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  BFH-Urteil vom 6.12.1989 (II R 18/87) BStBl. 1990 II S. 221

Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 gilt nur für inländische Familienstiftungen und -vereine.

ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9; ErbStRG 1974 Art. 7.

Vorinstanz: FG München (EFG 1987, 256)

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt aus der zum 1. November 1983 vollzogenen Auflösung einer nach Schweizer Recht gegründeten Familienstiftung mit Sitz in Freiburg (Schweiz) eine Ausschüttung in Höhe von umgerechnet 1.284.540 DM, die das beklagte Finanzamt (FA) nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) durch Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung der Schenkungsteuer nach Steuerklasse I unterwarf. Durch Änderungsbescheid vom 30. Januar 1985 erhöhte das FA die Schenkungsteuer unter Anwendung der Steuerklasse II auf 271.590 DM. Dieses Vorgehen begründete das FA damit, daß die Vergünstigung des Art. 7 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (ErbStRG 1974) bei der Auflösung ausländischer Familienstiftungen nicht Platz greife.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Änderungsbescheids beantragt. Die Klage hatte Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 256).

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision hat das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Auf den Erwerb der Klägerin, der nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer unterliegt, findet die Sondervorschrift des Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 entgegen der Auffassung des FG keine Anwendung. Sie gilt nicht für den Erwerb anläßlich der Auflösung einer ausländischen Familienstiftung.

Gemäß Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 wird der Besteuerung der zuletzt Berechtigten bei Auflösung einer Stiftung oder eines Vereins i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 vor dem 1. Januar 1984 der Vomhundertsatz der Steuerklasse I zugrunde gelegt. In dem in Bezug genommenen § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 ist geregelt, daß die dort näher umschriebenen Stiftungen und Vereine (Familienstiftungen und -vereine) in Zeitabständen von je 30 Jahren einer besonderen Erbschaftsteuer (Erbersatzsteuer) unterliegen. Stiftungen und Vereine i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974, deren Auflösung über Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 zur Anwendung der Steuerklasse I auf den Erwerb der zuletzt Berechtigten führt, sind danach die der Erbersatzsteuer unterliegenden Familienstiftungen und -vereine.

Der Erbersatzsteuer unterliegen aufgrund des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 nur inländische Familienstiftungen und -vereine. Auch wenn die nähere Regelung der persönlichen Steuerpflicht hinsichtlich der Erbersatzsteuer nicht bereits in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 geregelt ist, meint Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 nur die Familienstiftungen und -vereine, die der Erbersatzsteuer unterliegen. Deren Auflösung soll durch Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 erleichtert werden. Da ausländische Familienstiftungen und -vereine - wie bisher - keiner Erbersatzsteuer unterliegen, bestand und besteht keine Notwendigkeit, auch die Auflösung dieser Stiftungen und Vereine steuerlich besonders zu erleichtern.

Die genannte Zielsetzung des Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 läßt sich auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift entnehmen. Während der zweiten Lesung des ErbStRG 1974 wurde im Bundestag die Verbindung hergestellt zwischen der erstmaligen Erhebung der Erbersatzsteuer und der ermäßigten Besteuerung der Bezugsberechtigten bei vorheriger Auflösung der betroffenen Stiftungen und Vereine (vgl. die Verhandlung des Deutschen Bundestages, 69. Sitzung vom 6. Dezember 1973, S. 4128 linke Spalte, vorletzter Absatz).

Aus Art. 7 Satz 2 ErbStRG 1974 ist nicht auf eine weite Auslegung des Satzes 1 zu schließen, wie dies das FG meint. Satz 2 gilt erkennbar nur in den Fällen des Satzes 1. Es sollte vermieden werden, daß bei der begünstigten Auflösung einer inländischen Familienstiftung bis zum 31. Dezember 1983 trotz der Sondervorschrift gegenüber dem früheren Recht eine Verschlechterung eintrat. Eine Verschlechterung kann zwar auch bei der Auflösung einer ausländischen Familienstiftung eintreten, für die Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 nicht gilt. Das bedeutet aber nicht, daß der Gesetzgeber auch in diesen Fällen das Wahlrecht des Satzes 2 einräumen wollte. Erst recht ergeben sich daraus keine durchschlagenden Argumente für eine Anwendung des Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 auf die Auflösung ausländischer Familienstiftungen.

Auch der Gleichheitssatz gebietet es nicht, Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974 verfassungskonform dahin auszulegen, daß diese Vorschrift auch auf ausländische Familienstiftungen und -vereine anwendbar ist. Die inländischen Bezugsberechtigten von Familienstiftungen zahlen zwar bei Auflösung einer ausländischen Familienstiftung eine höhere Steuer als bei Auflösung einer inländischen Familienstiftung. Gleichwohl rechtfertigt es der Zweck des Art. 7 Satz 1 ErbStRG 1974, nur die Auflösung sonst der Erbersatzsteuer unterliegender inländischer Familienstiftungen steuerlich zu begünstigen.

Es ist auch ein im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beachtender Unterschied, ob eine inländische Familienstiftung aufgelöst wird, um der Erbersatzsteuer zu entgehen, oder ob eine ausländische Familienstiftung, der die Erbersatzsteuer nicht droht, aufgelöst wird. Entgegen der Auffassung des FG ist es deshalb verfassungsrechtlich nicht entscheidend, daß auch eine inländische Familienstiftung, die innerhalb der gesetzlichen Frist aufgelöst wird, wie eine ausländische Familienstiftung nicht mehr der Erbersatzsteuer unterliegt.

Der Senat entscheidet selbst in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.