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  BFH-Urteil vom 13.9.1989 (I R 118/85) BStBl. 1990 II S. 387

1. Gewährt der Gesellschafter einer GmbH derselben ein Darlehen gegen eine Gewinnbeteiligung, die der Höhe nach durch einen Mindest- und einen Höchstzins beschränkt wird, so hängt die Annahme eines gesellschaftsteuerpflichtigen Erwerbs von Gesellschaftsrechten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972) davon ab, ob die Vereinbarung der festen Verzinsung oder der Gewinnbeteiligung als Hauptsache anzusehen ist.

2. Mit dem Begriff "Forderung" i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 wird der Vorgang umschrieben, auf den die Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös zurückzuführen ist.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Nr. 1 Buchst. a.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1949 gegründete GmbH, deren Stammkapital im Jahre 1979 800.000 DM betrug. Durch notariellen Vertrag vom 7. Dezember 1979 erwarb der Kaufmann K sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin für einen Kaufpreis von 20.000 DM. K schloß noch am 7. Dezember 1979 mit der Klägerin einen Darlehensvertrag ab. Danach gewährte K der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 550.000 DM. Das Darlehen war in der Zeit bis zum 31. Dezember 1981 nur aus wichtigem Grund kündbar, wobei einzelne wichtige Gründe im Vertrag aufgezählt waren (Entgeltverzug, Verletzung von Vertragspflichten, Zwangsvollstreckungs- bzw. Konkursmaßnahmen). Für die Zeit nach dem 31. Dezember 1981 konnte das Darlehen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat jeweils zum Monatsende ganz oder teilweise gekündigt werden. Als Entgelt für die Darlehensgewährung hatte die Klägerin 20 v.H. des jeweiligen Jahresgewinns, mindestens aber 10.000 DM und höchstens 60.000 DM pro Jahr zu zahlen. Gewinn in diesem Sinne sollte der Handelsbilanzgewinn vor Berücksichtigung von Ertragsteuern und ohne Berücksichtigung von Verlustvorträgen sein.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte das Darlehen als ein partiarisches und bejahte insoweit einen Ersterwerb von Gesellschaftsrechten i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1972). Er behandelte die Darlehensvaluta als Steuermaßstab und setzte die Gesellschaftsteuer durch Bescheid vom 4. Mai 1982 auf 5.500 DM fest.

Der Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 3, des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und des § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG München vom 11. Februar 1985, den Steuerbescheid vom 4. Mai 1982 sowie die Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 1984, beide vom FA München für Grundbesitz und Verkehrsteuern, ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Dazu regelt § 5 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 KVStG 1972 gehört dazu eine GmbH, die den Ort ihrer Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hat. Ferner regelt § 6 KVStG 1972, was unter Gesellschaftsrechten i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 zu verstehen ist. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 zählen dazu auch Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös der Gesellschaft gewähren.

2. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin im Jahre 1979 eine GmbH mit dem Sitz ihrer Geschäftsleitung in der Bundesrepublik war. Damit war sie am 7. Dezember 1979 inländische Kapitalgesellschaft.

3. Durch Vertrag vom 7. Dezember 1979 gewährte der Gesellschafter K der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 550.000 DM gegen eine jährliche Gewinnbeteiligung in Höhe von 20 v.H. des Jahresgewinnes, mindestens aber 10.000 DM und höchstens 60.000 DM. Aus dieser Feststellung folgt nicht, ob K neben seiner Beteiligung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 auch forderungsmäßig i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 am Gewinn oder am Liquidationserlös der Klägerin beteiligt war. Die Besonderheit des Streitfalles besteht darin, daß das Entgelt des K einerseits in einer Beteiligung am Gewinn der Klägerin, andererseits aber auch in einer absoluten Mindestverzinsung von 10.000 DM bzw. Höchstverzinsung von 60.000 DM bestand. Für Fälle dieser Art hat schon der Reichsfinanzhof - RFH - (Urteile vom 5. August 1930 II A 544/29, RFHE 27, 99, RStBl 1930, 623, und vom 16. Dezember 1931 II A 394/31, RStBl 1932, 746) entschieden, daß es im Einzelfall darauf ankomme, ob die Vereinbarung der festen Verzinsung oder der Gewinnbeteiligung als Hauptsache anzusehen sei. Dabei ist darauf abzustellen, ob der Inhaber der Darlehensforderung gewinnmäßig am Risiko des Geschäftsbetriebes teilnimmt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Vertragspartner bei Abschluß des Vertrages nach den damals bekannten Umständen ernstlich nur damit rechnen konnten, daß auf die geschätzte Laufzeit des Darlehens bezogen entweder ganz überwiegend die Mindestverzinsung oder aber die Höchstverzinsung zum Tragen kommen werde. Das FG ist dieser entscheidungserheblichen Frage in tatsächlicher Hinsicht nicht nachgegangen. Deshalb kann sie nicht abschließend beurteilt werden. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die fehlenden Feststellungen nachzuholen ist Aufgabe des FG. Daher war die Sache an das FG zurückzuverweisen.

4. Für den zweiten Rechtszug weist der erkennende Senat auf folgendes hin:

a) In den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 wird die Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft durch die Hingabe z.B. des partiarischen Darlehens oder der Vermögenseinlage i.S. des § 230 des Handelsgesetzbuches (HGB n.F.) begründet. Die Verwendung des Begriffes "Forderung" im Gesetzestext ist insoweit irreführend, weil sie den falschen Eindruck erweckt, als ob eine "Forderung" die Rechtsgrundlage für die Beteiligung des Gläubigers am Gewinn bzw. am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft sei. Dies ist nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit dem Begriff "Forderung" nur den Vorgang umschrieben, auf den die Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös zurückzuführen ist. Der erkennende Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 2. August 1978 V 414/77, Entscheidungen der Finanzgerichte 1979, 199). Soweit das FG (a.a.O.) meint, unter "Forderung" i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 sei der Anspruch auf Auszahlung des Gewinnanteils bzw. des Liquidationserlöses zu verstehen, steht dem der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Danach "gewährt" der Anspruch auf den Gewinnanteil nicht denselben, sondern er ist es, d.h. die Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös und der Anspruch hierauf sind für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 identisch. Der Anspruch wird dagegen durch den Vorgang "gewährt", der die Rechtsgrundlage für seine Entstehung ist. Umgekehrt ist für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 nicht notwendigerweise auf den Darlehens- bzw. Vermögenseinlagerückgewähranspruch abzustellen. § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 stellt eine entsprechende Tatbestandsvoraussetzung nicht auf. Es gibt auch Fälle, in denen Ansprüche auf Gewinnbeteiligung begründet werden, ohne daß ein Rückgewähranspruch besteht (vgl. RFH-Urteil vom 17. August 1928 II A 305/28, RStBl 1928, 319; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Januar 1988 I R 395/83, BFHE 152, 261, BStBl II 1988, 453).

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin findet § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 auch auf solche Vorgänge Anwendung, durch die eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft zugunsten einer Person begründet wird, die bereits vorher Gesellschafter i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 war (vgl. Egly/Klenk, Gesellschaftsteuer, 4. Aufl., Rdnr. 295 und 330).

c) Bei der Anwendung des § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 ist zu berücksichtigen, daß die Vorschrift der Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie 69/335/EWG vom 17. Juli 1969 dient (BTDrucks VI/2769, Seite 7). Nach Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 69/335/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 249/25-EWG-Harmonisierungs-Richtlinie vom 3. Oktober 1969) wird die Gesellschaftsteuer nach dem tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen u.a. dann berechnet, wenn die steuerpflichtige Leistung auf einer Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen besteht, für die keine Gesellschaftsrechte gewährt werden, die einen Anteil am Kapital oder am Gesellschaftsvermögen verkörpern, sondern Rechte, wie sie Gesellschaftern gewährt werden (z.B. Recht auf Gewinnbeteiligung). Art. 5 Abs. 1 nimmt insoweit auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 69/335/EWG Bezug. Wenn letztere Vorschrift von der "Erhöhung des Gesellschaftsvermögens durch Einlagen" spricht, die nur "Rechte verkörpern, wie sie Gesellschaftern gewährt werden", so folgt aus der Regelung in ihrem Sinnzusammenhang, daß die Zuführung solcher "Einlagen"gesellschaftsteuerrechtlich wie die Zuführung von Eigenkapital und nicht als Zuführung von Fremdkapital zu behandeln ist. An einer Erhöhung des Gesellschaftsvermögens fehlt es in diesen Fällen nicht schon deshalb, weil die Kapitalgesellschaft einen Rückgewähranspruch zu passivieren hat. Diese Auslegung wird durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. c Richtlinie 69/335/EWG bestätigt. Danach ist ebenfalls der Nennbetrag des aufgenommenen Darlehens als Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer heranzuziehen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. e Richtlinie 69/335/EWG). Der erkennende Senat hält diese Auslegung für offenkundig. Sie ist auf § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 zu übertragen. Danach besteht die Gegenleistung des Gesellschafters in der Zuführung des partiarischen Darlehensbetrages als "Quasi-Eigenkapital". Der Wert der Gegenleistung besteht in dem Nennbetrag des zugeführten partiarischen Darlehens und nicht in dessen Nutzungswert.