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  BFH-Urteil vom 4.10.1989 (II R 49/87) BStBl. 1990 II S. 189

Grundbesitz, den eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer diplomatischen Beziehungen einem fremden Staat zur Errichtung eines Botschaftsgebäudes zur Verfügung stellt, ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrStG von der Grundsteuer befreit.

GrEStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten um die Grundsteuerfreiheit für ein Grundstück, das die Klägerin, die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik), als Eigentümerin 1974 dem Staat X zur Nutzung überlassen hat. Grund hierfür war eine Vereinbarung über die gegenseitige Überlassung von Grundstücken zur Errichtung der Gebäudekomplexe der beiderseitigen Botschaften, welche das Auswärtige Amt der Klägerin durch Verbalnote gegenüber der Botschaft des Staates X bestätigt hatte.

Beim beklagten Finanzamt (FA) beantragte die Klägerin, zum 1. Januar 1975 den das Grundstück betreffenden Einheitswertbescheid und den Grundsteuermeßbescheid aufzuheben.

Das FA lehnte diese Anträge ab. Die Einsprüche wies es zurück.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die ablehnenden Bescheide des FA und die Einspruchsentscheidungen auf. Es verpflichtete das FA, zum 1. Januar 1975 den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermeßbescheid aufzuheben.

Die Klägerin habe das Grundstück 1974 im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit dem Staat X überlassen. Es sei daher gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Steuer befreit. Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie § 20 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und § 20 Abs. 2 Nr. 2 GrStG seien die Bescheide mit Wirkung vom 1. Januar 1975 aufzuheben.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision des FA ist zulässig.

Zwar ist die Revisionsbegründung beim Bundesfinanzhof (BFH) erst am 22. April 1987, einen Tag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (21. April 1987), eingegangen. Dem FA ist jedoch auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil es diese Frist schuldlos nicht einhalten konnte. Nach seiner glaubhaft gemachten Darstellung wurde der Briefumschlag mit der Revisionsbegründung am Mittwoch, dem 15. April 1987, um 18 Uhr als Einschreiben mit Rückschein in Bonn zur Post gegeben. Bei normalem Postlauf hätte der Brief am Dienstag, dem 21. April 1987 - trotz der dazwischen liegenden Osterfeiertage -, beim BFH eintreffen müssen.

2. Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß das Grundstück ab 1. Januar 1975 gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 GrStG von der Grundsteuer befreit ist. Die Klägerin als inländische juristische Person des öffentlichen Rechts benutzt im Sinne dieser Vorschriften das Grundstück unmittelbar für den öffentlichen Dienst oder Gebrauch.

Öffentlicher Dienst oder Gebrauch im Sinne des GrStG ist u.a. die hoheitliche Tätigkeit (§ 3 Abs. 2 GrStG). Die Klägerin stellt das Grundstück entsprechend der (durch die Verbalnote bestätigten) Vereinbarung über die gegenseitige Überlassung von Grundstücken zur Errichtung von Botschaftsgebäuden dem Staat X zur Verfügung und erfüllt damit eine öffentlich-rechtliche Aufgabe (Hoheitsaufgabe), nämlich die Pflege der Beziehungen zu einem auswärtigen Staat (Art. 32 Abs. 1 des Grundgesetzes); denn die vorgenannte Vereinbarung hat sie im Rahmen ihrer diplomatischen Beziehungen zu dem Staat X abgeschlossen. Damit benutzt sie ihr Grundstück unmittelbar für einen eigenen öffentlichen Dienst oder Gebrauch.

Das FA meint, nach geltendem Recht stehe die Nutzungsüberlassung inländischen Grundbesitzes für Botschaftszwecke fremder Staaten jedem Grundstückseigentümer offen; sie sei nicht der Klägerin vorbehalten. Daraus folge, daß es sich bei der Überlassung des Grundstücks für die Botschaft des Staates X nicht um eine hoheitliche Tätigkeit im Sinne der Befreiungsvorschriften des GrStG handeln könne.

Dieser Einwand ist unbegründet.

Die Art der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe braucht der betreffenden juristischen Person nicht vorbehalten zu sein. Entscheidend ist, daß die Klägerin ihr Grundstück nicht auf privatrechtlicher Grundlage, sondern auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarung dem Staat X überläßt. Es kommt somit nicht darauf an, ob die der Allgemeinheit dienende Tätigkeit der juristischen Person außerhalb hoheitlicher Tätigkeit auch von einer Privatperson geleistet werden könnte. Deshalb ist im vorliegenden Fall die Steuerbefreiung nicht dadurch ausgeschlossen, daß auch ein Dritter auf privatrechtlicher Grundlage dem Staat X ein geeignetes Grundstück hätte zur Verfügung stellen können.