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BFH-Urteil vom 12.1.1989 (V R 43/84) BStBl. 1989 II S. 339

Wer lediglich einem Anlageberater Anschriften von interessierten Kapitalanlegern beschafft, bewirkt keine "Vermittlung" von Umsätzen i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973.

UStG 1973 § 4 Nr. 8.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1984, 417)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 1977 für einen Unternehmer (im folgenden: W), der Anlageberatung und Anlagevermittlung betrieb, dahingehend tätig, daß sie W Anschriften von interessierten Kapitalanlegern beschaffte. Falls es zur Vermittlung von Erwerbsgeschäften über Gesellschaftsanteile durch W als Agent gekommen war, erhielt die Klägerin von W eine anteilige Unterprovision (in der Regel 50 v.H. der W zustehenden Hauptprovision). Schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und W lagen nicht vor. W rechnete über die Provisionen gegenüber der Klägerin mit Gutschriften ab. In diesen war jeweils die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz offen ausgewiesen. Für die 1977 ausgeführten Leistungen erhielt die Klägerin von W eine Netto-Provision in Höhe von 120.480,18 DM (brutto: 133.733 DM). In einer Abrechnung für 1977 vom 3. Juli 1978 wies W die der Klägerin zustehenden Entgelte mit 120.300 DM als steuerfrei aus. W begründete nach dem Vorbringen der Klägerin diese Änderung der Abrechnung (ohne Umsatzsteuer) damit, daß durch das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. Juni 1978 (Steuererlasse in Karteiform - StEK - Umsatzsteuergesetz 1967, § 4 Ziff. 8 Nr. 41; Umsatzsteuer-Rundschau - UStR - 1978, 135) klargestellt worden sei, nach dem 31. Dezember 1971 ausgeführte Vermittlungen von Geschäften über den Erwerb von Gesellschaftsanteilen (GmbH & Co. KG-Anteile) seien gemäß § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967/1973) steuerfrei, weil sie ab diesem Zeitpunkt auch als Wertpapiere im Sinne der Vorschrift anzusehen seien. Die Klägerin zahlte die für 1977 von W erhaltene Umsatzsteuer in Höhe von 13.252,82 DM (durch Verrechnung mit späteren Provisionsansprüchen) zurück. In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1977 behandelte die Klägerin die Entgelte als gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1973 steuerfrei.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Klägerin habe keine nach § 4 Nr. 8 UStG 1973 steuerfreien Vermittlungsleistungen, sondern selbständig zu beurteilende sonstige Leistungen erbracht, die in der Verschaffung von besonderen Gelegenheiten (Vermittlungsmöglichkeiten) bestanden hätten. Mit dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid 1977 behandelte das FA auch die hier maßgeblichen Umsätze der Klägerin mit der Bemessungsgrundlage von 120.300 DM als steuerpflichtig zum Regelsteuersatz.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 417 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 4 Nr. 8 UStG 1973. Sie macht - wie bisher - geltend: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Mai 1980 V R 126/76 (BFHE 131, 109, BStBl II 1980, 618) bewirkten Kreditvermittler, die einer Bank Kunden zuführten, damit sonstige Leistungen. Diese seien nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG (gemeint ist offenbar das UStG 1980) steuerfrei. Die Zuführung von Kunden sei bei Umsätzen i. S. von § 4 Nr. 8 Buchst. f (UStG 1980) in gleicher Weise als Vermittlungsumsatz - Vermittlung von Umsätzen von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen - zu beurteilen. Auch im Rahmen des § 4 Nr. 11 UStG 1973/1980 werde die Vermittlung von Bausparverträgen und Versicherungsverträgen durch Kreditinstitute (an Bausparkassen und Versicherungen) befreit; dabei gäben die Kreditinstitute ebenfalls nur Anschriften von Interessenten weiter.

Vermittlungstätigkeit i. S. von § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG (1980) sei jede Mitwirkung beim Zustandekommen eines Vertrages über die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, wie sie insbesondere für die Tätigkeit als Makler typisch sei. Makler seien nach § 652 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entweder als Nachweis- oder als Vermittlungsmakler tätig. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG (1980) erfasse beide Formen der Maklertätigkeit. Der Gesetzeswortlaut stehe dieser Annahme nicht entgegen. Auch der Nachweismakler werde vermittelnd tätig. Er vermittle die Möglichkeit eines Geschäftsabschlusses, indem er dem Auftraggeber Namen und Adressen von Interessenten zuführe. Der Vermittlungsmakler habe lediglich eine weitergehende Leistungspflicht als der Nachweismakler. Sie - die Klägerin - habe als Nachweismakler dem W vereinbarungsgemäß Namen und Adressen von interessierten Kapitalanlegern beschafft. W sei es daraufhin ohne weitere Schwierigkeiten möglich gewesen, mit den Interessenten in Verbindung zu treten und mit ihnen ggf. einen Geschäftsabschluß zu tätigen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer um 13.452 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Nach § 4 Nr. 8 UStG 1973 sind steuerfrei u.a. (soweit für den Streitfall von Bedeutung) die Umsätze von Wertpapieren, Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen, ferner die Vermittlung der Umsätze von Wertpapieren (nicht die Vermittlung der Umsätze von Anteilen und Gesellschaften, die erst nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980, worauf sich die Revisionsschrift der Klägerin zu Unrecht beruft, befreit worden sind).

Das Urteil des FG hält den Einwänden der Revision stand. Das FG vertrat im wesentlichen folgende Auffassung: Auch wenn man Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG mit der Verwaltungsauffassung als Wertpapiere i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973 ansehe - was offenbleiben könne -, seien die Umsätze der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 8 UStG 1973 steuerfrei, weil die Klägerin keine Vermittlungsleistungen erbracht habe. Mit der Namhaftmachung interessierter Kapitalanleger gegenüber dem Vermittler W habe die Klägerin umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung anderer (eigener) Art erbracht, die nicht unter die Befreiungsvorschrift falle. Sie habe selbst keine Vermittlungsleistung ausgeführt, weil ihre Tätigkeit nicht darauf gerichtet gewesen sei, den Vertragsabschluß zwischen den späteren Vertragsparteien herbeizuführen. Die Klägerin sei lediglich in Rechtsbeziehungen zu dem Vermittler getreten; nur diesem habe sie ihre Leistung erbracht. Ansprüche oder Pflichten gegenüber den späteren Vertragsparteien habe sie nicht. Eine ausdehnende Auslegung des Gesetzeswortlauts (hier des Tatbestandsmerkmals "Vermittlung") oder eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Leistungen der Klägerin sei nicht zulässig. Sie würde zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Steuerbefreiung führen. Wie der BFH im Urteil vom 16. Juli 1970 V R 138/69 (BFHE 99, 437, BStBl II 1970, 709) ausgeführt habe, habe der Gesetzgeber im UStG 1967 in der Regel die einem steuerbefreiten Umsatz vorhergehenden Umsätze nicht von der Umsatzsteuer befreit und damit grundsätzlich die nachteiligen Wirkungen einer Umsatzbesteuerung für die beteiligten Unternehmen oder deren Abnehmer in Kauf genommen.

Diese Ausführungen des FG lassen ebensowenig einen Rechtsfehler erkennen wie sein Standpunkt, die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf das Urteil in BFHE 131, 109, BStBl II 1980, 618 berufen. Dieses Urteil betrifft nicht die Zuführung möglicher Interessenten an einen Vermittler (wie hier), sondern durch den Vermittler selbst an seinen Auftraggeber, die kreditgebende Bank.

Die Auslegung des Begriffs der "Vermittlung" i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 deckt sich mit der Verwendung des Begriffs im bürgerlichen Recht. "Vermitteln" i. S. des § 652 BGB verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 6. Dezember 1967 VIII ZR 289/64, Betriebs-Berater 1968, 148) Verhandeln mit beiden Vertragsparteien, also mit dem Auftraggeber und dem Dritten, mit dem Ziel, einen Vertrag zustande zu bringen. Als "Vermitteln" kann also nicht angesehen werden, daß jemand nur irgendeine Bedingung für den Abschluß des Vertrags setzt. Erforderlich ist vielmehr zumindest, daß der "Vermittler" Verbindungen zum Dritten aufnimmt und auf diesen einwirkt, einen Vertrag mit dem Auftraggeber zu schließen. Das hat die Klägerin nicht getan; sie hat weder mit den Kapitalanlegern noch mit dem Veräußerer der Gesellschaftsanteile solche Verbindungen aufgenommen.

Zutreffend hat das FG auch verneint, daß durch die Herabsetzung des Rechnungsbetrags um die Umsatzsteuer die Bemessungsgrundlage für das Streitjahr gemindert worden sei. Gemäß § 17 Abs. 1 letzter Satz UStG 1973 wirkt sich die Berichtigung erst für den Veranlagungszeitraum aus, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist, also erst im Jahr 1978, in dem die Änderung der Abrechnung erfolgte.