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  BFH-Urteil vom 9.8.1989 (I R 88/85) BStBl. 1990 II S. 224

Wächst den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG der Anteil eines Komplementärs infolge Erbfalls zu, so ist weder ein Tatbestand i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 verwirklicht noch eine Leistung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 bewirkt.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 5 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1985, 410)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine AG & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 4. Dezember 1962 waren unmittelbar vor dem 26. Oktober 1973 persönlich haftende Gesellschafter R sowie die R-AG, eine nach schweizerischem Recht gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz. Kommanditisten waren die Ehefrau des R und seine fünf Kinder.

R verstarb am 26. Oktober 1973. Für diesen Fall sah der Gesellschaftsvertrag vom 4. Dezember 1962 vor, daß die Klägerin nicht aufgelöst, sondern mit den Erben des R fortgesetzt werden sollte. Allerdings sollten die Erben die Rechtsstellung von Kommanditisten erhalten. Entsprechend wurde am 23. Juni 1977 zum Handelsregister angemeldet, daß die Einlage des verstorbenen R auf seinem Festkapitalkonto in Höhe von 205.000 DM zu je 1/6 auf die oben genannten Kommanditisten als Erben übergegangen sei und die Kommanditanteile der Erben um je 34.166,67 DM erhöht habe.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der Erhöhung der Gesellschaftsanteile der Kommanditisten einen im Jahre 1973 verwirklichten und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1972) gesellschaftsteuerpflichtigen Vorgang. Er setzte mit Bescheid vom 3. Januar 1978 die Gesellschaftsteuer auf 2 v.H. von 205.000 DM = 4.100 DM fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, sie sei keine Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972, weil die Gesellschafter der schweizerischen R-AG ihre Gesellschaftsanteile nicht ohne vorherige Zustimmung an Dritte hätten veräußern können (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972). Dazu verwies die Klägerin auf die Statuten der R-AG.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 410 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1972.

Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Köln vom 24. August 1984 VII (XVI) 177/80 KpV aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Allerdings trägt die Begründung des FG dessen Entscheidung nicht.

a) Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 gelten als Kapitalgesellschaften i.S. des KVStG 1972 auch Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine der in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaften gehört. Dazu hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise festgestellt, daß die R-AG am 26. Oktober 1973 Komplementärin der Klägerin war. Die R-AG war eine nach schweizerischem Recht gegründete AG mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, deren Statuten vorsahen, daß jede Übertragung von Aktien zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der Generalversammlung der Gesellschaft bedurfte. Aus dieser Feststellung ergibt sich allein noch nicht, ob die R-AG eine Gesellschaft i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KVStG 1972 war, die Erwerbszwecke verfolgte und deren Aktionäre ihre Anteile ohne vorherige Zustimmung an Dritte veräußern konnten und für Schulden der AG nur bis zur Höhe ihrer Einlage hafteten.

b) Das FG hat zutreffend die "vorherige Zustimmung" i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 entsprechend den §§ 182 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgelegt. Die Gesellschaftsteuer knüpft an Vorgänge des bürgerlichen Rechts. Soweit das KVStG 1972 deshalb zivilrechtliche Begriffe verwendet, sind sie im Zweifel in ihrem zivilrechtlichen Sinne zu verstehen. Ob deshalb allerdings unter einer "vorherigen Zustimmung" nur eine Einwilligung i.S. des § 183 BGB verstanden werden kann, ist fraglich. Das Zivilrecht verwendet den Zustimmungsbegriff in unterschiedlichem Sinne (vgl. §§ 1643 und 1819 ff. BGB; §§ 133 ff. der Konkursordnung - KO -). § 15 Abs. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verwendet den Begriff "Genehmigung" als Oberbegriff für die vorherige und nachträgliche Zustimmung (vgl. Scholz/Winter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rdnr. 95; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 12. Aufl., § 15 Rdnr. 19 ff.; Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Aufl., § 15 Rdnr. 40). Zu beachten ist auch, daß das Wort "vorherige" dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG entnommen ist, jedoch dort im Zusammenhang mit der "vorherigen Genehmigung" steht. Die Frage bedarf jedoch letztlich keiner abschließenden Entscheidung, weil die §§ 182 ff. BGB das Zustimmungserfordernis nur für den Fall vorsehen, daß das Gesetz sie für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes voraussetzt, das einem anderen gegenüber vorzunehmen ist (vgl. Flume, Allg. Teil des BGB, Bd. II, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl., S. 886; MünchKomm - Thiele, vor § 182 Rdnr. 10 ff. und 13 ff.). Das FG hätte deshalb anhand des schweizerischen Aktienrechts in tatsächlicher Hinsicht feststellen müssen, ob die Wirksamkeit der Abtretung von Aktien z.B. nach Art des § 15 Abs. 5 GmbHG von der Zustimmung durch die Generalversammlung der AG abhängig gemacht werden kann. Entsprechende Feststellungen des FG fehlen. Der erkennende Senat kann sie nicht in eigener Zuständigkeit nachholen, weil das schweizerische Recht irrevisibles Recht ist (vgl. § 118 Abs. 1 FGO). Die Feststellung irrevisiblen Rechts zählt aber zu dem Bereich tatsächlicher Feststellungen, die dem FG obliegen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 44, m.w.N.).

2. Die Klage ist jedoch aus einem anderen Grunde begründet. Durch die Anwachsung der vermögensmäßigen Beteiligung des R auf die Kommanditisten wurde kein gesellschaftsteuerpflichtiger Vorgang i.S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 KVStG 1972 verwirklicht.

a) Eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 scheidet deshalb aus, weil die Kommanditisten mit der Anwachsung keine neuen Gesellschaftsrechte erwarben. Der Senat hat zuletzt in seinem Urteil vom 24. August 1988 I R 216/84 (BFHE 155, 146, BStBl II 1989, 48) ausgeführt, daß der Kommanditist immer nur einen Anteil am Gesellschaftsvermögen hält (§ 718 Abs. 1 BGB) und damit auch nur ein Gesellschaftsrecht i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 besitzt. Das Gesellschaftsrecht umfaßt die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Kommanditisten insgesamt. Dies gilt auch dann, wenn dem Kommanditisten die vermögensmäßige Beteiligung eines anderen Gesellschafters anwächst (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 1989 I R 214/84, BFHE 156, 264, BStBl II 1989, 570). Der Kommanditist besitzt deshalb vor und nach der Anwachsung ein und dasselbe Gesellschaftsrecht. Die Anwachsung führt zu keinem Ersterwerb eines Gesellschaftsrechts. Durch sie verändert sich nur der Wert des Gesellschaftsrechts, das der Kommanditist schon vorher besaß.

b) Eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 scheidet ebenfalls aus, weil die Anwachsung keine Leistung des Kommanditisten an die Klägerin ist, die aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wurde. Die Anwachsung läßt das Vermögen der Gesellschaft unverändert. Verändert wird nur das Beteiligungsverhältnis der Gesellschafter an dem Vermögen. Diese Veränderung des Beteiligungsverhältnisses ist jedoch keine Kapitalzufuhr von außen. Zwar steht es nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KVStG 1972 der Leistung eines Gesellschafters gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt. Jedoch ist auch dieser Tatbestand nicht erfüllt, weil für die Kommanditisten hinsichtlich der Anwachsung nie eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft bestand. Die Anwachsung bezieht sich auch insoweit nur auf die Beteiligung an dem bereits vorher vorhandenen Gesellschaftsvermögen (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB).

c) Aus den unter II.2.b genannten Gründen fehlt es auch an einer Leistung der Kommanditisten i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 KVStG 1972.

3. Wurde aber durch den Erbfall kein gesellschaftsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht, so war der erlassene Steuerbescheid rechtswidrig. Das FG hat ihn im Ergebnis zutreffend aufgehoben. Deshalb ist die Revision unbegründet.