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  BFH-Urteil vom 25.10.1989 (X R 190/87) BStBl. 1990 II S. 158

Daß Spenden an "kommunale Wählervereinigungen" gemäß § 10b Abs. 2 EStG 1981 vom Abzug ausgeschlossen sind, verstößt nicht gegen das GG.

EStG 1981 § 10b Abs. 2; EStDV § 49 Abs. 1 Satz 2; PartG § 2; GG Art. 3.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1987, 189)

Sachverhalt

Die verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) machten in ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1982 eine Spende an die Freie Wählervereinigung X in Höhe von 300 DM als Sonderausgabe geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ den Aufwand unter Berufung auf den Wortlaut des § 10b des Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 6. Dezember 1981 - EStG 1981 - (BGBl I 1981, 1249, BStBl I 1981, 666) nicht zum Abzug zu.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 189 veröffentlicht ist, abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger, sie seien durch die Regelung des § 10b Abs. 2 EStG 1981 (Spenden nur an politische Parteien, nicht an kommunale Wählergemeinschaften) in ihrem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung verletzt.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid 1982, die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sowie das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuer 1982 unter Berücksichtigung der geleisteten Spende festzusetzen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die von den Klägern geleistete Spende nicht nach § 10b EStG 1981 als Sonderausgabe abziehbar ist.

a) § 10b Abs. 2 EStG 1981 sieht nur den Abzug von Beiträgen und Spenden an politische Parteien i.S. von § 2 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz - PartG -) vor. Gemäß § 2 Abs. 1 PartG setzt die Parteieneigenschaft voraus, daß die Vereinigung dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken will. Nach § 2 Abs. 2 PartG verliert eine Vereinigung ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Der Parteibegriff ist auf diese Weise deutlich auf Vereinigungen beschränkt, die sich aktiv und nachhaltig auf Bundes- oder auf Landesebene betätigen. Wählervereinigungen, die nur auf kommunaler Ebene tätig sind, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. auch BVerfG-Beschluß vom 7. Mai 1957 2 BvH 1/56, BVerfGE 6, 367, 373; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 20. Dezember 1957 VII C 73.57, BVerwGE 6, 96, 99).

b) Beiträge und Spenden an kommunale Wählergemeinschaften können auch nicht als Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke nach § 10b Abs. 1 EStG 1981 steuerlich geltend gemacht werden. Für den Veranlagungszeitraum 1982 (Streitjahr) umschrieb § 49 Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. vom 23. Juni 1982 - EStDV 1981 - (BGBl I 1982, 700, BStBl I 1982, 592) i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 c EStG 1981 und in Übereinstimmung mit der allgemeinen gesetzlichen Zielrichtung die staatspolitischen Zwecke i.S. des § 10b EStG 1981 als solche, die sich auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) und in Berlin (West) richten, und nahm hiervon u.a. ausdrücklich auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkte (politische) Bestrebungen aus. Auch die Begrenzung des Begriffs der staatspolitischen Zwecke auf bundes- und landespolitische Zielsetzungen ist nach Wortsinn und Gesetzeszusammenhang eindeutig (BVerfG-Beschluß vom 15. Januar 1985 2 BvR 1163/82, BVerfGE 69, 92, 105).

2. Der Senat kann sich der Auffassung der Kläger, der Ausschluß von Spenden und Beiträgen an kommunale Wählergemeinschaften aus dem Kreis der nach § 10b EStG 1981 begünstigten Ausgaben verstoße gegen ihr Recht auf gleiche Teilhabe am Prozeß der politischen Willensbildung, nicht anschließen.

a) Zwar sind nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschlüsse in BVerfGE 69, 92; vom 21. Juni 1988 2 BvR 638/84, BVerfGE 78, 350, BStBl II 1989, 67) die Rechte der Bürger auf gleichberechtigte Mitwirkung an der politischen Willensbildung und der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien und Wahlbewerber auch im Vorfeld von Wahlen, insbesondere bei mittelbaren staatlichen Finanzierungshilfen zugunsten der Parteien und der mit ihnen auf kommunaler Ebene konkurrierenden Wählergemeinschaften zu beachten. Sie verbieten jedoch nicht schlechthin jede Differenzierung.

Insbesondere brauche - so das BVerfG - der Gesetzgeber die tatsächlich gegebenen und von ihm vorgefundenen Unterschiede zwischen den Bewerbern und Bewerbergruppen nicht auszugleichen. Da mit jeder Form der steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden für politische Parteien eine gewisse Veränderung der Wettbewerbslage einhergehe, überschreite der Gesetzgeber das ihm für Regelungen dieser Art eingeräumte Ermessen erst dann, wenn die steuerliche Begünstigung ein Ausmaß erreiche, das geeignet sei, die vorgefundene Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien und den kommunalen Wählervereinigungen in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Weise zu verändern. Dabei dürfe er das im Vergleich zu Wählervereinigungen viel weiter gesteckte Tätigkeitsfeld der politischen Parteien, die ihnen vom GG und vom PartG (§ 1) zugedachte Rolle und die daraus folgende Notwendigkeit einer auf Dauer angelegten, hohe Kosten verursachenden überregionalen Organisation berücksichtigen.

b) Hiervon ausgehend kann der Senat in der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537, BStBl I 1980, 581) ab dem Veranlagungszeitraum 1980 vorgenommenen Anhebung der Abzugshöchstbeträge für Spenden und Beiträge an politische Parteien von bis dahin 600 DM bzw. 1.200 DM im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten auf 1.800 DM/3.600 DM keinen Verstoß gegen das Recht der Kläger auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß erkennen (gleicher Ansicht Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 10b EStG Anm. 115; ohne Stellungnahme von Arnim, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 1005, 1007, Fn. 26).

Dabei ist nach Auffassung des Senats bedeutsam, daß die höchstmögliche Steuerersparnis infolge von Zuwendungen an politische Parteien und demgemäß auch die hiervon ausgehende Anreizwirkung auf einen Betrag (ca. 1.000 DM/2.000 DM) beschränkt war, der nicht geeignet erscheint, das Spendenaufkommen der politischen Parteien in einem Maße zu erhöhen, daß diese - im Vergleich zur Rechtslage bis zum Veranlagungszeitraum 1979 (s. BVerfG in BVerfGE 69, 92) - einen erheblich größeren Teil ihrer finanziellen Mittel für Wahlkämpfe im kommunalen Bereich hätten einsetzen können. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Spenden auch im Zusammenhang mit einem Wahlkampf auf örtlicher Ebene gegeben werden. Denn zum einen werden diese Beträge nicht nur für den örtlichen Wahlkampf und für die politische Arbeit in den Kommunen, sondern auch zur Unterstützung der von den Orts- und Kreisverbänden im Rahmen der politischen Willensbildung auf Landes- und Bundesebene wahrgenommenen Aufgaben verwendet (vgl. BVerfG in BVerfGE 69, 92, 112); zum anderen darf der Gesetzgeber bei Regelungen der sog. mittelbaren Parteienfinanzierung berücksichtigen, daß während der Wahlperiode der Gemeindevertretungen die Öffentlichkeitsarbeit der politischen Parteien, soweit sie örtliche Belange betrifft, oft wesentlich intensiver ist als die der Wählervereinigungen und sich hieraus ein geringerer Finanzbedarf dieser Bewerbergruppe ergibt (BVerfG in BVerfGE 78, 350, 362).