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  BFH-Urteil vom 13.10.1989 (VI R 36/85) BStBl. 1990 II S. 30

Bei einer fehlgeschlagenen Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG kann keine Nettolohnvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Aushilfskraft unterstellt werden.

EStG § 40a Abs. 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Er beschäftigte in den Jahren 1977 und 1978 u.a. vier Aushilfskräfte, deren Löhne er nach § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Pauschalsteuersatz in Höhe von 2 v.H. besteuerte. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG, da die Aushilfskräfte nicht von Fall zu Fall, sondern laufend beschäftigt gewesen seien. Er schätzte die auf die Löhne entfallende Steuer in Anlehnung an die Vorschrift des § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG, deren Voraussetzungen das FA für gegeben hielt, auf 10 v.H. der Aushilfslöhne und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid gegen den Kläger.

Diesen Haftungsbescheid hat das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang mit der Begründung aufgehoben, der Kläger hätte, da die Voraussetzungen entweder des § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG oder des § 40a Abs. 2 EStG erfüllt seien, nicht durch Haftungsbescheid, sondern als Steuerschuldner durch Lohnsteuerpauschalierungsbescheid in Anspruch genommen werden müssen. Aufgrund der vom FA eingelegten Revision hat der erkennende Senat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, damit dieses feststellt, ob der Kläger nur als Steuerschuldner nach § 40a Abs. 2 EStG oder evtl. auch als Steuerschuldner nach § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG eintreten wolle (Urteil des Senats vom 25. Mai 1984 VI R 223/80, BFHE 141, 54, BStBl II 1984, 569). Der Senat wies darauf hin, für den Fall, daß der Kläger erkläre, nur Steuerschuldner einer Steuer nach § 40a Abs. 2 EStG sein zu wollen, und daß die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG nicht vorlägen, sei die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner rechtmäßig, wenn das FA von seinem pflichtgemäß auszuübenden Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht habe.

Der Kläger hat vor dem FG im zweiten Rechtsgang erklärt, nur Steuerschuldner der Lohnsteuer in Höhe von 2 v.H. gemäß § 40a Abs. 2 EStG, nicht hingegen auch Steuerschuldner einer Lohnsteuer in Höhe von 10 v.H. nach § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG sein zu wollen. Er hat vor dem FG weiter gerügt, das FA habe ihn in Haftung genommen, ohne zu prüfen, ob die Aushilfskräfte überhaupt einkommensteuerpflichtig seien und ob diese nicht vor ihm hätten in Anspruch genommen werden sollen.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es ausführlich begründet, daß die Aushilfskräfte nicht i.S. von § 40a Abs. 2 EStG von Fall zu Fall beschäftigt gewesen seien. Zur Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner führte es im wesentlichen aus: Die Inanspruchnahme des Klägers sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Dies folge aus der zwischen ihm und den Aushilfskräften getroffenen Nettolohnvereinbarung. Auch wenn der Kläger mit dieser Nettolohnvereinbarung nicht automatisch Steuerschuldner einer nach § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG pauschalierten Steuer in Höhe von 10 v.H. habe werden wollen, so habe er dennoch gegenüber den Arbeitnehmern und dem FA zu erkennen gegeben, daß er evtl. bestehende Einkommensteuerschulden der Aushilfskräfte habe übernehmen wollen. Da aus der Sicht der Arbeitnehmer die Lohnsteuer vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten worden sei, hätten die Arbeitnehmer nach § 42d Abs. 3 EStG selbst nicht in Anspruch genommen werden können. Anders als in dem vom Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 3. Juni 1982 VI R 48/79 (BFHE 136, 224, BStBl II 1982, 710, betreffend Steuerpflicht von Laufjungen) entschiedenen Fall habe das FA nicht prüfen müssen, ob die Einkünfte der Aushilfskräfte unter der Grenze der Steuerpflicht gelegen hätten. Denn im Streitfall dränge sich nicht die Frage auf, ob die Löhne unter der Grenze der Steuerpflicht gelegen hätten. Hinzu komme, daß ein Arbeitgeber, der durch eine Nettolohnvereinbarung gegenüber dem FA zu erkennen gebe, die Steuer übernehmen zu wollen, und der die persönlichen Verhältnisse seiner Aushilfskräfte kenne, nicht gänzlich untätig bleiben dürfe. Daher hätte der Kläger konkrete Zweifel an der Steuerpflicht einzelner Aushilfskräfte anmelden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Aufhebung der Vorentscheidung und des Haftungsbescheids. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Der Haftungsbescheid sei aufzuheben, da das FA gar kein Ermessen dahingehend ausgeübt habe, ob nicht die Arbeitnehmer zunächst hätten in Anspruch genommen werden müssen. Er, der Kläger, habe niemals zum Ausdruck gebracht, er wolle eine evtl. Einkommensteuerschuld der Arbeitnehmer übernehmen. Aus seinem Schriftsatz vom 10. September 1984 an das FG ergebe sich eindeutig, daß er allein eine Lohnsteuer in Höhe von 2 v.H., keinesfalls aber eine in Höhe von 10 v.H. habe tragen wollen. Außerdem habe er dort ausdrücklich darauf hingewiesen, daß seine Aushilfskräfte gar nicht einkommensteuerpflichtig gewesen seien. Ohne eine weitere Sachaufklärung hätte das FG nicht von einer Steuerpflicht der Arbeitnehmer ausgehen dürfen. Es habe damit seine Aufklärungspflicht verletzt. Schließlich sei der Haftungsbescheid aber auch deshalb fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG gegeben seien.

Das FA tritt der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen. Ergänzend führt es aus, im Streitfall sei die in der Landwirtschaft und im Weinbau übliche Nettolohnvereinbarung bei der Besteuerung lediglich mit einem höheren Vomhundertsatz (10 v.H. statt 2 v.H.) vollzogen worden, um die Aushilfskräfte nicht mit Steuern zu belasten.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur ersatzlosen Aufhebung der Vorentscheidung, des Haftungsbescheides und der Einspruchsentscheidung des FA.

Der Senat hat keine Veranlassung, zu der vom FA und vom FG als entscheidungserheblich angesehenen Frage Stellung zu nehmen, ob die Aushilfskräfte des Klägers von Fall zu Fall i.S. des § 40a Abs. 2 EStG tätig waren. Bejaht man nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG, so hätte der Kläger die Besteuerung der Aushilfslöhne zutreffend durchgeführt. Geht man hingegen davon aus, daß im Streitfall die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG nicht erfüllt sind, so ist der Haftungsbescheid deshalb aufzuheben, weil das FA bei der Frage, ob der Kläger vor den Aushilfskräften als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen war, von seinem pflichtgemäß auszuübenden Ermessen keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat.

Entgegen der Ansicht des FG haben der Kläger und die Aushilfskräfte keine Nettolohnvereinbarung getroffen. Angesichts der Erklärung des Klägers, er wolle nur Schuldner einer Lohnsteuer in Höhe von 2 v.H. sein und seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner komme nicht in Betracht, weil ein materieller Steueranspruch in der Person der Aushilfskräfte nicht entstanden sei (Schriftsatz an das FG vom 10. September 1984), konnte das FG nicht zur Annahme einer Nettolohnvereinbarung kommen. Das FG konnte aber auch - wie geschehen - in Fällen einer nach § 40a Abs. 2 EStG fehlgeschlagenen Lohnsteuerpauschalierung nicht eine Nettolohnvereinbarung unterstellen. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß von einer Nettolohnvereinbarung nur dann ausgegangen werden kann, wenn der Abschluß einer derartigen Vereinbarung klar und einwandfrei feststellbar ist (zuletzt Urteil vom 14. März 1986 VI R 30/82, BFHE 147, 91, BStBl II 1986, 886). Derjenige Beteiligte, der sich auf den Abschluß einer Nettolohnvereinbarung beruft, hat diese nachzuweisen. Im Streitfall hatte der Kläger mit den Aushilfskräften die pauschale Besteuerung des Arbeitslohns nach § 40a Abs. 2 EStG vereinbart. Eine solche Vereinbarung ist entgegen der Auffassung des FA keine Nettolohnvereinbarung. Bei der pauschalen Lohnversteuerung wird der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer, die pauschale Lohnsteuer wird nicht für den Arbeitnehmer abgeführt und der Arbeitslohn bleibt bei der Besteuerung des Arbeitnehmers außer Ansatz. Demgegenüber bleibt im Fall einer Nettolohnvereinbarung der Arbeitnehmer weiterhin Schuldner der Steuer, der Lohn ist in die individuelle Jahresbesteuerung des Arbeitnehmers einzubeziehen. Schon wegen dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen verbietet es sich, in der Vereinbarung einer Lohnsteuerpauschalierung nach § 40a EStG - und nur eine solche Vereinbarung ist im Streitfall ersichtlich - zugleich den Abschluß einer Nettolohnvereinbarung zu erblicken.

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger mit seinen Arbeitnehmern vereinbart hatte, bei fehlgeschlagener Pauschalierung eine sich dann ergebende Steuer zu übernehmen.

Der Senat hatte im ersten Rechtsgang die Frage der fehlerfreien Ermessensausübung nicht abschließend beurteilen können, da das FG von seinem damaligen Standpunkt zu Recht hierzu keine entsprechenden Feststellungen getroffen hatte. Der Senat hatte damals in seiner die Sache an die Vorinstanz zurückverweisenden Entscheidung aber ausdrücklich auf sein Urteil in BFHE 136, 224, BStBl II 1982, 710 und damit auch auf sein weiteres Urteil vom 15. November 1974 VI R 167/73 (BFHE 114, 342, BStBl II 1975, 297) sowie auf die in diesen Urteilen zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung hingewiesen. Nach dieser Rechtsprechung kann es bei einem oder wenigen gering beschäftigten und entlohnten Arbeitnehmern geboten sein, von dem Erlaß eines Haftungsbescheides gegen den Arbeitgeber abzusehen, wenn damit gerechnet werden kann, daß ein materieller Steueranspruch gegen die betroffenen Arbeitnehmer nicht entstanden ist, sofern Namen und Anschriften der Arbeitnehmer bekannt sind und nicht von einem leichtfertigen Verhalten des Arbeitgebers bei der unzutreffenden Lohnbesteuerung ausgegangen werden kann. Auf jeden Fall setzt die Inanspruchnahme des Arbeitgebers für die Lohnsteuer nur weniger Arbeitnehmer ausdrückliche Ermessenserwägungen spätestens in der Einspruchsentscheidung voraus (Urteil des Senats vom 20. September 1985 VI R 45/82, BFH/NV 1986, 240).

Im Streitfall sind die Namen und die Anschriften der vier Aushilfskräfte bekannt bzw. konnten dem FA bekannt sein. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger bei der Lohnbesteuerung leichtfertig gehandelt hatte. Da das FA während des gesamten Verfahrens die Inanspruchnahme des Klägers allein unter Hinweis auf eine Nettolohnvereinbarung gerechtfertigt hat, eine solche aber nicht getroffen worden ist, hatte es bei Erlaß des Haftungsbescheides sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die Klage erweist sich daher schon aus diesem Grunde als begründet.