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  BFH-Urteil vom 8.11.1989 (I R 187/85) BStBl. 1990 II S. 242

1. Versorgungs- und Verkehrsbetriebe einer juristischen Person des öffentlichen Rechts können für Zwecke der Besteuerung auch dann zusammengefaßt werden, wenn sie nicht eng wechselseitig technischwirtschaftlich verflochten sind.

2. Eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts betriebene öffentliche Tiefgarage ist ein dem öffentlichen Verkehr dienender Betrieb i. S. des § 4 Abs. 3 KStG 1977.

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1986, 143)

Sachverhalt

I.

Der Eigenbetrieb "Stadtwerke A" versorgt die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Stadtgemeinde, mit Gas und Wasser. Im Jahre 1979 errichtete die Klägerin eine Tiefgarage. Da der Regierungspräsident mehrfach die unzureichende Eigenkapitalausstattung des Eigenbetriebs "Stadtwerke A" beanstandet hatte, beschloß der Rat der Stadt A am 27. November 1978, die Tiefgarage zwecks Kapitalerhöhung in die Stadtwerke einzulegen. Die Tiefgarage wurde danach als Abteilung der Stadtwerke geführt. Der von den Stadtwerken im Jahre 1979 erzielte Überschuß verringerte sich durch den aus dem Betrieb der Tiefgarage entstandenen Verlust in Höhe von 250.191,90 DM.

Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahre 1981 vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß beide Betriebe steuerlich nicht zusammengefaßt werden könnten, da es an einer wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung fehle und die Tiefgarage auch nicht als Verkehrsbetrieb zu qualifizieren sei. Das FA folgte der Auffassung der Außenprüfung und erließ am 16. Dezember 1982 den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1979, in dem der Gewinn der Stadtwerke ohne Einbeziehung des Verlustes aus der Tiefgarage ermittelt wurde. Der Bescheid wurde an die Klägerin zu Händen des für die Stadtwerke zuständigen Stadtdirektors adressiert. Mit Zustimmung des FA erhob die Klägerin gegen den Bescheid Sprungklage.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, den Körperschaftsteuerbescheid vom 16. Dezember 1982 und das Urteil des FG vom 17. Juli 1985 aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1979 auf 227.535 DM herabzusetzen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. 1. Das Gas- und Wasserwerk und die Tiefgarage erfüllen bei getrennter Betrachtung die Voraussetzungen je eines Betriebs gewerblicher Art. Die Einrichtungen dienen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft. Sie heben sich auch nach der Art der Tätigkeit und nach den dabei erzielten Umsätzen aus der Gesamtbetätigung der Klägerin heraus (§ 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977).

Es handelt sich nicht um hoheitliche Betätigungen. § 4 Abs. 3 KStG 1977 stellt klar, daß Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser, Elektrizität oder Wärme und die dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienenden Einrichtungen Betriebe gewerblicher Art und keine Hoheitsbetriebe sind. Für einen öffentlichen Parkplatz einer Gemeinde hat der Senat im Urteil vom 22. September 1976 I R 102/74 (BFHE 120, 53, BStBl II 1976, 793) eine hoheitliche Betätigung verneint. Entsprechendes gilt für eine von der Gemeinde betriebene Tiefgarage.

2. Die Tiefgarage ist ein dem öffentlichen Verkehr dienender Betrieb i. S. des § 4 Abs. 3 KStG 1977. Der Reichsfinanzhof (RFH) hat sich im Urteil vom 21. April 1925 II A 140/25 (RFHE 16, 132, RStBl 1925, 155) mit der Auslegung des Begriffs "öffentlicher Verkehr" i. S. des § 4 Abs. 1 Buchst. b des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1922 befaßt. Er gelangte unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift zu dem Ergebnis, daß der Gesetzgeber mit diesem Begriff den Verkehr als Gegenstand der öffentlichen Verkehrspolitik, also der Mitgestaltung des Verkehrs durch gesetzgebende Organe und die öffentliche Verwaltung verstanden habe. Dieser Auslegung hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) für den gleichlautenden Begriff des § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959/1972 angeschlossen (Urteil vom 15. Oktober 1975 II R 144/72, BFHE 117, 297, BStBl II 1976, 219). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung auch für die Auslegung des Begriffs "öffentlicher Verkehr" in § 4 Abs. 3 KStG 1977. Mit der Kennzeichnung des Verkehrs als "öffentlich" wollte der Gesetzgeber nicht die mögliche Beteiligung aller am Verkehr zum Ausdruck bringen, sondern die Verkehrsgestaltung durch staatliche Organe oder Einrichtungen. Der Begriff umfaßt zwar auch die Beförderung von Personen und Gütern, deckt aber in einem umfassenderen dynamischen Sinn alle Bestrebungen der öffentlichen Hand zur Anpassung des Gesamtverkehrs an die sich entwickelnden Verhältnisse ab (BFH in BFHE 117, 297, BStBl II 1976, 219). Dazu gehört auch der Individualverkehr auf öffentlichen Straßen und die Bereitstellung von Flächen, die dem ruhenden Verkehr zum Parken zur Verfügung stehen (BFH in BFHE 117, 297, BStBl II 1976, 219).

Die Tiefgarage der Klägerin diente in diesem Sinne dem "öffentlichen Verkehr". Sie nahm den ruhenden Verkehr auf, der sonst den innerstädtischen Verkehrsfluß behindert hätte.

B. Stadtwerke und Tiefgarage konnten mit steuerlicher Wirkung zu einem Betrieb gewerblicher Art zusammengefaßt werden.

1. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß jeder Betrieb gewerblicher Art körperschaftsteuerrechtlich grundsätzlich getrennt zu beurteilen ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1977 sind Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Das bedeutet zwar nicht, daß ein wirtschaftlich und technisch abzugrenzender Teil der Betätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts selbständiges Subjekt der Körperschaftsteuer ist. Subjekt der Körperschaftsteuer ist die Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 7/77, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Aus der Teil-Verselbständigung des einzelnen Betriebs in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1977 folgt aber, daß jeder Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für Zwecke der Körperschaftsteuer grundsätzlich für sich zu betrachten ist. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Steuersubjekt wegen jedes einzelnen Betriebs. Das Einkommen der einzelnen Betriebe ist gesondert zu ermitteln und die Körperschaftsteuer ist gesondert festzusetzen (BFH in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können jedoch verschiedene Betriebe gewerblicher Art zu einer Einheit und zu einheitlicher Gewinnermittlung zusammengefaßt werden, wenn zwischen den Betrieben objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung besteht (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 16. Januar 1967 GrS 4/66, BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240). Die Zusammenfassung mehrerer Versorgungsbetriebe ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ohne wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung anerkannt worden, da die in ihnen geübten Betätigungen dem gleichen Gedanken, nämlich der Versorgung der Bevölkerung, untergeordnet sind (vgl. BFH-Urteile vom 28. Februar 1956 I 5/54 U, BFHE 62, 361, BStBl III 1956, 133; vom 10. Juli 1962 I 164/59 S, BFHE 75, 498, BStBl III 1962, 448; vom 6. August 1962 I 65/60 U, BFHE 75, 502, BStBl III 1962, 450; vom 8. Februar 1966 I 212/63, BFHE 85, 213, BStBl III 1966, 287; Beschluß in BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240; Urteil vom 12. Juli 1967 I 267/63, BFHE 89, 416, BStBl III 1967, 679). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.

3. Zur Zusammenfassung von Betrieben, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme dienen, mit Verkehrsbetrieben liegen höchstrichterliche Entscheidungen nicht vor (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 KStG Anm. 80). Die Steuerverwaltung erkennt auch insoweit eine Zusammenfassung ohne wechselseitig technisch-wirtschaftliche Verflechtung steuerlich an (vgl. Abschn. 5 Abs. 9 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1985, BStBl I 1986, Sonder-Nr. 1 S. 53). Diese - auch vom FG vertretene - Auffassung entspricht der Rechtslage (ebenso: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 4 KStG Anm. 80; Felix/Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 4 Anm. 15; Lammsfuß in Kläschen, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr. 24). Auch die dem öffentlichen Verkehr dienenden Betriebe sind Versorgungsbetriebe im weiteren Sinne. Sowohl Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme (Versorgungsbetriebe im engeren Sinne) als auch Verkehrsbetriebe sollen Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu tragbaren Bedingungen erfüllen. Aus diesem Grunde verwandte das Körperschaftsteuerrecht früher einen auch die Verkehrsbetriebe umfassenden Begriff des "Versorgungsbetriebs". § 7 Abs. 1 KStG vom 10. August 1925 (RGBl I 1925, 208) lautete in dem für die Entscheidung wesentlichen Satz:

"Als Versorgungsbetrieb im Sinne des § 2 Nr. 3b gelten solche Betriebe oder Verwaltungen, denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas oder Elektrizität obliegt oder die dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen."

Dieser umfassende Begriffsinhalt galt im Körperschaftsteuerrecht auch noch nach Inkrafttreten des KStG vom 16. Oktober 1934 (RGBl 1934, 1031, RStBl 1934, 1287). In § 39 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 - StAnpG - (RGBl I 1934, 925, 940) war der Versorgungsbetrieb wie folgt definiert:

"Öffentliche Versorgungsbetriebe im Sinne des Absatzes 1 sind Betriebe des Reichs, eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder eines Zweckverbandes, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen."

Die Vorschrift regelte zwar nicht die Körperschaftsteuerpflicht oder -befreiung der Versorgungsbetriebe, sondern die Zuweisung des Körperschaftsteueraufkommens an die Trägergemeinden. Sie zeigt jedoch die auch nach Aufhebung des KStG 1925 fortdauernde Auffassung vom Versorgungsbetrieb als einer auch die öffentlichen Verkehrsbetriebe umfassenden Einrichtung (vgl. Mirre/Dreuter, Körperschaftsteuergesetz 1934, Kommentar, § 1 Anm. 26b).

Aus dem Fehlen einer entsprechend umfassenden Definition im KStG 1977 ist keine andere Betrachtung abzuleiten. Nach der Aufhebung der für Versorgungsbetriebe im weiteren Sinne geltenden Vergünstigungen des KStG 1925 und des StAnpG 1934 bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung mehr, den Begriff des "Versorgungsbetriebs" gesetzlich zu definieren. Es genügte, zunächst in der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung - KStDV - (§ 2 KStDV 1934, § 2 KStDV 1968) und später in § 4 Abs. 3 KStG 1977 enumerativ klarzustellen, daß die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme und dem öffentlichen Verkehr dienenden Betriebe nicht als Hoheitsbetriebe anzusehen sind.

Für einen auch heute noch geltenden umfassenden Begriff des Versorgungsbetriebs spricht ferner die Definition des Begriffs in § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG vom 17. November 1972 (BGBl I 1972, 2.129, BStBl I 1972, 532). § 7 Abs. 1 Nr. 2 definiert den Versorgungsbetrieb in gleicher Weise wie § 39 StAnpG 1934. Die Vorschrift lautet auszugsweise.

"..., die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen (Versorgungsbetriebe), wenn ..."

4. Da sowohl die Versorgungsbetriebe im engeren Sinne als auch die Verkehrsbetriebe wegen gleichartiger Ziele vergleichbar und Versorgungsbetriebe im weiteren Sinne sind, konnten die Stadtwerke und der Tiefgaragenbetrieb für Zwecke der Besteuerung zusammengefaßt werden. Da die Tiefgarage als Verkehrsbetrieb anzusehen ist (vgl. oben Abschn. A. 2.) und ebenso wie das Gas- und Wasserwerk als Versorgungsbetrieb im weiteren Sinne anzusehen ist, bedarf es keiner Prüfung, ob zwischen beiden Betrieben eine wechselseitige technischwirtschaftliche Verflechtung besteht.

Diese Auffassung entspricht auch der in § 8 (früher § 23) der Eigenbetriebsverordnung Nordrhein-Westfalen i. d. F. der Bekanntmachung vom 1. Juni 1988 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 1988, 324) vorgesehenen Zusammenfassung von Versorgungsbetrieben im engeren Sinne mit Verkehrsbetrieben.

C. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die Feststellungen des FG lassen eine Überprüfung des klägerischen Antrags, die Körperschaftsteuer 1979 auf 227.535 DM herabzusetzen, nicht zu. Wenn der aus dem Betrieb der Tiefgarage entstandene Verlust von 250.191,90 DM mit dem Überschuß aus dem Betrieb des Gas- und Wasserwerks saldiert würde, ergibt sich nicht die von der Klägerin errechnete Körperschaftsteuer 1979. Das FG wird Sie entsprechenden Feststellungen noch ergänzen und dann auf der Grundlage des Revisionsurteils über die Klage zu entscheiden haben.