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  BFH-Urteil vom 24.11.1989 (VI R 92/88) BStBl. 1990 II S. 315

Ein 15 %iger Zeitzuschlag, den ein angestellter Krankenhausarzt für ärztliche Bereitschaftsdienste erhält, wird auch dann nicht für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt, wenn die Bereitschaftsdienste überwiegend zu diesen Zeiten anfallen. Auch wenn die auf Sonntage, Feiertage und Nachtzeit entfallenden Bereitschaftsdienste festgestellt werden können, sind die entsprechenden Zuschläge deshalb nicht steuerfrei.

EStG § 3b.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1987, 497)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr an einem Krankenhaus als Arzt angestellt. Er erhielt für den ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1982 eine Bruttovergütung von 8.780,88 DM. Hierin war ein 15 %iger Zeitzuschlag zur normalen Stundenvergütung enthalten. Nach einer Bescheinigung der Personalabteilung des Krankenhauses entfielen von der Bruttovergütung auf den Nachtdienst 4.681,04 DM und auf den Dienst an Sonn- und Feiertagen 1.974,54 DM.

Mit der Klage wandte sich der Kläger dagegen, daß der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Vergütung für Nachtdienste und Dienste an Sonn- und Feiertagen von insgesamt 6.655,58 DM in voller Höher als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt hat. Er beantragte, hiervon 868,12 DM als steuerfrei Einnahmen zu behandeln.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 497 veröffentlichten Urteil im wesentlichen folgendes aus:

Gemäß § 3b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien gesetzliche oder tarifvertragliche Zuschläge steuerfrei, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt würden. Weitere Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Zuschläge sei u.a., daß die Zuschläge in einem Gesetz oder in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt seien. Nach § 3b Abs. 2 EStG hingegen seien Zuschläge, die in anderen Fällen für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt würden, nur in bestimmter Höhe steuerfrei. Pauschale Zuschläge für den Bereitschaftsdienst eines Arztes seien danach jedenfalls nach § 3b Abs. 2 EStG insoweit steuerfrei, als sie für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtdienste tatsächlich gezahlt worden seien.

Sinn und Zweck der in § 3b EStG geregelten Steuerbefreiung sei es, für Arbeitnehmer einen Ausgleich für besondere Belastungen und Erschwernisse zu schaffen, die dadurch entstünden, daß Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus störten. Die Vorschrift lasse dementsprechend alle Zuschläge, die tarifvertraglich oder gesetzlich geregelt seien, steuerfrei, andere Zuschläge jedoch nur in den in § 3b Abs. 2 EStG festgelegten Grenzen. Berücksichtige man ferner, daß Bereitschaftsdienste schon vom Begriff her außerhalb der regelmäßigen Dienstzeiten zu erbringen seien und somit zwangsläufig überwiegend nachts, sonntags oder feiertags anfielen, so wäre es weder mit dem Sinn und Zweck noch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar, tatsächlich für diese Zeiträume gezahlte Zuschläge der Besteuerung zu unterwerfen.

Die Voraussetzungen des § 3b Abs. 2 EStG seien im Streitfall erfüllt. Insbesondere seien die Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt worden. Denn entsprechend der Bestätigung der Personalabteilung sei unstreitig, daß dem Kläger für Sonntags-, Feiertags- und Nachtdienste 6.655,58 DM gezahlt worden seien und daß darin ein 15 %iger Zeitzuschlag zur normalen Stundenvergütung enthalten sei. Der Umstand, daß der Zuschlag von 15 % auch für Bereitschaftsdienste gezahlt werde, die nicht sonntags, feiertags oder nachts geleistet würden, stehe der Steuerfreiheit der Zuschläge nicht entgegen. Denn die für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtdienste gezahlten Zuschläge seien von den sonstigen Zuschlägen für andere Bereitschaftsdienste aufgrund der Bestätigung der Personalabteilung des Krankenhauses abgegrenzt.

Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt das FA die Verletzung des § 3b Abs. 2 EStG. Es trägt im wesentlichen vor:

Indem das FG die nur rechnerische Abgrenzung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge von den sonstigen Zuschlägen ausreichen lasse, stelle es die restriktive Auslegung des § 3b EStG überhaupt in Frage. Nach ständiger Rechtsprechung der FG und der herrschenden Meinung im Schrifttum sei jedoch das Tatbestandsmerkmal "tatsächlich geleistet" in § 3b EStG dahingehend auszulegen, daß es nicht ausreiche, tatsächlich Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet zu haben, sondern daß die Beziehung zwischen Zuschlag und Tätigkeit eindeutig und im einzelnen nachweisbar sein müsse. Deshalb hätte das FG über die Arbeitsvereinbarungen des Klägers hinsichtlich der Mehrarbeitsvergütungen, der Höhe des Grundlohns und der Ausgestaltung sowie der Höhe der Zuschläge im einzelnen Beweis erheben müssen.

Zwar stehe die pauschale Abgeltungsweise der Steuerfreiheit grundsätzlich nicht entgegen, jedoch gelte dies nur dann, wenn den in den Arbeitsverträgen verwendeten Formulierungen zu entnehmen sei, daß die Pauschale ausschließlich Entgelt für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sein solle. Eine entsprechende Prüfung sei hier versäumt worden. Sie wäre um so dringender notwendig gewesen, als es allgemein bekannt sei, daß die Vergütung der im kirchlichen Dienst beschäftigten Krankenhausärzte zwar einzelvertraglich, aber in Anlehnung an den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vorgenommen werde. Die tarifvertraglichen Vergütungsregelungen des BAT differenzierten aber nicht danach, ob die Bereitschaftsdienste an normalen Werktagen oder an Sonn- und Feiertagen, zur Tages- oder zur Nachtzeit erbracht würden. Die Bereitschaftsdienstvergütung werde vielmehr ohne Differenzierung nur nach Zeitanfall bemessen. Mit seiner extensiven Auslegung der Voraussetzungen des § 3b Abs. 2 EStG habe sich das FG auch in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) betreffend die Steuerfreiheit von Wechselschichtzulagen gesetzt (Urteil vom 14. Juni 1967 VI R 226/66, BFHE 89, 241, BStBl III 1967, 609).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Zu Unrecht hat das FG die Voraussetzungen des § 3b Abs. 2 EStG für gegeben erachtet. Denn bei dem hier streitigen Betrag handelt es sich nicht um Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit.

Wie das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, war in den Vergütungen, die der Kläger für seinen Bereitschaftsdienst erhalten hat, ein Zeitzuschlag von 15 % enthalten. Dieser Zeitzuschlag ist, wie das FG weiter - für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - festgestellt hat, für den gesamten geleisteten Bereitschaftsdienst gezahlt worden, ohne Rücksicht darauf, ob dieser auf Sonntage, Feiertage bzw. Nachtzeit entfiel oder auf steuerlich nicht begünstigte Zeiten. Derartige Zuschläge entsprechen nicht den Anforderungen des § 3b Abs. 2 EStG.

Nach dem Urteil in BFHE 89, 241, BStBl III 1967, 609, das zu der früheren, insoweit wortgleichen Vorschrift des § 34a EStG ergangen ist, setzt die Steuerfreiheit von Lohnzuschlägen u.a. voraus, daß der betreffende Zuschlag ausschließlich eine Arbeit während einer ungünstig liegenden Arbeitszeit, nämlich an Sonn- bzw. Feiertagen oder zur Nachtzeit, abgilt. Das war in dem damals entschiedenen Fall, in dem über Wechselschichtzulagen von Flugsicherungslotsen zu entscheiden war, ebensowenig der Fall wie in dem jetzt zu beurteilenden. In beiden Fällen sind die Zuschläge generell gezahlt worden, ohne Rücksicht darauf, inwieweit die Arbeitsleistung auf gesetzlich begünstigte Zeiten entfiel. Hier wie dort handelte es sich mithin um Zuschläge, die eher den Charakter einer generell erhöhten Entlohnung hatten. Derartige Zahlungen sollen nach dem Willen des Gesetzes nicht begünstigt werden (im Ergebnis für Zuschläge für Bereitschaftsdienste in Krankenhäusern ebenso: Blümich, Kommentar zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, 13. Aufl., § 3b EStG Anm. 15; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Lohnzuschläge, Anm. C III 3; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, C § 3b EStG Rdnr. 22; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3b Anm. 10; von Beckerath in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3b Rdnr. B 61).

Der Senat kann offenlassen, ob er an den Grundsätzen des Urteils in BFHE 89, 241, BStBl III 1967, 609 auch für Fälle festhalten würde, in denen die zuschlagsbegünstigte Arbeitsleistung (hier: der Bereitschaftsdienst) fast ausschließlich auf Sonntage, Feiertage oder Nachtzeit entfällt, nicht begünstigte Zeiten also nur in einem Umfang abgeleistet werden, dem keinerlei wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Denn so liegt der Streitfall nicht. Vielmehr läßt sich dem vom FG festgestellten Verhältnis der Zahlungen für insgesamt abgeleistete Bereitschaftsdienste (8.780 DM) zu den Zahlungen für Bereitschaftsdienste an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit (6.655 DM) entnehmen, daß die zuschlagsbegünstigte Arbeitsleistung des Klägers zu etwa 1/4 auf steuerlich nicht begünstigte Zeiten entfiel. Ein Anteil von 1/4 ist aber nicht so unerheblich, das er vernachlässigt werden könnte. Der Umstand, daß der überwiegende Teil der Bereitschaftsdienste auf gesetzlich begünstigte Zeiten entfallen ist, reicht entgegen der Auffassung des FG insoweit jedenfalls nicht aus (anderer Ansicht Offczors/Herrmann, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1984, 387; Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., 1989, § 3b Anm. 6; Littmann/Bitz/Meincke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 3b Rdnr. 16; wohl auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 18. Aufl., § 3b EStG Anm. 19).

Dem vorstehenden Ergebnis steht das BFH-Urteil vom 16. Juni 1978 VI R 33/76 (BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574) nicht entgegen. Dort hat der Senat entschieden, daß (tarifvertragliche) Lohnzuschläge für Nachtarbeit auch dann in voller Höhe steuerfrei sein können, wenn sie nur gewährt werden, soweit die Nachtarbeit gleichzeitig Mehrarbeit ist. Zwar dürften die streitigen "Zeitzuschläge" auch im vorliegenden Fall für Mehrarbeit gezahlt worden sein. Soweit die mit den Bereitschaftsdiensten verbundene Mehrarbeit auf einen Sonntag, Feiertag oder die Nachtzeit fiel, sind die Zulagen jedoch nicht für diese begünstigten Erschwernisgründe geleistet worden. Das ergibt sich schon aus der Höhe der Zuschläge, die gleichbleibend 15 % betrugen, während der Zuschlag für Nachtarbeit, soweit sie gleichzeitig Mehrarbeit war, im Fall in BFHE 125, 383, BStBl II 1978, 574 doppelt so hoch war wie für reine Mehrarbeit. Im vorliegenden Streitfall handelt es sich deshalb nicht einmal um Mischzuschläge, die gleichzeitig Mehrarbeit und Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit abgelten würden, sondern um reine Mehrarbeitszuschläge, die steuerlich nicht begünstigt sind. Der insoweit eindeutige Wortlaut des Gesetzes läßt nach Auffassung des Senats eine andere Entscheidung nicht zu. Den Arbeitsvertragsparteien steht es frei, durch eine andere Regelung, etwa durch einen niedrigeren Ansatz von Zuschlägen für einfache Bereitschaftsdienste und einen höheren für Bereitschaftsdienste an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit, dieses Ergebnis zu vermeiden.

Fehlt es mithin schon an der Voraussetzung, daß die streitigen Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind, so kann offenbleiben, ob die Steuerfreiheit auch deshalb verneint werden müßte, weil diese Zuschläge nicht "neben dem Grundlohn gezahlt" worden sind.

Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; die Klage ist abzuweisen.