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  BFH-Urteil vom 8.11.1989 (I R 174/86) BStBl. 1990 II S. 91

1. Zur fehlenden Beschwer bei einem auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid.

2. Zu den Begriffen "Vorgründungsgesellschaft" und "Vorgesellschaft" im Körperschaftsteuerrecht.

3. Schließt eine Vorgründungsgesellschaft einen Organschaftsvertrag ab, so gehen die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nicht automatisch auf die später gegründete und eingetragene Kapitalgesellschaft über.

FGO § 40 Abs. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 Satz 2, § 14, § 17.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die durch notariellen Vertrag vom 2. September 1975 errichtet wurde. Gegenstand der Klägerin ist der Heizungs- und Lüftungsbau. An dem Stammkapital in Höhe von 20.000 DM waren in den Streitjahren 1976 bis 1978 A und B beteiligt. Beide Gesellschafter wurden zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt. In der notariellen Gründungsurkunde erklärten sie, mündlich abgesprochen zu haben, daß die Klägerin bereits zum 1. Januar 1975 gegründet werden sollte und daß die Geschäfte im Innenverhältnis tatsächlich so gehandhabt worden seien, als sei die Klägerin schon am 1. Januar 1975 errichtet worden.

Vor der Gründung der Klägerin bestand zwischen A und dem Vater des B eine KG, die ebenfalls den Heizungs- und Lüftungsbau betrieb. Als der Vater des B verstarb, wurde dessen Gesellschaftsanteil von einer Erbengemeinschaft übernommen. Als Folge der Erbauseinandersetzung nach dem Vater des B wurde die KG in eine OHG umgewandelt, deren Gesellschafter nur A und B wurden. Die Beteiligten streiten darüber, wann genau die Umwandlung vollzogen wurde.

Nach einem Werkvertrag vom 1. Januar 1975 verpflichtete sich die OHG, der Klägerin Ein- und Vorrichtungen sowie Werkzeuge unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Die Klägerin verpflichtete sich, alle von der OHG angelieferten Materialien und Rohstoffe für diese nach besonderen Fertigungsprogrammen zu verarbeiten. Als Gegenleistung sollte die Klägerin die Erstattung ihrer Fertigungslöhne zuzüglich eines Risikozuschlages von 10 v.H. erhalten.

Die späteren Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin schlossen ferner unter dem Datum des 1. Januar 1975 im Namen der OHG einerseits und der Klägerin andererseits einen Ergebnisabführungsvertrag (Organschaftsvertrag), auf Grund dessen die Klägerin verpflichtet werden sollte, im Innenverhältnis nur für die OHG zu handeln und sich in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht der OHG unterzuordnen. Die Klägerin sollte ihren gesamten Reingewinn an die OHG abführen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte den Organschaftsvertrag nach einer Außenprüfung für die Streitjahre 1976 bis 1978 nicht an, weil es an seiner tatsächlichen Durchführung fehle. Es setzte die Körperschaftsteuer 1976 mit 0 DM fest. Für 1977 und 1978 erließ es am 5. Juni 1981 Körperschaftsteuerbescheide, in denen positive Körperschaftsteuerschulden festgesetzt wurden.

Die Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) auf eine entsprechende Beschwerde hin zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des FG Nürnberg vom 28. Januar 1986 I 303/81 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, zur teilweisen Abweisung der Klage und im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung beruht auf keinen Verfahrensfehlern des FG. Insoweit bedarf die Entscheidung keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).

2. Die Klage der Klägerin wegen Körperschaftsteuer 1976 ist unzulässig. Die Vorentscheidung war insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

a) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, (hier:) durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Daran fehlt es im Streitfall. Das FA setzte in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1976 vom 5. Juni 1981 die Körperschaftsteuer 1976 auf 0 DM fest. Eine entsprechende Steuerfestsetzung bedeutet für den Steuerschuldner regelmäßig keine Beschwer (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 148/72, BFHE 115, 9, BStBl II 1975, 382).

b) Zwar ist anerkannt, daß eine Rechtsverletzung auch bei einer auf 0 DM lautenden Steuerfestsetzung in Betracht kommt, wenn eine Besteuerungsgrundlage für andere Verfahren bindend ist. Daran fehlt es jedoch. Eine Bindung ergibt sich nicht aus der Regelung des § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977. Die nach § 47 Abs. 2 KStG 1977 vorzunehmende fingierte Feststellung des Einkommens und der Tarifbelastung findet erstmalig auf das Einkommen und die Tarifbelastung 1977 Anwendung (§ 54 Abs. 6 KStG 1977).

c) Die Verneinung der Beschwer der Klägerin bedeutet keine Entscheidung über die Bejahung oder Verneinung der Einkünftezurechnung gemäß § 7a KStG 1975. Da es an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt, kommt es zu keiner Sachentscheidung durch die FG. Zwar läßt die fehlende Beschwer die formelle Bestandskraft des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides 1976 eintreten. Die formelle Bestandskraft hat jedoch für sich genommen gegenüber der Klägerin keine belastende Wirkung.

3. Die Klage der Klägerin wegen Körperschaftsteuer 1977 und 1978 ist wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheidungsreif. Die Vorentscheidung war deshalb insoweit aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

a) Nach §§ 14 und 17 KStG 1977 ist das Einkommen einer Organgesellschaft nur dann dem Organträger zuzurechnen, wenn - neben anderen Voraussetzungen - die Organgesellschaft sich durch Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages verpflichtete, ihren ganzen Gewinn an den Organträger abzuführen. Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß das entsprechende Tatbestandsmerkmal einen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag voraussetzt (vgl. BFH-Gutachten vom 27. November 1956 I D 1/56 S, BFHE 64, 368, BStBl III 1957, 139; BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 28/84, BFHE 151, 135, BStBl II 1988, 76; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 14 KStG, Rdnr. 23 ff.; Felix/Streck, KStG, Körperschaftsteuergesetz 1977, 2. Aufl., § 14 Anm. 57; Schmidt/Steppert, Die Organschaft, 3. Aufl., S. 49). Daran fehlt es im Streitfall.

b) Gesellschaftsrechtlich ist zwischen der Vorgründungsgesellschaft, der Vorgesellschaft und der eingetragenen Kapitalgesellschaft zu unterscheiden. Als Vorgesellschaft bezeichnet man die errichtete, aber noch nicht eingetragene Kapitalgesellschaft (hier: GmbH); d.h. die Kapitalgesellschaft im Gründungsstadium (vgl. Scholz/Karsten Schmidt, GmbHGes, 7. Aufl., § 11, Rdnr. 21 m. w. N.). Die Vorgesellschaft setzt also den Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages voraus. Die Vorgründungsgesellschaft ist dagegen in der Regel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck in der gemeinsamen Errichtung einer Kapitalgesellschaft besteht (vgl. Scholz/Emmerich, a.a.O., § 2 Rdnr. 84). Die Vorgründungsgesellschaft bezieht sich deshalb auf die Zeit vor Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages. Die Vorgründungsgesellschaft ist weder mit der Vorgesellschaft noch mit der später entstehenden Kapitalgesellschaft identisch. Rechte und Verbindlichkeiten gehen deshalb nicht automatisch von der Vorgründungsgesellschaft mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages auf die Vorgesellschaft und später mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft auf diese über. Sie müssen vielmehr einzeln übertragen bzw. übernommen werden (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 13. Dezember 1982 II ZR 282/81, BGHZ 86, 122; vom 7. Mai 1984 II ZR 276/83, BGHZ 91, 148; vom 17. Dezember 1984 II ZR 69/84, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1985, 214).

Zwar hat der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1982 I R 118/78, BFHE 137, 265, BStBl II 1983, 247 m. w. N.) in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 2. Mai 1966 II ZR 219/63, BGHZ 45, 338) die Vorgründungsgesellschaft als Vorgesellschaft und die Vorgesellschaft als Gründergesellschaft bezeichnet. Die andere Terminologie hat jedoch keinen Einfluß auf die materielle Entscheidung über die Rechtsfrage. Im übrigen hat der BGH die Terminologie geändert (vgl. BGHZ 91, 148, und GmbHR 1985, 214). Es erscheint dem Senat angebracht, die geänderte Terminologie auch für das Körperschaftsteuerrecht zu übernehmen.

c) Nach den den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde die Klägerin erst am 2. September 1975 durch Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages errichtet. Entsprechend konnte am 1. Januar 1975 nur eine Vorgründungsgesellschaft bestanden haben. Diese Vorgründungsgesellschaft konnte die Klägerin i. S. der §§ 14 und 17 KStG 1977 nicht unmittelbar verpflichten. Vielmehr hätte es insoweit einer Übernahme der Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 1. Januar 1975 durch die Klägerin in der Zeit nach dem 2. September 1975 bedurft. Eine solche Übernahme wurde jedoch von der Klägerin nicht vereinbart.

4. Fehlt es damit an der zivilrechtlichen Verpflichtung der Klägerin, ihren Gewinn an die OHG abzuführen, so konnten die Rechtsfolgen der §§ 14 und 17 KStG 1977 in den Streitjahren 1977 und 1978 nicht eintreten. Die dennoch von der Klägerin abgeführten Gewinne sind verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 einerseits und andere Ausschüttungen i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 andererseits. Damit ist es erforderlich, die Einkommen der Klägerin einerseits und die Herstellung der Ausschüttungsbelastung andererseits zu überprüfen. Dazu fehlen jedoch die erforderlichen Feststellungen. Sie nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Aus diesem Grunde kann die Vorentscheidung insoweit keinen Bestand haben, als sie die Körperschaftsteuer 1977 und 1978 betrifft.