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BFH-Urteil vom 6.12.1989 (II R 103/86) BStBl. 1990 II S. 434

Hat sich der Erblasser zur Bestellung von Erbbaurechten gegen Zahlung von Erbbauzinsen verpflichtet und waren im Zeitpunkt seines Todes die Erbbaurechte noch nicht entstanden und auch die Voraussetzungen für den Beginn der Zahlung von Erbbauzinsen noch nicht erfüllt, so sind die aus diesen Verträgen herrührenden Ansprüche und Verpflichtungen als gleichwertig bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht zu berücksichtigen. Die Ansprüche auf die Erbbauzinsen sind auch keine aufschiebend bedingten, befristeten oder betagten Ansprüche i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a (2. Alternative) ErbStG 1974.

Änderung der Rechtsprechung zur Behandlung der Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen (vgl. BFHE 141, 553, BStBl II 1984, 771).

ErbStG 1974 § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a (2. Alternative); BewG § 12.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger ist neben seinen drei Geschwistern testamentarischer Miterbe seines am 4. Juli 1980 verstorbenen Vaters, eines Land- und Forstwirts, dessen Betrieb dem Kläger als Hoferben zufiel.

Einige Grundstücke dieses Betriebes waren zu diesem Zeitpunkt bereits mit Erbbaurechten belastet. Hinsichtlich weiterer Grundstücke hatte der Erblasser vor seinem Tode Erbbaurechtsbestellungsverträge abgeschlossen, die jedoch erst nach seinem Tode zur Übergabe der Grundstücke und 1981 zur Eintragung der Erbbaurechte führten. Die vereinbarten Erbbauzinsen waren von der Übergabe an zu entrichten.

Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen den Kläger hat das beklagte Finanzamt (FA) den Kapitalwert der Erbbauzinsen mit zusammen 982.969 DM angesetzt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Erbbaurechte im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits in das Grundbuch eingetragen waren oder nicht. Von diesem Kapitalwert entfielen 645.768 DM auf Erbbauzinsen für die Erbbaurechte, die erst 1981 zur Entstehung gelangten. Der Einspruch des Klägers führte zu einer geringfügigen Ermäßigung der Erbschaftsteuer auf 153.717 DM.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, die Kapitalwerte der Erbbauzinsen, soweit sie die erst nach dem Tode des Erblassers entstandenen Erbbaurechte betreffen von der Besteuerung auszunehmen. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, daß die Anwendung des § 92 des Bewertungsgesetzes (BewG) und damit auch seines Abs. 5 das Vorliegen eines Erbbaurechtes im Zeitpunkt des Todes des Erblassers voraussetze. Ob ein Erbbaurecht in diesem Zeitpunkt bestanden habe, könne nur nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen beurteilt werden. Auch aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) könne nichts anderes hergeleitet werden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Es ist dem Kläger darin gefolgt, daß ihm mit dem Tod des Erblassers hinsichtlich der noch nicht eingetragenen Erbbaurechte noch kein Anspruch auf die Erbbauzinsen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, zugeordnet werden könne. Hinsichtlich der strittigen Erbbauzinsen aber sei eine Erbschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a (2. Alternative) ErbStG 1974 mit der Eintragung der Erbbaurechte im Jahre 1981 nachträglich entstanden.

Der Kläger hat (nach Zulassung der Revision durch den erkennenden Senat) Revision eingelegt und fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt. Er wendet sich vor allem dagegen, daß das FG im vorliegenden Fall § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a (2. Alternative) ErbStG 1974 angewendet hat. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und (entsprechend dem Klageantrag) zur Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 70.470,50 DM. Der Ansatz des Kapitalwertes und der Erbbauzinsen, die auf die erst nach dem Tod des Erblassers entstandenen Erbbaurechte entfallen, steht mit dem Erbschaftsteuerrecht nicht im Einklang.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 ist die Erbschaftsteuer mit dem Tod des Erblassers am 4. Juli 1980 entstanden. Für die Wertermittlung des Erwerbs des Klägers als Miterben des Erblassers ist dieser Zeitpunkt maßgebend, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 11 ErbStG 1974). Das bedeutet, daß zu dem zu bewertenden Erwerb des Klägers u.a. das noch nicht mit den (erst nach seinem Tod entstandenen) Erbbaurechten belastete land- und forstwirtschaftliche Vermögen gehörte und die Forderungen und Verpflichtungen aus den noch nicht erfüllten schuldrechtlichen Erbbaurechtsbestellungsverträgen. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, daß die Leistungen (Bestellung der Erbbaurechte) und die Gegenleistungen (Zahlung der Erbbauzinsen, von der Übergabe der Grundstücke an) gleichwertig sind und deshalb sich auf die Bewertung des Erwerbes nicht auswirken. Der Senat hat allerdings in seinen Urteilen vom 25. Juli 1984 II R 81/82 (BFHE 141, 553, BStBl II 1984, 771) und vom 18. März 1987 II R 133/84 (BFH/NV 1988, 489) im Anschluß an die Urteile vom 30. März 1977 II R 143/66 (BFHE 122, 152, BStBl II 1977, 556) und vom 3. März 1978 III R 7/76 (BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 298) ausgesprochen, daß die kaufvertragliche Verpflichtung zur Grundstücksübereignung mit 140 v.H. des Einheitswertes auch dann zu bewerten ist, wenn der Käufer seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Hieran hält der Senat nach nochmaliger Prüfung (jedenfalls für den Fall der beiderseits noch nicht erfüllten entgeltlichen Verträge) nicht mehr fest. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die Verpflichtung zur Grundstücksübereignung (bzw. zur Bestellung eines Erbbaurechtes) nicht anders zu bewerten ist als der Anspruch auf den Kaufpreis (bzw. auf die Erbbauzinsen), so daß sich Anspruch und Verpflichtung wertmäßig ausgleichen. Hierbei läßt er sich von folgenden Überlegungen leiten:

Die im vorliegenden Fall sichtbar gewordene Problematik der Bewertung von entgeltlichen Verträgen, die beiderseits noch nicht erfüllt worden sind, geht darauf zurück, daß für die Bewertung des Grundbesitzes einschließlich der Bewertung der Erbbaurechte nach wie vor von den Wertverhältnissen am 1. Januar 1964 auszugehen ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes i.V.m. § 27 BewG), während im übrigen aktuelle Werte maßgebend sind. Zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. den Beschluß vom 11. Juni 1986 II B 49/83 (BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782).

Das Festhalten an der Bewertung des Grundbesitzes unter Zugrundelegung der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 hat zur Folge, daß der Verkauf oder der Kauf von Grundbesitz steuerrechtlich regelmäßig zu erheblichen rein steuerrechtlichen Vermögensänderungen führt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats treten diese Vermögensänderungen bereits mit dem wirksamen Abschluß eines entsprechenden entgeltlichen Vertrages ein. Diese Ergebnisse können jedoch aus dem geltenden Bewertungsrecht nicht unmittelbar abgeleitet werden.

Es gibt keine Vorschrift des BewG, wonach die noch nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 ermittelten Einheitswerte des Grundbesitzes auch für die Bewertung der entsprechenden Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen maßgebend sein sollen. Allerdings spricht manches dafür, diese Schlußfolgerungen in bestimmten Fällen zu ziehen, z.B. dann, wenn sich die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner nur (noch) auf die Sachleistungsverpflichtung beschränken oder wenn im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer ein vom Erblasser noch nicht erfülltes Schenkungsversprechen zu berücksichtigen ist. Hier dürfte es nicht vertretbar sein, das im Nachlaß noch vorhandene Grundstück mit 140 v.H. des Einheitswertes anzusetzen und die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstückes mit dem gemeinen Wert abzuziehen.

Anders ist jedoch die Lage, wenn ein beiderseits noch nicht erfüllter entgeltlicher Vertrag zu beurteilen ist. Hier stehen die beiderseitigen Leistungen in einem so engen Gegenseitigkeitsverhältnis, daß es nicht gerechtfertigt ist, sie unterschiedlich zu bewerten. Es ist auch sonst kein überzeugender Grund ersichtlich, in diesen Fällen die Vermögensänderungen, die allein ihre Ursache in den unterschiedlichen Bewertungsansätzen haben, bereits mit dem Abschluß des gegenseitigen Vertrages eintreten zu lassen.

Dies bedeutet im vorliegenden Fall, daß die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers beiderseits noch nicht erfüllten Erbbaurechtsbestellungsverträge die Höhe des Steuerwertes des klägerischen Erwerbs nicht beeinflussen.

Daß die Erbbaurechtsbestellungsverträge in dem hier strittigen Ausmaß beiderseits noch nicht erfüllt waren, folgt daraus, daß die Erbbaurechte erst nach dem Tod des Erblassers am 17. März bzw. 27. April 1981 eingetragen wurden und die Zahlung der Erbbauzinsen vertragsgemäß erst mit dem 15. Oktober 1980 aufgenommen wurde. Ob im Einzelfall für die Annahme der Erfüllung der Verpflichtung zur Bestellung des Erbbaurechtes bereits ein früherer Zeitpunkt als der Zeitpunkt der Eintragung des Erbbaurechts in Betracht kommen kann, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Denn jedenfalls kann von der Erfüllung der Verpflichtung zur Eintragung von Erbbaurechten auch bei einer vom Erblasser etwa noch ausgesprochenen Einigung dann nicht gesprochen werden, wenn die mit den Erbbaurechten zu belastenden Grundstücke im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht vermessen worden waren und auch noch kein Veränderungsnachweis des Katasteramtes vorlag. Im vorliegenden Fall datiert der Veränderungsnachweis des Katasteramtes nach den Feststellungen des FG vom 18. September 1980, mehr als zwei Monate nach Eintritt des Todes des Erblassers.

2. Im vorliegenden Fall ist, entgegen der Auffassung des FG, auch nicht nachträglich eine weitere Erbschaftsteuer aufgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a (2. Alternative) ErbStG 1974 entstanden. Nach dieser Vorschrift entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, daß der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers begründete aber erst später entstehende Anspruch bei der Erbschaftsteuer unberücksichtigt bleibt.

Dieser Tatbestand ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Bei der Festsetzung der mit dem Tod des Erblassers entstandenen Erbschaftsteuer sind die Ansprüche und die Verpflichtungen aus den schuldrechtlichen Erbbaurechtsbestellungsverträgen als gleichwertige gegenseitige schuldrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu berücksichtigen. Das schließt es aus, den Anspruch auf die Erbbauzinsen, die im vorliegenden Fall von der Übergabe der Grundstücke an zu zahlen waren, als aufschiebend bedingten oder betagten oder befristeten Anspruch anzusehen (vgl. in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte Senatsurteil in BFH/NV 1988, 489).

3. Der Senat ist in der Lage, aufgrund der getroffenen Feststellungen selbst zu entscheiden. Ausgehend von den im übrigen nicht angegriffenen Zahlen der Einspruchsentscheidung errechnet sich die Erbschaftsteuer wie folgt:

  

Gesamterwerb lt.

Einspruchsentscheidung                          1.549.722, - DM

  

abzüglich Kapitalwert der Erbbau-

zinsen aus Erbbaurechten,

die erst 1981 entstanden sind                    645.768,00 DM

                                                                 --------------------

verbleiben                                                 903.954,00 DM

  

abzüglich Freibetrag                                    90.000,00 DM

                                                                 --------------------

verbleiben                                                 813.954,00 DM

  

abgerundet:                                              813.900,00 DM

  

Erbschaftsteuer 9,5 v.H. =                           77.320,50 DM

  

abzüglich Anrechnung der Steuer

auf die Vorerwerbe                                        6.850,00 DM

                                                                  -------------------

festzusetzende Erbschaftsteuer                   70.470,50 DM.