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  BFH-Urteil vom 13.12.1989 (I R 98-99/86) BStBl. 1990 II S. 468

1. Die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer GmbH ist stets ab deren zivilrechtlich wirksamer Gründung anzuerkennen. Sie wirkt solange fort, als die GmbH zivilrechtlich besteht.

2. Einer GmbH sind steuerrechtlich die Einkünfte zuzurechnen, die sie erzielt. Sie erzielt gewerbliche Einkünfte, wenn die sie auslösende Tätigkeit im Namen und für Rechnung der GmbH ausgeübt wird.

KStG 1977 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, § 27 Abs. 3 Satz 2; EStG 1984 § 2 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

In den Streitjahren 1978 und 1979 waren an der mit Vertrag vom 21. Dezember 1977 gegründeten Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, W zu 75 v.H. und seine Ehefrau zu 25 v.H. beteiligt. W war auch der Geschäftsführer der Klägerin.

Bis Ende 1977 hatte W eine Kraftfahrzeugwerkstatt, eine Tankstelle und einen Handel mit Kraftfahrzeugen als Einzelunternehmen betrieben. Mit Pachtvertrag (ohne Datumsangabe) verpachtete W das ihm gehörende Betriebsgrundstück des früheren Einzelunternehmens mit Gebäuden, Tankstellenzufahrt und Tankstellenüberdachung an die Klägerin. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin einen monatlichen Pachtzins von 25 v.H. des Reingewinns, mindestens aber 2.000 DM zu zahlen. Dem Verpächter stand ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall zu, daß die Klägerin mit dem Pachtzins für mehr als drei Monate in Rückstand geriet. Der Klägerin war es vertraglich untersagt, gegenüber dem Pachtzins mit Gegenforderungen aufzurechnen. Die Klägerin führte in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis Ende 1982 das frühere Einzelunternehmen als angebliche Betriebsgesellschaft weiter.

Auf den Stichtag "1. Januar 1978" erstellte die Klägerin im Oktober 1978 eine "Einbringungs-Bilanz". Darin wurden verschiedene Wirtschaftsgüter (u.a. Tankstellensäulen, Kraftfahrzeuge und Hebebühnen) angesetzt und mit 1 DM bewertet. Unter "kurzfristige Verbindlichkeiten" wurde u.a. ein Verrechnungskonto "W" mit 400.780,93 DM ausgewiesen. In den Streitjahren zahlte die Klägerin keine Pacht an W. Ihre diesbezüglichen Verbindlichkeiten wurden lediglich auf dem Verrechnungskonto "Einzelfirma" erfaßt, das dem in der "Einbringungsbilanz" ausgewiesenen Verrechnungskonto "W" entsprach. Auf dem Konto wurden die Geschäftsvorfälle des Jahres 1978 im November 1979 und die des Jahres 1979 wahrscheinlich im Dezember 1980 verbucht. Der Pachtzins 1978 betrug lt. Gewinn- und Verlustrechnung 60.000 DM und der Pachtzins 1979 81.600 DM. Die Verbindlichkeiten lt. Verrechnungskonto gegenüber W betrugen zum 31. Dezember 1978 288.819 DM und die zum 31. Dezember 1979 293.519 DM.

Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Pachtvertrag für Zwecke der Besteuerung nicht an. Er behandelte die als Aufwand verbuchten Pachtzinsen in Höhe von 60.000 DM (1978) und 81.600 DM (1979) sowohl als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 als auch als andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977. Die Einsprüche gegen die geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1978 und 1979 vom 28. Juli 1982 blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen der Klägerin in zwei Urteilen statt. Es verpflichtete das FA gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG), die Körperschaftsteuern und die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge ohne Berücksichtigung verdeckter Gewinnausschüttungen festzusetzen.

Mit seinen vom FG zugelassenen Revisionen rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977.

Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin hat zu den Revisionen des FA keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

A.

Der Senat hat es für angebracht gehalten, die Verfahren I R 98/86 und I R 99/86 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander zu verbinden (§ 121, § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

B.

Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen dessen Entscheidungen nicht.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977 sind u.a. GmbH, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Dazu hat der erkennende Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1986 I R 202/82, BFHE 148, 153, BStBl II 1987, 308; I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, und vom 13. September 1989 I R 105/86 nicht veröffentlicht - NV -) entschieden, daß die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977 geregelte Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer Kapitalgesellschaft an deren Zivilrechtsfähigkeit anknüpft. Deshalb ist die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer GmbH stets ab deren zivilrechtlich wirksamer Gründung anzunehmen. Sie wirkt solange fort, als die GmbH zivilrechtlich wirksam besteht. Für den Streitfall ist das FG in tatsächlicher Hinsicht von der zivilrechtlich wirksamen Gründung der Klägerin Ende 1977 und ihrem Fortbestand bis Ende 1979 ausgegangen. Auch hat es festgestellt, daß die Klägerin Sitz und Geschäftsleitung im Inland hatte. Dann aber war sie in den Streitjahren unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

2.a) Das FG irrt, wenn es in den Vorentscheidungen sinngemäß ausführt, die Zurechnung von Einkünften gegenüber der Klägerin hänge davon ab, ob der Pachtvertrag zwischen ihr und W ernsthaft vereinbart und tatsächlich durchgeführt worden sei. Der Klägerin sind die Einkünfte steuerrechtlich zuzurechnen, die sie erzielte (§ 8 Abs. 1 KStG 1977, § 2 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Im Streitfall kommt nur die Erzielung von Einkünften aus dem Betrieb einer Kraftfahrzeugwerkstatt und einer Tankstelle sowie aus dem Handel mit Kraftfahrzeugen in Betracht. Dazu folgt aus dem die frühere Rechtsprechung nur wiedergebenden § 15 Abs. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1983, 1.583, BStBl I 1984, 14) bzw. aus § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV), daß der Betrieb einer Kraftfahrzeugwerkstatt und einer Tankstelle sowie der Handel mit Kraftfahrzeugen ertragsteuerrechtlich unter dem Gesichtspunkt einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung zu sehen ist, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Entsprechend sind der Klägerin die in Betracht kommenden Einkünfte dann zuzurechnen, wenn die genannten Betätigungen in ihrem Namen und für ihre Rechnung ausgeübt wurden. Diese Frage ist unabhängig davon zu beantworten, ob die für die Führung des Gewerbebetriebes notwendigen Wirtschaftsgüter wirksam auf die Klägerin zu Eigentum übertragen oder zumindest auf Grund eines wirksamen Vertrages zur Nutzung überlassen wurden. Für die Beurteilung der Zurechnung der Einkünfte gegenüber der Klägerin kommt es deshalb nicht darauf an, ob der abgeschlossene Pachtvertrag von Anfang an vereinbart war, ob er eindeutig war und ob er tatsächlich durchgeführt wurde.

b) Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Kraftfahrzeugwerkstatt und die Tankstelle im Namen und für Rechnung der Klägerin geführt wurden. Entsprechendes gilt für den Handel mit Kraftfahrzeugen. Auf die entsprechenden Feststellungen kommt es jedoch für das Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung der Entscheidungen an. Deshalb können die Entscheidungen keinen Bestand haben. Die fehlenden Feststellungen nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Deshalb waren die Vorentscheidungen aufzuheben und die Sachen an das FG zurückzuverweisen.

3. Für den zweiten Rechtszug weist der Senat auf folgendes hin:

a) Sollte das FG zu der Überzeugung kommen, daß die unter II. B. 2. a genannten Betätigungen im Namen und für Rechnung der Klägerin ausgeübt wurden, wird es prüfen müssen, welche Vermögensmehrungen und -minderungen in die Ermittlung der Gewinne der Klägerin einfließen müssen. Sollte das FG dabei zu der Überzeugung gelangen, daß der zwischen der Klägerin und W abgeschlossene Pachtvertrag insgesamt unklar war und nicht durchgeführt wurde, so sind die darauf beruhenden Leistungen der Klägerin verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977, soweit sie den Gewinn der Klägerin minderten. Die aufwandsmäßige Nichtberücksichtigung von Pachtzinsen schließt es jedoch nicht aus, im übrigen von einer Überlassung der Wirtschaftsgüter durch W an die Klägerin auszugehen. Dazu kann letztlich dahinstehen, ob diese Nutzungsüberlassung auf einer zivilrechtlichen Vereinbarung beruht oder faktischer Natur ist.

b) Gilt nur für das Verfahren I R 98/86: Losgelöst von der Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist zu prüfen, ob auch andere Ausschüttungen i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 anzunehmen sind. Dies setzt eine Vermögensminderung der Klägerin voraus, die sich durch einen Mittelabfluß konkretisiert hat. Daran fehlt es, wenn die Klägerin lediglich eine Verbindlichkeit gegenüber W als Rückstellung verbuchte und als Aufwand behandelte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Mai 1989 I R 90/85, BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800, und vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Im übrigen setzt die revisionsrechtliche Überprüfung der Ausschüttungsbelastung in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung der entscheidungserheblichen vEK-Bestände voraus (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 87/83, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75). Verfährt das FG nach Art. 3 § 4 VGFGEntlG, dann muß sich aus den Entscheidungsgründen ergeben, ob die Änderungsanweisung an das FA auch die Herstellung der Ausschüttungsbelastung mitumfaßt.