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  BFH-Urteil vom 6.7.1989 (IV R 97/87) BStBl. 1990 II S. 606

Für die Bestimmung der Buchführungsgrenze in § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 n.F. ist der Wirtschaftswert nur der selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen maßgebend. Die Einzelertragswerte der im Einheitswert erfaßten Nebenbetriebe sind nicht anzusetzen.

AO 1977 § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; BewG § 46.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Bis zum 30. Juni 1981 bewirtschaftete der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) als Einzelunternehmer einen in O gelegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Seit dem 1. Juli 1981 wird dieser Betrieb als Personengesellschaft vom Kläger und dessen Sohn geführt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers einen Wirtschaftswert von 42.170 DM. (Dieser Wert ist später im Einspruchswege auf 41.788 DM herabgesetzt worden.) Darin enthalten ist in Höhe von 12.405 DM ein Einzelertragswert für die Beteiligung des Klägers an einer Kartoffelgemeinschaftsbrennerei. Diese Brennerei betreibt der Kläger im Rahmen einer BGB-Gesellschaft gemeinsam mit anderen Landwirten unter der Bezeichnung "Kartoffelgemeinschaftsbrennerei X". Das FA forderte den Kläger mit Verfügung vom 9. Januar 1981 auf, gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 1. Juli 1981 an Bücher zu führen, weil der Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten Flächen i.S. von § 46 des Bewertungsgesetzes (BewG) mehr als 40.000 DM betrage.

Mit der Beschwerde machte der Kläger geltend, bei Berücksichtigung der geänderten Einheitswertbescheide werde die Grenze von 40.000 DM nicht überschritten, weil der Einzelertragswert für die Beteiligung an der Gemeinschaftsbrennerei bei der Ermittlung des Wirtschaftswertes i.S. von § 141 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 außer Ansatz bleiben müsse (vgl. Leingärtner/ Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr. 433). Die Oberfinanzdirektion wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, weil nach seiner Auffassung der Einzelertragswert eines bewertungsrechtlich zutreffend in den Einheitswert einbezogenen Nebenbetriebes bei der Ermittlung des Wirtschaftswertes i.S. des § 141 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 außer Betracht bleiben müsse.

Mit der vom FG - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 i.V.m. § 46 BewG) geltend.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG den ermittelten Einzelertragswert für die Beteiligung des Klägers an der Kartoffelgemeinschaftsbrennerei bei der Berechnung des Wirtschaftswertes i.S. von § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1980 außer Ansatz gelassen.

1. Nach dieser Vorschrift sind Land- und Forstwirte, die nach den Feststellungen der Finanzbehörden für den einzelnen Betrieb

a) Umsätze von mehr als 360.000 DM im Kalenderjahr oder

b) selbstbewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen mit einem Wirtschaftswert (§ 46 BewG) von mehr als 40.000 DM oder

c) einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 36.000 DM im Kalenderjahr gehabt haben,

auch dann verpflichtet, für diesen Betrieb Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, wenn sich eine Buchführungspflicht nicht nach § 140 AO 1977 ergibt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1982 IV R 6/82, BFHE 137, 227, BStBl II 1983, 257). Die Bestimmung der Buchführungsgrenze in § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 n.F.: Wirtschaftswert der selbst bewirtschafteten Flächen von mehr als 40.000 DM ist nach der Auffassung des Senates dahin auszulegen, daß nur der Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen und keine anderen im Wirtschaftswert des Einheitswertes enthaltenen Werte für die Auslösung der Buchführungspflicht maßgebend sind (Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr. 433; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 12. Aufl., § 141 AO 1977 Tz. 7; Zwank in Koch, Abgabenordnung - AO 1977 -, 3. Aufl., § 141 AO 1977 Anm. 40; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung und Nebengesetze, 15. Aufl., § 141 AO 1977 Anm. 2; Kutscher, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1980, 547, 552; anderer Auffassung Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., B 28). Die Zitierung des § 46 BewG als Klammerzusatz bedeutet nur eine Erläuterung des Begriffes "Wirtschaftswert", durch die die Art der Ermittlung klargestellt werden soll; sie dient so der Vereinheitlichung der Berechnungsmethode (Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Mai 1986 IV 237/82 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 534); sie besagt nicht, daß in diese Buchführungsgrenze alle Werte einzubeziehen sind, die nach § 46 BewG im Einheitswert Teil des Wirtschaftswertes sein können. Das folgt schon aus der ausdrücklichen Beschränkung dieses Wertes auf den Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten Flächen, wodurch vor allem erreicht werden soll, daß von den Vergleichswerten der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen (§ 40 BewG), einschließlich der Zu- und Abschläge nach § 41 BewG (Urteil des Niedersächsischen FG vom 17. Februar 1983 XII (I) 207/81, EFG 1983, 535), der Teil abzuziehen ist, den der Eigentümer nicht tatsächlich selbst bewirtschaftet, sondern den er z.B. verpachtet hat oder brach liegen läßt (Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr. 433, vgl. auch Urteil in BFHE 137, 227, BStBl II 1983, 257, 259). Sie führt aber auch dazu, daß die Einzelertragswerte von den im Einheitswert erfaßten Nebenbetrieben ausgeschieden werden müssen (anderer Auffassung Pape in Felsmann, a.a.O., B 28). Diese Auffassung liegt offenbar auch dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 15. Dezember 1981 (BStBl I, 878) zugrunde. Nach Tz. 1.3.2. des Schreibens ist Wirtschaftswert i.S. des § 141 Abs. 1 Nr. 3 und Satz 3 AO 1977 der nach den Grundsätzen des § 46 BewG errechnete Wert der selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen, nicht der Wert nach § 46 BewG selbst.

§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 n.F. spricht auch nicht von dem Wirtschaftswert, sondern einem Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Die Verwendung des unbestimmten Artikels zeigt ebenfalls an, daß Tatbestandsmerkmal ein noch zu ermittelnder Wert dieser Flächen sein soll. Auch daraus läßt sich schließen, daß die Wirtschaftswertgrenze sich nur auf die selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen bezieht, weil diese die objektive Größe des Betriebes darstellen sollten, an die der Gesetzgeber hat anknüpfen wollen (Kutscher, DStR 1980, 547, 552, und Zwank in Koch, a.a.O., § 141 AO 1977 Rdnr. 39).

Für die Außerachtlassung von Nebenbetrieben spricht außerdem, daß für sie eine besondere Buchführungspflicht bestehen kann (vgl. Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr. 433, 418, 197), insbesondere, wenn sie von mehreren Land- und Forstwirten gemeinsam - wie z.B. eine Gemeinschaftsbrennerei - geführt werden (Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr. 433).

Der Senat sieht sich in dieser Auslegung durch die Entstehungsgeschichte des § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 n.F. bestätigt. Bei der Neufassung ist man davon ausgegangen, daß für die Frage der Buchführungspflicht die Ertragsfähigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Bodens maßgebend sei, diese sich aber am zutreffendsten nach den selbstbewirtschafteten Flächen bemessen lasse (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Begründung, S. 27 f., BRDrucks 396/79; ebenso Kutscher, DStR 1980, 549, 552). Entsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung: "Die Wirtschaftswertgrenze bezieht sich auf die selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen" und weiter "Als maßgebende Vermögensgrenze ist ein Wirtschaftswert von 40 000 Deutsche Mark vorgesehen. Dies entspricht bei der Landwirtschaft einer Betriebsgröße von durchschnittlich etwa 30 Hektar". Von den Nebenbetrieben ist dabei nicht die Rede. Deren Einbeziehung hätte im übrigen eine zusätzliche Komplizierung zur Folge gehabt und den bestehenden Zielkonflikt zwischen Bestandschutz der Land- und Forstwirtschaft einerseits und stärkerer Berücksichtigung des Grundsatzes der Individualbesteuerung andererseits womöglich im Sinne einer nicht beabsichtigten Ausdehnung des Kreises der Buchführungspflichtigen entschieden (vgl. dazu Kutscher, a.a.O., 547, 548).

2. Daraus folgt für den Streitfall, daß das FG zu Recht der Klage stattgegeben hat. Zieht man den vom FA berücksichtigten Einzelertragswert für die Beteiligung des Klägers an der Kartoffelgemeinschaftsbrennerei von dem angesetzten Wirtschaftswert ab, so ergibt sich, daß die Wirtschaftswertgrenze von 40.000 DM nicht überschritten worden ist.