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  BFH-Urteil vom 19.1.1989 (V R 98/83) BStBl. 1990 II S. 360

1. Miterben können einen Anspruch auf Erlaß von Säumniszuschlägen aus sachlichen in der Person des Erblassers liegenden Billigkeitsgründen einzeln geltend machen (§ 2039 Satz 1 BGB). Die an dem Rechtsbehelfsverfahren, in dem der Erlaßanspruch verfolgt wird, nicht beteiligten Miterben sind weder notwendig hinzuzuziehen noch notwendig beizuladen.

2. Ein Miterbe, der im Beschwerdeverfahren wegen der Ablehnung des Erlaßantrags aus sachlichen in der Person des Erblassers liegenden Billigkeitsgründen nicht beteiligt ist, wird durch die daran beteiligten Miterben nicht vertreten. Da die Vertretungsfiktion des § 62 ZPO i.V.m. § 59 FGO nicht eingreift, ist seine Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig.

FGO §§ 59, 60 Abs. 3; AO 1977 § 227 Abs. 1, § 240 Abs. 1, § 360 Abs. 3; ZPO § 62; BGB § 2039.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger zu 1 bis 3 (Kläger zu 1 bis 3) sind Erben ihres 1979 verstorbenen Vaters (Erblasser). Dieser schuldete wegen nicht bzw. nicht rechtzeitig entrichteter Umsatz- und Einkommensteuer insgesamt 12.530 DM Säumniszuschläge. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den von den Klägern zu 1 bis 3 beantragten Erlaß der Säumniszuschläge durch Bescheid vom 30. September 1980 ab. Dagegen legten nur die Kläger zu 1 und 2 Beschwerde ein. Gegen sie wies die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde zurück, ohne den Kläger zu 3 an dem Beschwerdeverfahren zu beteiligen. In der Beschwerdeentscheidung vom 9. September 1981 bestätigte die OFD die Ablehnung des wegen sachlicher Billigkeitsgründe in der Person des Erblassers begehrten Erlasses mit der Erwägung, Gründe der Gleichbehandlung verlangten die Erhebung der Säumniszuschläge, weil säumige Steuerzahler sonst besser ständen als pünktliche Zahler. Auch ein dem Erblasser gewährter Vollstreckungsaufschub ändere nichts.

Nunmehr erhoben die Kläger zu 1 bis 3 erfolglos Verpflichtungsklage. In der Begründung der Klageabweisung legte das Finanzgericht (FG) dar, daß sachliche Billigkeitsgründe vorliegen könnten, wenn Säumniszuschläge ihren Zweck nicht mehr erfüllten, etwa wenn der Steuerschuldner überschuldet oder zahlungsunfähig sei. Der Vortrag der Kläger, daß diese Voraussetzungen in der Person des Erblassers vorgelegen hätten, könne aber nicht mehr berücksichtigt werden, weil er der Finanzbehörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht bekannt gewesen sei.

Mit der Revision rügen die Kläger zu 1 bis 3 Verletzung sachlichen Rechts. Dazu machen sie geltend, das FG habe nicht erkannt, daß die OFD die Gründe nicht beachtet habe, aus denen dem Erblasser Vollstreckungsaufschub gewährt worden sei. Die Gewährung von Vollstreckungsaufschub sei bereits im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden und hätte bei der Ermessensentscheidung über den Erlaß von Säumniszuschlägen berücksichtigt werden müssen.

Die Kläger beantragen, die Entscheidung des FG sowie die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger zu 1 und 2 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Revision des Klägers zu 3 ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Die Revision der Kläger zu 1 und 2

a) Die Revision der Kläger zu 1 und 2 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Beschwerdeentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Vorentscheidung ist allerdings nicht deshalb aufzuheben, weil für die Kläger zu 1 und 2 die Sachurteilsvoraussetzung des abgeschlossenen Vorverfahrens i.S. von § 44 Abs. 1 FGO nicht erfüllt war, als das FG zur Sache entschieden hatte. Ein solcher Mangel hätte vorgelegen, wenn der Kläger zu 3 zum Beschwerdeverfahren (§ 349 der Abgabenordnung - AO 1977 -) notwendig hätte hinzugezogen werden müssen (§ 360 Abs. 3 AO 1977), denn ihm war die Beschwerdeentscheidung gegen die Kläger zu 1 und 2 nicht zugestellt (§ 366 AO 1977) worden. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO sind erst erfüllt, wenn die Beschwerdeentscheidung auch den notwendig Hinzuzuziehenden gegenüber wirksam geworden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1986 II R 59/86, BFHE 148, 420, BStBl II 1987, 302; vom 17. Juli 1985 II R 228/82, BFHE 144, 155, BStBl II 1985, 675).

Der Kläger zu 3 war jedoch nicht notwendig hinzuzuziehen (§ 360 Abs. 3 AO 1977). Die Entscheidung über die Beschwerde der Kläger zu 1 und 2 gegen die Ablehnung des Erlaßantrags brauchte nicht einheitlich auch gegenüber dem Kläger zu 3 zu ergehen (§ 360 Abs. 3 Satz 1 AO 1977).

Die Kläger zu 1 und 2 machen als Miterben (§ 45 Satz 1 AO 1977) einen Anspruch auf Erlaß (§ 227 Abs. 1 AO 1977) von Säumniszuschlägen (§ 240 Abs. 1 AO 1977) geltend, den der Erblasser zu Lebzeiten mit derselben Begründung hätte verfolgen können. Es handelt sich um einen zum Nachlaß gehörenden Anspruch i.S. von § 2039 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), d.h. eine auf die Miterben durch Erbfall übergegangene Vermögensposition (vgl. dazu u.a. Kipp/Coing, Erbrecht, 9. Aufl., § 1 III 1; Soergel/Wolf, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 2039 Anm. 3). Dieser Anspruch i.S. von § 194 Abs. 1 BGB ist auf ein Tun, d.h. auf den Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts, gerichtet.

Jeder Miterbe ist gemäß § 2039 Satz 1 BGB berechtigt, zum Nachlaß gehörende Ansprüche unabhängig von den übrigen Miterben im eigenen Namen geltend zu machen und Leistung an alle Miterben zu verlangen (Staudinger-Werner, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 2039 Anm. 25; BGB-RGRK-Kregel, Das Bürgerliche Gesetzbuch, 12. Aufl., § 2039 Anm. 9). Das gilt auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche (vgl. Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 48. Aufl., § 2039 Anm. 1a; Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. Juli 1963 1 BvR 103/60, BVerfGE 17, 86, 91, für einen von einem Miterben verfolgten Versorgungsanspruch; Landessozialgericht Celle, Beschluß vom 14. Juni 1967 L 7 V 246/63, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1968, 1743, für einen öffentlich-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch). Mangels entgegenstehender steuerrechtlicher Sonderregelung sind Miterben nach § 2039 Satz 1 BGB weder zu gemeinsamer Geltendmachung (Beschwerdeeinlegung, Klageerhebung) von zum Nachlaß gehörenden Ansprüchen verpflichtet (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. Januar 1957 V ZR 186/55, BGHZ 23, 207, NJW 1957, 906, für eine Klage eines Miterben vor dem ordentlichen Gericht) noch muß über die bezeichneten nur von einem einzelnen Miterben geltend gemachten Ansprüche mit Wirkung gegen sämtliche Miterben einheitlich entschieden werden. Die Entscheidung über den nur von einem einzelnen Miterben im eigenen Namen geltend gemachten Anspruch wirkt nur gegenüber diesem Miterben (vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 7. Juli 1918 VII 45/18, RGZ 93, 127, 130; Erman/Schlüter, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl., § 2039 Anm. 2; Soergel/Wolf, a.a.O., § 2039 Anm. 9).

Deshalb hätte der Kläger zu 3 nach Abtrennung (§ 73 Abs. 1 FGO) und Abweisung seiner Klage durch das FG als unzulässig (vgl. dazu unter 2.) auch nicht notwendig zum Verfahren der Kläger zu 1 und 2 beigeladen werden müssen (§ 60 Abs. 3 FGO).

b) Die Revision der Kläger zu 1 und 2 ist begründet, weil das FG bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung des FA und der Beschwerdeentscheidung der OFD § 76 FGO dadurch verletzt hat, daß es nicht von Amts wegen erforscht hat, ob in diesen Entscheidungen die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob darin von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO, § 5 AO 1977).

Es trifft - wie die Kläger zu 1 und 2 zu Recht rügen - nicht zu, daß erstmals im Klageverfahren sachliche Billigkeitsgründe in der Person des Erblassers geltend gemacht worden sind. Aus der vom FG in Bezug genommenen Beschwerdeentscheidung der OFD (S. 4 unten, S. 5 oben) ergibt sich, daß dem Erblasser Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO 1977) gewährt worden war. Diesem Umstand hätte das FG von Amts wegen nachgehen (§ 76 FGO) und prüfen müssen, ob die Nichtberücksichtigung dieses Umstandes durch das FA und durch die OFD einen Ermessensfehlgebrauch (§ 102 FGO) darstellte. FG und OFD hätten auf die Umstände und die Auswirkungen des Vollstreckungsaufschubs eingehen müssen. Einem Vollstreckungsaufschub bis zum 31. Dezember 1976 kam stundungsgleiche Wirkung zu, so daß bei der Entscheidung hätte beachtet werden müssen, daß Säumniszuschläge ab Gewährung des Vollstreckungsaufschubs nicht hätten entstehen können (Nachweise in dem BFH-Urteil vom 15. März 1979 IV R 174/78, BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429 unter II.2.).

Wenn die Finanzbehörde dem Steuerschuldner nach dem 31. Dezember 1976 Vollstreckungsaufschub gewährt hat, ist bei der Ermessensentscheidung über den Erlaß von Säumniszuschlägen auf die Gründe dafür einzugehen. Es ist zu prüfen, ob die Finanzbehörde dem Steuerschuldner Vollstreckungsschutzmaßnahmen, z.B. wegen Zahlungseinstellung oder anstelle nicht durchgeführter Billigkeitsmaßnahmen wie Erlaß oder Stundung der Steuerschuld gewährt hatte (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489 unter II.3.b).

c) Das angefochtene, die Kläger zu 1 und 2 betreffende Urteil des FG und die Beschwerdeentscheidung der OFD, die nur an die Kläger zu 1 und 2 gerichtet war, waren daher aufzuheben. Der Beschwerdebehörde wird damit die nochmalige Entscheidung über den Erlaßantrag im Beschwerdeverfahren unter Berücksichtigung der dargestellten Ermessensgesichtspunkte ermöglicht.

2. Die Revision des Klägers zu 3

Die Revision des Klägers zu 3 ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil des FG gegen den Kläger zu 3 ist - wenn auch aus anderen als vom FG angenommenen Gründen - zutreffend.

Die Klage des Klägers zu 3 war unzulässig. Er hat nach der Ablehnung seines Antrags auf Erlaß von Säumniszuschlägen keine Beschwerde eingelegt (§ 349 AO 1977), so daß das Vorverfahren als Voraussetzung für eine zulässige Klage ihm gegenüber nicht ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist (§ 44 Abs. 1 FGO).

Das Fehlen eines von dem Kläger zu 3 erfolglos durchgeführten Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) ist auch nicht wegen der unmittelbaren Anrufung des FG bedeutungslos geworden.

a) Als Sprungverpflichtungsklage, die grundsätzlich ohne erfolglos durchgeführtes Vorverfahren erhoben werden darf (vgl. Beschluß des BFH vom 21. Januar 1985 GrS 1/83, BFHE 143, 112, BStBl II 1985, 303), wenn die Behörde, die einen Verwaltungsakt der in § 348 AO 1977 bezeichneten Art erlassen hat, zustimmt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO), kann die Klage des Klägers zu 3 nicht beurteilt werden. Eine Sprungklage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ausgeschlossen, wenn die Verpflichtungsklage - wie im Streitfall - einen Verwaltungsakt i.S. des § 349 AO 1977 zum Gegenstand hat (BFH-Urteil vom 21. Juli 1975 VII R 11/75, BFHE 116, 526, BStBl II 1976, 56, 57).

b) Die!widerspruchslose Einlassung des FA auf die Klage des Klägers zu 3 vermag den Mangel des von ihm erfolglos abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) ebenfalls nicht zu heilen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. November 1984 VI R 176/82, BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266, 268 unter 2c).

c) Schließlich wirkt die erfolglose Durchführung des Vorverfahrens durch die Kläger zu 1 und 2 auch nicht für den Kläger zu 3.

Die für notwendige Streitgenossen auch im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbare Vertretungsfiktion (§ 59 FGO i.V.m. § 62 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) bewirkt im Streitfall nicht, daß das von den Klägern zu 1 und 2 erfolglos durchgeführte Vorverfahren auch für den Kläger zu 3 wirkt (vgl. dazu allgemein Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 44 FGO Anm. 5; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 44 FGO Anm. 20; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 5947; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl., § 68 Rdnr. 5; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., § 68 Rdnr. 8). Eine solche Wirkung scheitert daran, daß die Kläger zu 1 bis 3 nicht notwendige Streitgenossen sind und daß die Vertretungsfiktion im finanzgerichtlichen Verfahren nur in Fällen in Betracht kommen kann, in denen eine gemeinsame Klageerhebung erforderlich ist.

aa) Die Kläger zu 1 bis 3 sind durch die gemeinsame Klagerhebung nicht notwendige Streitgenossen (§ 59 FGO i.V.m. § 62 ZPO) geworden. Sie sind aus einem "sonstigen" materiell-rechtlichen "Grund" (§ 62 Abs. 1, 2. Alternative ZPO) nicht zu gemeinschaftlicher Klageerhebung verpflichtet, weil sie nicht Rechte einklagen (§ 2032 BGB; insoweit wären sie notwendige Streitgenossen, vgl. Staudinger/Werner, a.a.O., § 2032 Anm. 15 mit weiteren Nachweisen), sondern Ansprüche gemäß § 2039 Satz 1 BGB verfolgen (vgl. dazu BGH in BGHZ 23, 207; RG-Urteil vom 3. März 1919 IV 222/18, RGZ 95, 97, 98; Staudinger/Werner, a.a.O., § 2039 Anm. 25; BGB-RGRK-Kregel, a.a.O., § 2039 Anm. 9).

Die Kläger sind auch nicht deshalb notwendige Streitgenossen, weil das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber aus prozessualen Gründen nur einheitlich festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1, 1. Alternative ZPO). Die gemeinsame Klage sämtlicher Miterben auf Erfüllung von Ansprüchen gemäß § 2039 Satz 1 BGB bewirkt nicht, daß über das streitige Rechtsverhältnis einheitlich entschieden werden müßte (so die überwiegende Meinung in der Literatur: Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 50 II; Stein/Jonas/Leipold, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 62 Rdnr. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, Zivilprozeßordnung, 47. Aufl., § 62 Anm. 2 B c; A. Blomeyer, Einzelanspruch und gemeinschaftlicher Anspruch von Miterben und Miteigentümern, Archiv für die zivilistische Praxis - AcP - 159, 385, 402 ff. im Anschluß an die Urteile des RG vom 30. November 1927 V 135/27, RGZ 119, 163; vom 15. März 1905 V 416/04, RGZ 60, 269, 270; des Obersten Gerichtshofes vom 26. Januar 1950 I ZS 26/49, NJW 1950, 597). Der Senat schließt sich vielmehr der Rechtsprechung des BGH an, nach der hinsichtlich von einzelnen Beteiligten (Miterben) einklagbarer Ansprüche, über die ohne Rechtskrafterstreckung auf andere Beteiligte entschieden werden kann (§ 2039 Satz 1 BGB), aus prozessualen Gründen keine einheitliche Entscheidung mit Rechtskrafterstreckung zwingend notwendig ist, wenn sämtliche an dem Rechtsverhältnis Beteiligten Klage erheben (BGH-Urteil vom 26. Oktober 1984 V ZR 67/83, BGHZ 92, 351, für gemeinsam klagende Miteigentümer nach § 1011 BGB unter Hinweis auf BGH-Urteil vom 23. Januar 1981 V ZR 146/79, BGHZ 79, 245, 247 mit weiteren Nachweisen; ebenso BGB-RGRK - Kregel, a.a.O., § 2039 Anm. 9). Wenn aber aus prozessualen Gründen keine einheitliche Entscheidung (wie z.B. gegenüber Gesellschaftern einer abgewickelten Gesellschaft; BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 X R 33-34/81, BFHE 151, 237, BStBl II 1988, 92) geboten ist, kann notwendige Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1, 1. Alternative ZPO auch nicht deshalb angenommen werden, weil eine einheitliche Entscheidung aus Gründen der Logik notwendig und erwünschenswert erscheint (BGH-Urteile vom 15. Juni 1959 II ZR 44/58, BGHZ 30, 195, 199; vom 29. November 1961 V ZR 181/60, BGHZ 36, 187, 190).

bb) Daraus folgt zugleich, daß die Vertretungsfiktion des § 62 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren in mit dem Streitfall vergleichbaren Fällen nicht eingreifen kann. Sie setzt voraus, daß gemeinsame Klageerhebung erforderlich ist (BFH-Urteil vom 7. August 1986 IV R 137/83, BFHE 147, 224, BStBl II 1986, 910). In Fällen dagegen, in denen mehrere Personen einzeln Klage erheben können, das streitige Rechtsverhältnis aber gegenüber allen hieran beteiligten Personen nur einheitlich festgestellt werden kann, wird die Vertretungsfiktion des § 62 Abs. 1, 1. Alternative ZPO durch die Regelung über die notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) verdrängt (BFH in BFHE 147, 224, BStBl II 1986, 910).

Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, daß Miterben, die einen Anspruch auf Erlaß von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen in der Person des Erblassers geltend machen, einzeln klagen können (§ 2039 Satz 1 BGB, § 45 Satz 1 AO 1977) und daß die Entscheidung ihnen gegenüber auch nicht einheitlich ergehen muß, so daß auch keine Beiladung notwendig wird (§ 60 Abs. 3 FGO).

d) Auf die Einhaltung des Vorverfahrens durch den Kläger zu 3 kann im Streitfall auch nicht aus verfahrensökonomischen Gründen verzichtet werden. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) es für eine "unvertretbare Förmelei" angesehen, daß jeder aus demselben Rechtsgrund beanspruchte Ehegatte Widerspruch einlegen müsse (Urteil vom 13. Februar 1976 IV C 44/74, NJW 1976, 1516). Es hat es für ausreichend erachtet, wenn das Vorverfahren von einem der an dem Rechtsverhältnis Beteiligten (im Entscheidungsfall: Ehegatten) betrieben werde und erfolglos geblieben sei.

Der Übernahme dieser Grundsätze steht jedoch die eindeutige Regelung in § 44 Abs. 1 FGO sowie der Umstand entgegen, daß die erwähnten verfahrensökonomischen Gründe keine Rechtfertigung für die Durchbrechung der Bestandskraft der Ablehnungsverfügung des FA gegen den Kläger zu 3 sein kann (vgl. zur Bestandskraft, wenn nur einer von mehreren Gesamtschuldnern anficht: BFH-Urteil vom 14. September 1985 IX R 22/85, BFH/NV 1986, 733, mit weiteren Nachweisen).

Darin liegt keine Abweichung i.S. von § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661). In dem vom BVerwG entschiedenen Fall war - anders als im Streitfall - die Entscheidung über das Vorverfahren auch gegen den Kläger ergangen, der keinen Einspruch eingelegt hatte (BVerwG, NJW 1976, 1516), und in der in Bezug genommenen Entscheidung (BVerwG-Urteil vom 7. Januar 1972 IV C 61/69, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310 VwGO, § 70 Nr. 6) hatte sich der spätere Kläger durch einen - verspäteten - Widerspruch am Vorverfahren beteiligt.