R 261/83) BStBl. 1989 II S. 278

Erbringt ein Steuerpflichtiger Unterhaltsleistungen an im gemeinsamem Haushalt lebende unterhaltsberechtigte Personen und gehören zu der Haushaltsgemeinschaft auch Kinder, für die der Steuerpflichtige Anspruch auf Kindergeld hat, so kommt eine Steuerermäßigung gemäß § 33a Abs. 1 EStG für andere Personen als die beim Kindergeld berücksichtigungsfähigen Kinder nur insoweit in Betracht, als die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen insgesamt den Betrag des von ihm empfangenen Kindergelds übersteigen.

 EStG 1975 § 33a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein jugoslawischer Staatsangehöriger, ist seit 1965 als Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) beschäftigt. Seine Ehefrau wohnte im Streitjahr 1976 zusammen mit den acht gemeinschaftlichen Kindern sowie der Mutter des Klägers in einem gemeinsamen Haushalt in Jugoslawien. Für seine acht Kinder bezog der Kläger im Streitjahr 5.220 DM Kindergeld. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 machte er u.a. Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau und seine anderen im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen in Höhe von 3.000 DM gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den begehrten Abzug auch im Einspruchsverfahren. Zur Begründung führte das FA - soweit im Revisionsverfahren noch streitentscheidend - sinngemäß aus: Die Unterhaltsleistungen des Klägers seien in vollem Umfang den Kindern zuzurechnen, da das vom Kläger vereinnahmte Kindergeld im Betrag von 5.220 DM den insgesamt an seine Familie geleisteten Unterhaltsbeitrag (3.000 DM) überstiegen habe (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 26. Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79, BStBl I 1979, 622).

Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte den auf die Mutter des Klägers entfallenden Anteil an den Unterhaltsleistungen im Betrag von 300 DM als außergewöhnliche Belastung. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung u.a. aus:

Der Umstand, daß der Kläger an Kindergeld mehr empfangen, als er insgesamt an Unterhalt geleistet habe, schließe nicht die Annahme aus, daß ihm Aufwendungen für den Unterhalt seiner Angehörigen entstanden seien. Selbst wenn der Kläger das Kindergeld für Rechnung der Kinder erhalten habe (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26. Mai 1982 IVb ZR 715/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 1983), seien seine Überweisungen an die Familie als Unterhaltsaufwendungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG anzusehen. Denn der Kläger habe nicht nur über das Kindergeld, sondern auch über seinen Arbeitslohn verfügen können. Es wäre eine nicht gerechtfertigte Unterstellung, wollte man davon ausgehen, daß der Kläger seine Unterhaltsleistungen in Höhe von 3.000 DM lediglich mit dem von ihm bezogenen Kindergeld bestritten habe.

Das FA rügt mit der Revision fehlerhafte Auslegung des § 33a Abs. 1 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die ein Anspruch auf Kindergeld nicht besteht, so können die Aufwendungen bis zu einem Betrag von 3.000 DM je Person als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).

Wird Unterhalt einheitlich an Personen geleistet, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, so sind die Unterhaltsleistungen auf die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft aufzuteilen; denn § 33a Abs. 1 EStG stellt für die Steuerermäßigung auf die Unterhaltsleistung an jede einzelne unterhaltene Person ab. Leistet der Steuerpflichtige Unterhalt an mehrere in einem gemeinsamen Haushalt lebende Personen und gehören zu dem gemeinsamen Haushalt auch Kinder, für die der Steuerpflichtige Anspruch auf Kindergeld oder entsprechende Leistungen in der Bundesrepublik oder Berlin (West) hat, so muß von den Unterhaltsleistungen mindestens ein Betrag in Höhe des Kindergeldes bzw. der entsprechenden Leistungen den Kindern zugerechnet werden. Denn es ist davon auszugehen, daß Eltern das ihnen zugeflossene Kindergeld auch tatsächlich für den Unterhalt ihrer Kinder verwenden. Eine Steuerermäßigung wegen Unterhaltsleistungen an andere Personen gemäß § 33a Abs. 1 EStG kann daher nur für Leistungen in Höhe eines das Kindergeld übersteigenden Betrages in Betracht kommen (im Ergebnis ebenso: FG München, Urteil vom 8. November 1984 I 301/81 L - rechtskräftig -, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 244; v. Bornhaupt, Betriebs-Berater - BB - 1978, 1002; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 55; Oepen in Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. III 6; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/ Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 9 a; Husmann in Handbuch des Einkommensteuerrechts, § 33a EStG Anm. 2 c (4); anderer Ansicht Frost in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 44; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33a EStG Anm. 54). Denn das gemäß § 3 Nr. 24 EStG steuerfrei gewährte Kindergeld soll die besondere wirtschaftliche Belastung, die den Eltern durch die Unterhaltsaufwendungen für ihre Kinder entsteht, in gewissem Umfang ausgleichen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluß vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, 131, BStBl II 1977, 526, 533, mit weiteren Nachweisen); es wird dem Steuerpflichtigen "für seine Kinder" gewährt (§ 1 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG -). Den rechtlichen Anspruch auf die Zahlung von Kindergeld haben zwar die Eltern; aus der Zweckbestimmung der Kindergeldzahlung (vgl. § 1 BKGG) folgt jedoch, daß das Kindergeld wirtschaftlich den Kindern zugute kommen soll. Soweit daher ein Steuerpflichtiger lediglich das ihm steuerfrei zugeflossene Kindergeld an die im gemeinsamen Haushalt lebenden und von ihm unterstützten Personen weiterleitet, erwachsen ihm selbst keine Aufwendungen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG.

Dieses Ergebnis entspricht im Hinblick auf die steuerliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte, bei denen Kindergeld für die in der Bundesrepublik lebenden Kinder gewährt wird, dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung. Auch insoweit wird nämlich in der Weiterleitung nur des Kindergeldes keine Unterhaltsleistung an andere, mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt lebende unterhaltsberechtigte Personen gesehen.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, da sie auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das vom Kläger bezogene Kindergeld die Summe seiner sämtlichen Unterhaltsleistungen an die im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Personen überstieg, kommt im Streitfall eine Steuerermäßigung gemäß § 33a Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.