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  BFH-Urteil vom 23.1.1990 (IX R 8/85) BStBl. 1990 II S. 464

Wird im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mietwohngrundstücks ein zu dessen Bebauung vom Verkäufer aufgenommenes Darlehen vorzeitig abgelöst, um das Grundstück vertragsgemäß lastenfrei übereignen zu können, so ist die für die vorzeitige Darlehensrückzahlung an den Darlehensgläubiger zu leistende Entschädigung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1985, 289)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) - zusammen veranlagte Eheleute - waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem sie im Jahre 1973 einen aus sechs Eigentumswohnungen bestehenden Wohnblock errichtet und anschließend durch Vermietung genutzt hatten. Das Bauvorhaben war u.a. mit Hilfe eines Bankdarlehens in Höhe von 328.000 DM finanziert worden, das durch eine entsprechende Buchgrundschuld gesichert und frühestens zum 30. Juni 1983 (mit dreimonatiger Frist) kündbar war. Als sich die Kläger - aus Gründen persönlicher Art - im Streitjahr 1976 zur Veräußerung des Grundstücks entschlossen und deshalb bei dem Kreditinstitut nach den Modalitäten einer vorzeitigen Vertragsbeendigung angefragt hatten, erklärte sich dieses nur gegen Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 29.520 DM (9 v.H. 328.000 DM) zur vorzeitigen Ablösung des Darlehens bereit. Diese Ersatzleistung wurde im wesentlichen damit begründet, daß das zurückfließende Darlehen am Kapitalmarkt inzwischen nicht mehr zu gleichen Bedingungen wie seinerzeit bei Vertragsschluß mit den Klägern untergebracht werden könne. Die Kläger, die sich im Kaufvertrag vom 11. Oktober 1976 (Übergabe und Eintritt der Rechtsnachfolger in die bestehenden Mietverträge am 1. Dezember 1976; Auflassung am 4. Januar 1977) den Erwerbern gegenüber zur lastenfreien Grundstücksübertragung verpflichtet hatten, entrichteten die Ersatzleistung am 30. Dezember 1976 und machten sie im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) jedoch nicht. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 289 veröffentlichtem Urteil als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügen die Kläger unzutreffende Auslegung des Werbungskostenbegriffs (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Nach der in Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertretenen Ansicht werde der Werbungskostenbegriff des § 9 EStG in Anlehnung an den Begriff der Betriebsausgaben kausal verstanden (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1972 VIII R 56/68, BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880). Schuldzinsen für ein Darlehen zum Erwerb eines Mietwohngrundstückes seien durch die Erzielung von Mieteinnahmen veranlaßt, auch wenn sie auf die Zeit nach Veräußerung des Grundstücks entfielen. Eine strikte Trennung der Vermögens- und der Ertragssphäre bei Überschußeinkünften müßte zur Versagung des Schuldzinsenabzugs als Werbungskosten überhaupt führen und damit auch zur Aufgabe des Veranlassungsprinzips bei den Werbungskosten. Die hier gezahlte Entschädigung sei nicht für die Zeit nach Beendigung der Einkunftserzielung aus Vermietung und Verpachtung angefallen, sondern zusammen mit der Beendigung.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1976 dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuerschuld auf 4.856 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat den begehrten Werbungskostenabzug rechtsfehlerfrei versagt. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bilden grundsätzlich die Aufwendungen, bei denen objektiv ein Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (Urteile des BFH vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453, und vom 23. Februar 1988 IX R 151/86, BFH/NV 1989, 485). Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nicht (nicht mehr) gegeben, soweit die Aufwendungen - wie hier - allein durch die Veräußerung des Mietobjekts veranlaßt sind; denn beim Verkauf des zum Privatvermögen gehörenden Mietwohngrundstücks handelt es sich - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des Spekulationsgeschäfts i. S. der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG - um einen nicht einkommensteuerbaren Vorgang in der Vermögenssphäre. Da der Veräußerungserlös nicht der Einkommensteuer unterliegt, können auch die im engen Zusammenhang mit der Veräußerung angefallenen Aufwendungen nicht einkommensteuermindernd berücksichtigt werden.

Dies gilt auch für Finanzierungskosten. Schuldzinsen sind Werbungskosten, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Der Begriff der Schuldzinsen erfaßt zwar nach ständiger Rechtsprechung alle Aufwendungen zur Erlangung wie Sicherung eines Kredits einschließlich des Falles der Umschuldung und der Ablösung (vgl. das Senatsurteil vom 29. Oktober 1985 IX R 56/82, BFHE 145, 52, BStBl II 1986, 143, 146, m. w. N.). Entscheidend für den Werbungskostenabzug ist aber, daß die Finanzierungskosten mit angestrebten oder zufließenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Senatsurteile vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161, Ziff. 2 der Gründe, und vom 24. Januar 1989 IX R 111/84, BFHE 156, 131, BStBl II 1989, 706). Wird - wie im Streitfall - die Schuld vorzeitig abgelöst, um vertragsgemäß ein lastenfreies Grundstück übereignen zu können, ist die dafür an den Darlehensgläubiger zu entrichtende Entschädigung allein der nicht einkommensteuerbaren Veräußerung zuzurechnen. Das gilt auch dann, wenn der Kredit ursprünglich zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen wurde, so daß er zunächst durch diese Einkunftsart veranlaßt war. Die Veranlassung der Kreditaufnahme durch die frühere Einkünfteerzielung wird dann durch den neuen und engeren Zusammenhang der Kreditkündigung mit der einkommensteuerrechtlich unerheblichen Vermögensumschichtung überlagert. Die Zahlung der Entschädigung ist nicht mehr nur der letzte Akt der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Von dieser Rechtsauffassung ist der erkennende Senat bereits im Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 151/86 (BFH/NV 1989, 485) zu Räumungskosten im Zusammenhang mit der beabsichtigten Veräußerung eines Mietwohngrundstücks und im Urteil vom 1. August 1989 IX R 17/86 (BFH/NV 1990, 94) zu Verzugszinsen beim Rücktritt von einem Grundstückskauf (im Anschluß an die dort zitierte BFH-Rechtsprechung) ausgegangen (vgl. ferner - zur Einkunftsart Kapitalvermögen - das Urteil des VIII. Senats vom 27. Juni 1989 VIII R 30/80, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934).

Auch ein Abzug als nachträgliche Werbungskosten gemäß § 24 Nr. 2 EStG kommt nicht in Betracht; denn diese Regelung gilt nach dem BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82 (BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373, Nr. 2 der Gründe) nur für Schuldzinsen, soweit sie auf die Zeit der Vermietung und Verpachtung entfallen und nach Ablauf dieser Zeit bezahlt werden. Dagegen stehen durch die Beendigung der Vermietung und Verpachtung veranlaßte Schuldzinsen nicht mehr in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser Einkunftsart. Deshalb sind, wie der VIII. Senat ebenfalls ausgesprochen hat, auch Aufwendungen für die vorzeitige Ablösung eines Darlehens nicht als nachträgliche Werbungskosten abziehbar. Dem folgt der erkennende Senat. Die Berufung der Kläger auf die Kritik an dieser BFH-Entscheidung im Schrifttum (B. Meyer, Deutsches Steuerrecht 1983, 531) geht schon deshalb fehl, weil auch dort (a.a.O., 536) Kosten der Abwicklung eines Darlehensverhältnisses zur lastenfreien Veräußerung des Grundstücks als nicht abziehbar angesehen werden.

Sofern und soweit das Urteil in BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880 hiervon abweichende Ausführungen enthalten sollte, wäre es durch die neuere Rechtsprechung überholt.