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  BFH-Beschluß vom 14.11.1989 (III B 43/88) BStBl. 1990 II S. 70

Zur Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, daß der Abzug von Kinderbetreuungskosten beiderseits erwerbstätigen und in intakter Ehe lebenden Elternpaaren - abgesehen von der Regelung des § 33c Abs. 5 EStG - versagt ist.

EStG 1986 § 33c; GG Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zusammenveranlagte Eheleute, waren im Streitjahr 1986 beide berufstätig und bezogen als Lehrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Den Antrag der Kläger, für das zum gemeinsamen Haushalt gehörende Kind Kinderbetreuungskosten gemäß § 33c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen, unter denen Kinderbetreuungskosten ausnahmsweise auch bei Ehegatten zu berücksichtigen seien, im Streitfall nicht vorlägen.

Einspruch und Klage, mit denen der Abzug der sog. Kinderbetreuungspauschale von 480 DM (§ 33c Abs. 4 EStG 1986) geltend gemacht wurde, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung u.a. aus: Die Bedenken der Kläger gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 33c EStG griffen nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in dem Beschluß vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u.a. (BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 729) entschieden, daß die zu treffende gesetzliche Neuregelung zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten Alleinstehende mit Kindern steuerlich nicht besser stellen dürfe als Ehepaare mit Kindern. Soweit das Splittingverfahren - im Regelfall - den innerhalb der ehelichen Gemeinschaft zu erbringenden Kinderbetreuungslasten angemessen Rechnung trägt, dürfe deshalb der Abzug zwangsläufiger Kinderbetreuungskosten - nach Kürzung um etwaige anrechenbare Bezüge - alleinstehende Eltern steuerlich nicht stärker entlasten als eine Anwendung des Splittingtarifs. Im Streitfall und im Streitjahr seien jedoch die Kläger durch die Anwendung des Splittingtarifs besser gestellt als ein Alleinerziehender mit einem Kind.

Das FG hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, die diese auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützen.

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Diesem Antrag tritt das FA entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) liegen im Streitfall nicht vor.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (Beschlüsse vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628; vom 4. Juni 1969 VI B 98/68, BFHE 96, 41, BStBl II 1969, 532). Der mit der Zulassung einer Revision angestrebte Zweck kann jedoch nicht verwirklicht werden, wenn eine Entscheidung über die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage nicht zu erwarten ist.

b) Im Streitfall geht es um die Rechtsfrage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist, daß beiderseits erwerbstätige und in intakter Ehe lebende Elternpaare - abgesehen von der Regelung des § 33c Abs. 5 EStG - vom Abzug von Kinderbetreuungskosten ausgeschlossen sind. Der BFH hat sich zu dieser Rechtsfrage bisher nicht geäußert. Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die eingeschränkte Abzugsmöglichkeit von Kinderbetreuungskosten beiderseits erwerbstätiger und in intakter Ehe lebender Elternpaare äußern u.a. Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33c Rz. 16 a); Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33c Anm. 5); Klatt (Der Betrieb - DB - 1985, 298); Klein (Deutsches Steuerrecht - DStR - 1987, 779, 782); Schmidt/Drenseck (Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 33c Anm. 1); anderer Ansicht wohl Blümich/Oepen (Einkommensteuer, Kommentar, § 33c EStG Rdnr. 17 ff.); Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke (Das Einkommensteuerrecht, § 33c EStG Rdnr. 52 a f.); differenzierend Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33c EStG Anm. 133); vgl. auch Beschluß des BVerfG vom 16. Oktober 1984 1 BvR 524/84 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz 1975, Allg. R 25).

c) Bei dieser Meinungsvielfalt ließe sich zwar ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an einer Entscheidung der vom Kläger als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage bejahen. Gegen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung spricht jedoch, daß im Streitfall von einer Entscheidung des Senats eine umfassende Klärung der vom Kläger als von grundsätzlicher Bedeutung angesehenen Rechtsfrage nicht zu erwarten ist. Abgesehen davon, daß die verfassungsrechtliche Problematik wohl allenfalls in Fällen notwendiger beiderseitiger Erwerbstätigkeit von Ehegatten relevant wird (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33c EStG Anm. 133), könnte die Verfassungswidrigkeit des § 33c EStG nur durch das BVerfG aufgrund einer Vorlage der Sache gemäß Art. 100 GG festgestellt werden. Eine solche Vorlage würde jedoch Entscheidungserheblichkeit der Verfassungsfrage voraussetzen. Hieran fehlt es im Streitfall schon deshalb, weil die Kläger, wie das FG im einzelnen ausgeführt hat, im Streitjahr auch ohne Anwendung des § 33c EStG bereits aufgrund der Vorschriften über die Zusammenveranlagung - allein schon wegen der Anwendung des Splittingtarifs und wegen der Verdoppelung der Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen - steuerlich besser gestellt sind, als Alleinerzieher mit einem Kind bei Berücksichtigung des Höchstbetrags für Vorsorgeaufwendungen, des höchstmöglichen Betrags an Kinderbetreuungskosten (§ 33c Abs. 3 EStG: 4.000 DM) sowie bei Gewährung des Haushaltsfreibetrags von 4.536 DM (§ 32 Abs. 7 EStG) und des Kinderfreibetrags in Höhe von 2.484 DM (§ 32 Abs. 6 EStG). Damit ist für den Streitfall dem in der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 729 aufgestellten Postulat genügt, daß die Neuregelung zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten Alleinstehende mit Kindern steuerlich nicht besser stellen dürfe als Ehepaare mit Kindern. Im übrigen ist von Bedeutung, daß das BVerfG in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 726 auch von der Erwägung ausgegangen ist, daß Kinderbetreuungsaufwand von Ehepaaren typischerweise leichter getragen werden könne als von Alleinerziehenden (vgl. auch den Beschluß des BVerfG in StRK, Einkommensteuergesetz 1975, Allg. R 25).

Bei dieser Sach- und Rechtslage erscheint eine Vorlage der Rechtssache an das BVerfG aussichtslos.