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BFH-Urteil vom 8.2.1989 (II R 38/86) BStBl. 1989 II S. 399

Hat ein Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmer einen Gruppenlebensversicherungsvertrag geschlossen und ist die Bezugsberechtigung der Arbeitnehmer versicherungsrechtlich nicht unwiderruflich, so sind die Versicherungsansprüche Teil des Betriebsvermögens des Arbeitgebers.

Die den Arbeitnehmern (im Valutaverhältnis) gemachten Versorgungszusagen sind unter den Voraussetzungen des § 104 BewG abzugsfähig.

BewG § 12 Abs. 4, § 104.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein

Sachverhalt

Die Klägerin schloß am 20. Dezember 1962 mit einer Lebensversicherungsgesellschaft einen Versicherungsvertrag, aufgrund dessen sie ihre Arbeitnehmer mit einer Firmenzugehörigkeit von mindestens drei Jahren, die bei ihrem Eintritt das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, versicherte. Als Versicherungsleistungen vereinbart wurden Invalidenrenten, Altersrenten, Witwenrenten und Waisenrenten. Die Versicherung sollte insoweit erlöschen, als die Erwerbsunfähigkeit oder der Tod des Versicherten innerhalb der Wartezeit von 10 Jahren eintrat. Die Beiträge waren ausschließlich von der Klägerin zu entrichten.

Aus dem Vertrag war die Klägerin anspruchsberechtigt. Sie hatte das Recht, allein zu bestimmen, wer für die Versicherungsleistungen bezugsberechtigt sei. Dies ist in einer Erklärung ebenfalls vom 20. Dezember 1962 geschehen, die dem Versicherungsvertrag als Bestandteil des Vertrages beigefügt worden ist. Grundsätzlich waren danach alle Versicherten bzw. deren Hinterbliebene bezugsberechtigt. Die Einschränkungen betrafen im wesentlichen das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ohne Eintritt des Versicherungsfalles. Auch in diesen Fällen blieb jedoch die Bezugsberechtigung mit Ausnahme des Anspruches auf die Invalidenrente aufrechterhalten, wenn das Arbeitsverhältnis wenigstens 20 Jahre bestanden hatte, der Versicherte mindestens 50 Jahre alt war und das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung der Klägerin aus einem vom Versicherten nicht zu vertretenden Grunde eingetreten war.

Über die Beendigung des Versicherungsvertrages ist bestimmt worden, daß die Versicherung als gekündigt gilt, wenn ein Versicherter aus dem versicherten Personenkreis ausscheidet, ohne daß ein Versicherungsfall eintritt. Bei einem Ausscheiden nach einer Firmenzugehörigkeit von mindestens 20 Jahren und einem Alter des Versicherten von mehr als 50 Jahren durch Kündigung der Klägerin sollte jedoch die Versicherung mit der erreichten Rentenhöhe bestehen bleiben.

Die Arbeitnehmer erhielten von der Klägerin jeweils ein Schreiben nach folgendem Muster:

"Betrifft: Zusätzliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung

...

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß Sie gemäß den Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrags, den wir mit der ..... Lebensversicherungs Aktiengesellschaft abgeschlossen haben, in das Versorgungswerk aufgenommen wurden. Aufgabe dieses Vertrages ist es, unseren Mitarbeitern zusätzlich zur Sozialversicherung eine Versorgung für das Alter, bei Invalidität und für die Hinterbliebenen zu gewähren.

...

Der einzelne Mitarbeiter hat einen direkten Anspruch gegen die ..... Lebensversicherungs Aktiengesellschaft. Der Wortlaut der Bezugsberechtigung ist diesem Schreiben beigefügt. Die Beiträge für die zusätzliche Versorgung werden in voller Höhe von unserer Firma aufgebracht."

Die einzelnen Arbeitnehmer erklärten schriftlich ihr Einverständnis mit dem Einschluß in den Gruppenversicherungsvertrag.

Die Klägerin hat die Prämienzahlungen an den Versicherer als Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigt und sie als Arbeitslohn der versicherten Arbeitnehmer behandelt. Die Lohnsteuer wurde pauschaliert. Eine Beleihung der Versicherungsansprüche durch die Klägerin oder eine Verpfändung ist nicht erfolgt.

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gelangte das Finanzamt (FA) nach einer Betriebsprüfung zu der Auffassung, daß die Versicherungsansprüche bei der Klägerin als Teile ihres Vermögens anzusetzen seien. Ein Abzug der Verpflichtungen der Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern aus dem Valutaverhältnis komme demgegenüber nicht in Betracht.

Gegen die entsprechenden Feststellungsbescheide für die Stichtage 1. Januar 1969, 1. Januar 1970 und 1. Januar 1971 hat die Klägerin Einspruch eingelegt. Der Einspruch hatte zum Teil Erfolg. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Versicherungsansprüche nur noch mit den nachgewiesenen Rückkaufswerten an (vgl. § 12 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Im übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage, mit der sich die Klägerin weiterhin gegen den uneingeschränkten Ansatz der Rückkaufswerte wandte, ist vom Finanzgericht (FG) abgewiesen worden.

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Senat folgt dem FG, daß die aus dem Gruppenversicherungsvertrag herzuleitenden Versicherungsansprüche von der Klägerin als Teil ihres Betriebsvermögens anzusetzen und mit dem Rückkaufswert zu bewerten sind; denn das Bezugsrecht der versicherten Arbeitnehmer war (versicherungsrechtlich) nicht unwiderruflich (vgl. § 166 Abs. 2, § 168 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag - VVG -, sowie das Senatsurteil vom 25. November 1987 II R 185/80, BFHE 152, 141, BStBl II 1988, 196). Das FG hat aber zu Unrecht das Valutaverhältnis des mit der Lebensversicherungsgesellschaft geschlossenen Vertrages zugunsten Dritter (das Versorgungsverhältnis) unberücksichtigt gelassen.

Sind die Versicherungsansprüche, wie im vorliegenden Fall, dem Versicherungsnehmer zuzuordnen, so muß das Versorgungsverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers nach den Regeln des § 104 BewG berücksichtigt werden. Denn es kann für den Abzug der Versorgungsverpflichtungen keinen Unterschied machen, ob eine direkte Versorgungszusage oder nur eine Versorgungszusage im Rahmen eines mit einer Versicherungsgesellschaft geschlossenen Versicherungsvertrages vorliegt.

Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 BewG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Insbesondere sind die den Arbeitnehmern der Klägerin gemachten Versorgungszusagen nicht mit einem den Abzug ausschließenden Vorbehalt versehen. Denn die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern gegenüber nicht erklärt, daß die Versorgungszusage nach ihrem freien Belieben widerrufbar sei (vgl. hierzu Blümich, Einkommensteuergesetz, § 6a Tz. 155 f.).

Der Vorbehalt, daß die Versorgungszusage unter bestimmten Umständen bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt, schließt die Berücksichtigung der Versorgungszusage im Rahmen des § 104 BewG ebensowenig aus wie im Rahmen des § 6a des Einkommensteuergesetzes - EStG - (vgl. Blümich, a.a.O., Tz. 222; vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Oktober 1983 III R 129/79, BFHE 139, 416, 419/20, BStBl II 1984, 91).

Die Höhe der nach § 104 BewG abzuziehenden Versorgungsverpflichtungen vermag der Senat mangels entsprechender Feststellungen des FG nicht zu berechnen. Das FG wird entsprechende Feststellungen noch zu treffen haben. Sollte sich dabei ergeben, daß die Abzugsbeträge höher sind als die Rückkaufswerte, so wird zu entscheiden sein, ob der Abzug der Versorgungsverpflichtungen nur im Ausmaß des Ansatzes der Rückkaufswerte in Betracht kommt.