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  BFH-Urteil vom 21.9.1989 (IV R 117/87) BStBl. 1990 II S. 153

Der Beruf der Zolldeklaranten ist weder dem des Rechtsanwalts noch dem des Steuerberaters ähnlich.

EStG § 15, § 18 Abs. 1 Nr. 1.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1982 als selbständiger Zolldeklarant tätig. Er begann seinen beruflichen Werdegang im Jahre 1965 als angestellter Kontrolleur einer Spedition im Hamburger Freihafen. Nach zwei Jahren nahm er eine Anstellung in einem Zollbüro an. Diese Stellung behielt er bis zu seiner Niederlassung im Oktober 1973. Während dieser Zeit besuchte er von der Handelskammer abgehaltene Zollseminare sowie die von der Zollverwaltung vorbereiteten Zollkurse.

Einer Prüfung zum Zolldeklaranten bedurfte es ebensowenig wie einer besonderen Zulassung. Der Kläger meldete seinen Geschäftsbetrieb lediglich mit einer Gewerbeanmeldung beim zuständigen Bezirksamt an.

Der Kläger übt als Zolldeklarant im wesentlichen zwei Aufgaben aus: Zum einen berät er seine Auftraggeber in Fragen des Zollrechts, indem er z.B. prüft, welcher der verschiedenen Zollverkehre für den Kunden am günstigsten ist. Zum anderen bearbeitet er für seine Kunden Zollanträge, Zollanmeldungen und Einfuhranmeldungen. Dabei muß er die Waren tarifieren und den zutreffenden Zollwert angeben. In der Regel tritt er nicht als Antragsteller, sondern als Vertreter auf.

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns für das Jahr 1982 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Gewinn in der erklärten Höhe fest und qualifizierte ihn als gewerblich. Mit einem weiteren Bescheid setzte das FA einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer fest.

Die Klage zum Finanzgericht (FG), mit der der Kläger geltend machte, seine Tätigkeit sei als freiberuflich anzusehen, blieb erfolglos.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid 1982 vom 29. Februar 1984 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Gewinnfeststellung 1982 vom 31. Januar 1984 in der Weise zu ändern, daß die streitbefangenen Einkünfte als solche aus selbständiger Tätigkeit i. S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger keine selbständige Tätigkeit i. S. des § 18 EStG ausübt. Der Kläger gehört unstreitig keinem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten "Katalogberufe" an. Seine Tätigkeit ist einem solchen Beruf auch nicht ähnlich.

1. Ist die Ausübung eines "Katalogberufs" nur aufgrund einer Erlaubnis zulässig, so kann eine Tätigkeit, die ohne Erlaubnis ausgeübt wird, diesem "Katalogberuf" nicht ähnlich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sein. In diesem Sinne hat der Senat durch Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84 (BFHE 148, 42, 46, BStBl II 1987, 124) für den Fall entschieden, daß eine Person Steuerberatung ausübt, ohne die Zulassung zum Steuerberater zu besitzen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) behandelt jedoch in gleicher Weise den Fall, daß es für die Tätigkeit in dem vom Steuerpflichtigen ausgeübten Beruf - im Gegensatz zu demjenigen, mit dem eine Ähnlichkeit geltend gemacht wird - einer Erlaubnis nicht bedarf (Urteil vom 14. März 1975 IV R 207/72, BFHE 115, 265, BStBl II 1975, 576 betr. medizinische Fußpfleger; ebenso: Urteile vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; vom 10. Dezember 1987 IV R 176/85, BFHE 152, 120, BStBl II 1988, 273 betr. im freien Mitarbeiterverhältnis tätigen Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins).

2. Sowohl der Beruf des Rechtsanwalts als auch der des Steuerberaters können nur aufgrund einer besonderen Zulassung ausgeübt werden. Das folgt für den Beruf des Rechtsanwalts aus §§ 6 bis 17 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), für den des Steuerberaters aus §§ 40 bis 56 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Die Zulassung setzt das Bestehen besonderer Prüfungen voraus (§ 4 BRAO, § 35 StBerG). Sie kann infolge von Pflichtverletzungen aufgrund eines berufsgerichtlichen Verfahrens entzogen werden (Ausschließung, § 114 BRAO, § 90 StBerG). Die Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten obliegt den Kammern, in denen Rechtsanwälte und Steuerberater organisiert sind (§§ 60 und 73 BRAO, §§ 73 und 86 StBerG). Der Zolldeklarant unterliegt nach § 4 Nr. 9 Buchst. b StBerG keinem beruflichen Zulassungserfordernis. Er unterliegt auch keiner berufsrechtlichen Kontrolle, die mit der für Rechtsanwälte oder Steuerberater vorgesehenen vergleichbar wäre. Zu Unrecht verweist der Kläger insoweit auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. Die Vorschrift regelt nicht etwa die Aufsicht durch das FA über einen bestimmten Berufsstand, sondern beinhaltet die Befugnis, die Hilfeleistung in Steuersachen zu untersagen. Diese Befugnis dient lediglich der Vollziehung des in § 5 StBerG ausgesprochenen Verbots der unbefugten Steuerberatung. Die Untersagung kann - wie sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ergibt - gegenüber jedermann ausgesprochen werden.

3. Der Streitfall gibt dem Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung, derzufolge eine ohne Zulassung ausgeübte Tätigkeit einer nur mit Zulassung gestatteten Tätigkeit nicht ähnlich sein kann, aufzugeben. Eine ähnliche Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn sie in ihren wesentlichen Punkten mit einem Katalogberuf verglichen werden kann (BFH-Urteil vom 22. Januar 1988 III R 43-44/85, BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497). Ein etwa bestehendes Zulassungserfordernis gehört zu den wesentlichen Merkmalen eines Berufs. Denn die Notwendigkeit der Zulassung, die in erster Linie bei medizinischen und rechtsberatenden Berufen anzutreffen ist, dient dazu, die Qualität der Behandlung oder Beratung, die das Publikum bei einem Angehörigen dieser Berufe voraussetzen kann, zu gewährleisten (vgl. zum Beruf des Steuerberaters Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 27. Januar 1982 1 BvR 807/80, BVerfGE 59, 302, 316). Allerdings erwartet das Publikum etwa beim Heilpraktiker oder Krankengymnasten nicht die gleiche fachliche Qualifikation wie beim Arzt. Ebenso verhält es sich bei den vom Kläger ins Feld geführten Berufen des Rechtsbeistands (§ 4 der 2. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes - 2. RBerV), Rentenberaters, Frachtprüfers oder ähnlicher in Art. 1 & 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) aufgeführten Berater auf einem Teilrechtsgebiet. Gleichwohl sind der Heilpraktiker und der Krankengymnast im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführt, den Rechtsbeistand hat die Rechtsprechung in Einzelfällen als Freiberufler angesehen (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 7. Dezember 1983 VI 718/38, RStBl 1939, 215; BFH-Urteile vom 24. Februar 1965 I 349/61 U, BFHE 82, 46, BStBl III 1965, 263; vom 12. Oktober 1978 I R 69/75, BFHE 126, 209, BStBl II 1979, 64; anders z.B. Urteil vom 18. März 1970 I R 147/67, BFHE 98, 497, BStBl II 1970, 455). Indessen bedarf auch die Ausübung dieser Berufe einer Erlaubnis (vgl. für die rechtsberatenden Berufe Art. 1 § 1 RBerG). Aus diesem Grund hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 152, 120, 123, BStBl II 1988, 273 die Tätigkeit des Beratungsstellenleiters eines Lohnsteuerhilfevereins als mit der eines Rechtsbeistandes nicht vergleichbar angesehen. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Erlaubnis lediglich die erforderliche Zuverlässigkeit voraussetze sowie einen Sachkundenachweis, der leicht zu erbringen sei. Ob der Nachweis der Sachkunde "leicht" zu erbringen ist, ist eine Frage der subjektiven Einschätzung. Jedenfalls kann die Erlaubnis wegen fehlender Sachkunde verweigert werden.

4. Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 20. April 1972 IV R 7/72 (BFHE 105, 370, BStBl II 1972, 615). In jedem Urteil wurde die Tätigkeit eines Referendars, der als freier Mitarbeiter bei einem Rechtsanwalt tätig war, als der des Rechtsanwalts ähnlich angesehen. Dabei hielt es der Senat für unschädlich, daß der Steuerpflichtige nicht zum Rechtsanwalt zugelassen war. Der Referendar wird indessen nicht ohne staatliche Erlaubnis tätig. Er bedarf vielmehr der Ernennung zum Referendar und im Falle seiner Mitarbeit bei einem Rechtsanwalt außerdem der Genehmigung durch den Oberlandesgerichtspräsidenten.

5. Der Senat kann sich schließlich nicht der Argumentation des Klägers anschließen, aus der zunehmenden Anerkennung spezialisierter Rechtsberatungsberufe durch den Gesetzgeber folge, daß diese Berufe den durch § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG privilegierten Rechtsberatungsberufen ähnlich sein müßten. Es steht dem Gesetzgeber frei, Berufsbilder festzulegen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 25. Februar 1969 1 BvR 224/67, BVerfGE 25, 236, 247, m. w. N.). Demnach konnte der Gesetzgeber die Rechtsberatung auf dem Gebiet der Eingangsabgaben ohne eine Art. 1 § 1 RBerG oder § 40 StBerG ähnliche Erlaubnis zulassen, zumal sie - wie der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen hat - mit einer praktisch-kaufmännischen Tätigkeit, nämlich der Bestimmung der Warenart nach dem Augenschein, verbunden ist. Bei der Auslegung des § 18 EStG können die vom Gesetzgeber festgelegten Berufsbilder zugrunde gelegt werden (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224, 239, und vom 18. Januar 1979 1 BvR 531/77, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1979, 204). Daher hat es das BVerfG auch nicht beanstandet, daß die Einkünfte von (erlaubnisfrei tätigen) medizinischen Fußpflegern anders behandelt werden als die von Krankengymnasten, und die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil in BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621 nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 26. November 1976 1 BvR 408/76, HFR 1977, 96).

6. Kann der Beruf des Zolldeklaranten dem des Rechtsanwalts oder Steuerberaters bereits wegen des Fehlens des Zulassungserfordernisses nicht als ähnlich angesehen werden, so kommt es nicht darauf an, ob die nach § 4 Nr. 9 Buchst. b StBerG erlaubnisfreie Rechtsberatung auf dem Gebiet der Eingangsabgaben - wie das FA meint - überhaupt nur gewerblichen Unternehmen gestattet ist, und ob die Tätigkeit des Klägers qualitativ der eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters entspricht. Demnach gehen auch die Verfahrensrügen des Klägers ins Leere.