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BFH-Urteil vom 16.12.1988 (III R 116/86) BStBl. 1989 II S. 380

Auch die im Vorbereitungsstadium, d.h. vor der offiziellen Betriebseröffnung angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter gehören zum Vergleichsvolumen.

InvZulG 1982 § 4b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eröffnete am 5. Januar 1982 eine Apotheke. Die Geschäftseinrichtung im Wert von 157.213 DM hatte sie bereits im Jahr 1981 angeschafft. Die Eröffnungsbilanz wurde auf den 5. Januar 1982 aufgestellt. Als Gewinnermittlungszeitraum hat die Klägerin das Kalenderjahr gewählt.

Für im Streitjahr 1982 getätigte Ergänzungsanschaffungen von 15.414 DM beantragte die Klägerin die sog. Beschäftigungszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982. Dabei bezifferte sie das Vergleichsvolumen auf 0 DM. Sie ist der Auffassung, daß sie kein Vergleichsvolumen hat, weil sie vor dem 1. Januar 1982 kein Wirtschaftsjahr gehabt habe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte mit Bescheid vom 8. Dezember 1983 die beantragte Zulage ab. Nach Auffassung des FA hatte die Klägerin bereits vor der offiziellen Betriebseröffnung einen Gewerbebetrieb und ein Wirtschaftsjahr und somit auch ein Vergleichsvolumen. Dazu gehöre die im Jahre 1981 angeschaffte Geschäftseinrichtung, weil sie in zeitlicher Nähe zum Betriebsbeginn angeschafft worden ist. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auch die Klage wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) ging ebenfalls davon aus, daß die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin nicht erst mit der Betriebseröffnung, sondern bereits mit der ersten Vorbereitungshandlung begonnen habe. Während das Wirtschaftsjahr einkommensteuerrechtlich der Periodenabgrenzung von Gewinnen diene, verfolge der Gesetzgeber mit diesem Begriff in § 4b InvZulG 1982 eine zeitgerechte Zuordnung neu angeschaffter und hergestellter Wirtschaftsgüter zum Begünstigungsvolumen und Vergleichsvolumen sowie eine Festlegung der Frist für die Beantragung der Beschäftigungszulage. Nach dem Sinn und Zweck des InvZulG seien auch Wirtschaftsgüter begünstigt, die bereits im Vorbereitungsstadium angeschafft oder hergestellt würden. Dann sei es nur folgerichtig, umgekehrt solche Wirtschaftsgüter auch dem Vergleichsvolumen zuzuordnen. Nur diese Auslegung werde dem Gesetzeszweck gerecht, die Zulage auf Investitionen zu beschränken, die das durchschnittliche Investitionsvolumen der Vorjahre überträfen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß sie vor der Betriebseröffnung am 5. Januar 1982 kein Wirtschaftsjahr gehabt habe. Das FG verstoße deshalb gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut, wenn es ein Vergleichsvolumen berücksichtige.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Ablehnungsbescheid vom 8. Dezember 1983 zu ändern und die Zulage auf 1.541,40 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Vorentscheidung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klägerin hatte - entgegen ihrer Auffassung - bereits vor dem 1. Januar 1982 einen Gewerbebetrieb und ein Wirtschaftsjahr, so daß die im Jahr 1981 angeschaffte Geschäftseinrichtung zum Vergleichsvolumen gehört. Über die in diesem Zusammenhang zwischen den Verfahrensbeteiligten bestehenden Streitfragen hat der Senat im wesentlichen bereits in seinem Urteil vom 11. März 1988 III R 113/82 (BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636) entschieden, so daß weitgehend auf diese Entscheidung Bezug genommen werden kann. In dem entschiedenen Fall ging es zwar nicht um das Vergleichsvolumen, sondern um die Frage, innerhalb welcher Frist die Konjunkturzulage nach § 4b InvZulG 1975 für im Vorbereitungsstadium angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter beantragt werden mußte. Die dabei aufgetretenen Streitfragen sind aber weitgehend identisch mit den in diesem Verfahren zu entscheidenden Fragen.

2. § 4b InvZulG 1982 enthält die Besonderheit, daß bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage dem Begünstigungsvolumen das Vergleichsvolumen gegenüber zu stellen ist. Eine Investitionszulage wird nur von einer positiven Bemessungsgrundlage gewährt. Mit dieser Neuregelung beabsichtigte der Gesetzgeber, nur Mehrinvestitionen im Vergleich zu den Vorjahren zu begünstigen (vgl. BTDrucks 9/1400 S. 10). Das Vergleichsvolumen wird in § 4b Abs. 5 InvZulG 1982 sinngemäß definiert als die durchschnittlichen Investitionen, die in den drei letzten vor dem 1. Januar 1982 abgelaufenen Wirtschaftsjahren in dem Betrieb getätigt worden sind.

3. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin bereits vor dem 5. Januar 1982 einen Gewerbebetrieb hatte. Einkommensteuerrechtlich - und mangels einer anderen Zielsetzung auch investitionszulagerechtlich - beginnt der Gewerbebetrieb einer natürlichen Person nicht erst mit der werbenden Tätigkeit (Eröffnung eines Ladenlokals), sondern bereits mit den ersten Maßnahmen, die der Vorbereitung der späteren werbenden Tätigkeit dienen und mit dieser in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (vgl. Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 15 Anm. 29, mit Hinweisen zur Rechtsprechung). Dementsprechend sind durch Vorbereitungshandlungen entstehende Aufwendungen bereits (vorweggenommene) Betriebsausgaben, die im Jahr ihres Anfalls zu Verlusten aus Gewerbebetrieb führen, und Gegenstände, die in Vorbereitung einer Betriebseröffnung erworben werden, können bereits ab dem Zeitpunkt der Anschaffung als Betriebsvermögen behandelt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. September 1960 VI 137/59 U, BFHE 71, 643, BStBl III 1960, 489; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 16. Juni 1982, BStBl I 1982, 569, Tz. 18). Die Klägerin zieht diese Konsequenzen mit dem Argument in Zweifel, man könne nicht von "vorweggenommenen" Betriebsausgaben sprechen, wenn Vorbereitungshandlungen bereits eine gewerbliche Tätigkeit darstellten. Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl.) weisen in § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anm. 15 jedoch zutreffend darauf hin, daß der Begriff der vorweggenommenen Betriebsausgaben (und Betriebseinnahmen) nicht ganz korrekt sei, da diese Ausgaben und Einnahmen dem Gewerbebetrieb nicht vorausgehen, sondern ihn begründen oder voraussetzen. Tatsächlich hat die Klägerin mit Schreiben vom 5. September 1983 dem FA auch eine Zusammenstellung der "vorweggenommenen Betriebsausgaben im Kalenderjahr 1981" zukommen lassen. Danach waren im Kalenderjahr 1981 bereits u.a. Reisekosten sowie Kosten für Personal, Werbung und Bewirtung im Gesamtbetrag von 9.139,50 DM entstanden. Diese Aufwendungen führten bei der Einkommensteuer bereits im Jahr 1981 - also vor der Betriebseröffnung am 5. Januar 1982 - zu einem Verlust aus Gewerbebetrieb.

4. Die Klägerin hatte vor dem 1. Januar 1982 auch bereits ein Wirtschaftsjahr, und zwar das Kalenderjahr 1981, das möglicherweise, je nachdem wann von ihr die Geschäftseinrichtung bestellt und ihr Kosten entstanden waren, ein Rumpfwirtschaftsjahr war. Dieses Wirtschaftsjahr war am 31. Dezember 1981 abgelaufen, so daß insoweit § 4b Abs. 5 InvZulG 1982 zur Anwendung kommt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Klägerin im Jahr 1981 für ein abweichendes Wirtschaftsjahr entschieden und dieses nach dem 31. Dezember 1981 geendet hätte. Dann würden die in dieses Wirtschaftsjahr fallenden Investitionen nicht zum Vergleichsvolumen gehören (vgl. BMF-Schreiben vom 16. Juni 1982, a.a.O., Tz. 97). Die Klägerin hatte jedoch kein abweichendes Wirtschaftsjahr. Denn im Jahr 1981 hat sie keinen Abschluß gemacht (vgl. § 4a Abs. 1 Nr. 2 EStG), sondern ihr Betriebsergebnis durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelt. Im Streitjahr 1982 hat sie zwar Bilanzen erstellt (Eröffnungsbilanz auf den 5. Januar 1982 und Schlußbilanz auf den 31. Dezember 1982), sich dabei aber ebenfalls für das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr entschieden.

5. In seinem Einführungsschreiben vom 16. Juni 1982 (a.a.O.) vertritt der BMF die Auffassung, daß ein am 1. Juli 1980 "gegründeter" Betrieb unter der Annahme, daß das Wirtschaftsjahr gleich dem Kalenderjahr ist, zwei Wirtschaftsjahre gehabt habe (Tz. 99) und daß ein nach dem 31. Dezember 1981 "gegründeter" Betrieb kein Vergleichsvolumen habe (Tz. 100). Der Senat stimmt dieser Auffassung unter der Voraussetzung zu, daß unter der "Gründung" des Betriebs nicht erst die Eröffnung des Ladenlokals, sondern bereits die vorausgehenden Vorbereitungshandlungen gemeint sind (ebenso Zitzmann, Die Beschäftigungszulage, S. 39; derselbe in Der Betrieb - DB - 1982, 1347 -1351 -; Blümich, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 4b InvZulG Anm. 115; siehe auch Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4b InvZulG Anm. 127; anderer Ansicht Friele/Jarosch, Die Investitionszulage zur Förderung der Beschäftigung, S. 96).

6. Der Senat hält dieses Ergebnis auch unter dem Gesichtspunkt der mit der Beschäftigungszulage verfolgten Zielsetzung des Gesetzes für sachgerecht. Mit der Begrenzung durch das Vergleichsvolumen sollten nur Mehrinvestitionen begünstigt werden. Der Senat sieht keinen einleuchtenden Grund, im Vorbereitungsstadium angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter nicht im Vergleichsvolumen zu berücksichtigen.