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  BFH-Urteil vom 24.1.1990 (I R 33/86) BStBl. 1990 II S. 470

1. Der Freibetrag gemäß § 24 Satz 1 KStG 1977 steht den in das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren einbezogenen Körperschaften nicht zu (§ 24 Satz 3 Nr. 1 KStG 1977).

2. Eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft kann den Freibetrag gemäß § 24 Satz 1 KStG 1977 auch dann nicht beanspruchen, wenn sie satzungsmäßig keine Ausschüttungen tätigen darf und ihre Gesellschafter ebenfalls gemeinnützige Körperschaften sind.

KStG 1977 §§ 24, 41, 43, 51; EStG §§ 3c, 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 1979 ein Seniorenzentrum. Sie wurde durch Bescheid des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) vom 16. Januar 1973 als gemeinnützig anerkannt.

Gesellschafterinnen der Klägerin waren im Streitjahr der Verein für soziale Betreuung älterer Mitbürger .... mit 95 v.H. und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband .... mit 5 v.H. Die Gesellschafter waren ebenfalls als gemeinnützige Körperschaften anerkannt. Die Satzung der Klägerin schließt die Ausschüttung von Gewinnen an die Gesellschafter aus.

Im Rahmen ihrer Gesamttätigkeit unterhielt die Klägerin im Streitjahr einen Restaurationsbetrieb (Cafeteria), den das FA als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb behandelte. Auf der Grundlage der Körperschaftsteuererklärung 1979 der Klägerin ermittelte das FA ein körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen von .... DM und setzte durch Bescheid vom .... eine Körperschaftsteuer von .... DM fest. Abweichend von der Steuererklärung der Klägerin berücksichtigte das FA dabei keinen Freibetrag gemäß § 24 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977).

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab. Es ermäßigte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um den Freibetrag von 5.000 DM (§ 24 KStG 1977) und setzte die Körperschaftsteuer auf .... DM herab. Das FG ließ die Revision zu.

Das FA hat Revision eingelegt.

Die Revisionsschrift ist nicht handschriftlich unterzeichnet. Anstelle einer Unterschrift enthält die Revisionsschrift lediglich den in Schreibmaschinenschrift geschriebenen Namen eines zum Richteramt befähigten Beamten. Der Name ist von der Kanzlei des FA beglaubigt.

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung materiellen Rechts.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

II.

A. Die Revision ist zulässig.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß die Revisionsschrift des FA nicht handschriftlich unterzeichnet ist. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision schriftlich einzulegen. Während dieses Formerfordernis im Falle der von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegten Revision (Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1.861, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1989, BGBl I 1989, 2.404) nur erfüllt ist, wenn die Revisionsschrift durch einen Angehörigen der genannten Berufsgruppen handschriftlich unterzeichnet ist, entspricht die Revisionsschrift einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder Behörde auch dann der gesetzlichen Schriftform, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des zum Richteramt befähigten Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. September 1988 IX B 73/88, amtlich nicht veröffentlicht; BFH-Urteil vom 25. April 1989 VIII R 294/84, amtlich nicht veröffentlicht; Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmSOGB 1/78, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 172; gleicher Ansicht Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Tz. 27).

B. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Die Klägerin war im Streitjahr 1979 als gemeinnützige Körperschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 von der Körperschaftsteuer persönlich befreit. Sie war jedoch körperschaftsteuerpflichtig mit den in der "Cafeteria" erzielten Gewinnen. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 ist ausgeschlossen, soweit eine steuerbefreite Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG 1977). Mit dem Betrieb der für die Allgemeinheit zugänglichen Cafeteria übte die Klägerin eine selbständige nachhaltige Tätigkeit aus, durch die Einnahmen erzielt wurden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausging (§ 14 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Es handelte sich nicht um einen Zweckbetrieb i. S. des § 68 Nr. 1 AO 1977, da der Betrieb des Altenheims auch ohne Cafeteria denkbar war (§§ 68 Nr. 1, 65 AO 1977).

2. Vom Einkommen der Klägerin kann kein Freibetrag nach § 24 KStG 1977 abgezogen werden.

Der Freibetrag ist gemäß § 24 Satz 3 Nr. 1 KStG 1977 nicht zu gewähren "für Körperschaften ...., deren Leistungen bei den Empfängern zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes gehören". Damit ist die Gewährung des Freibetrags für alle Körperschaften ausgeschlossen, die in das Anrechnungsverfahren einbezogen sind.

a) Der Wortlaut der Vorschrift ist nicht ganz eindeutig. Die allgemeine Formulierung: ".... deren Leistungen bei den Empfängern zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes gehören", spricht zwar dafür, daß der Freibetrag ausgeschlossen sein sollte, wenn Leistungen der Körperschaft abstrakt zu Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen können. Bei dieser Auslegung kommt es nicht darauf an, ob die Körperschaft tatsächlich Ausschüttungen bewirkt und wie diese Ausschüttungen beim Empfänger steuerlich behandelt werden. Der Wortlaut schließt jedoch nicht völlig aus, den Freibetrag nur zu versagen, wenn konkrete Ausschüttungen der Körperschaft beim jeweiligen Empfänger zu Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen.

b) Der Sinn der Vorschrift ist jedoch aus ihrem Zusammenhang zu entnehmen. Im Schrifttum wird generell die Auffassung vertreten, daß § 24 Satz 3 Nr. 1 KStG 1977 Kapitalgesellschaften von der Gewährung des Freibetrags unabhängig von ihrer Ausschüttungspraxis und von der konkreten steuerlichen Behandlung ihrer Ausschüttungen beim Anteilseigner ausschließe (vgl. Freericks in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 24 KStG Rdnr. 11; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 24 KStG Rdnr. 13; Wilke in Gail/Goutier/Grützner, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar, § 24 Rdnr. 7; Felix/Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 24 Anm. 3; Gutike in Greif/Schuhmann, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 24 Rdnr. 3; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 24 Anm. 1; Sarrazin in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 24 Anm. 5; Krudewig in Kläschen, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 24 Rdnrn. 5 f.).

c) Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

aa) Der Wortlaut des § 24 Satz 3 Nr. 1 KStG 1977 entspricht dem § 23 Abs. 2 Buchst. a KStG 1977, dem § 41 Abs. 1 KStG 1977 und dem § 43 KStG 1977. Das Gesetz verwendet diese Formulierung, um die in das Anrechnungsverfahren einbezogenen Körperschaften von anderen Körperschaften zu unterscheiden. Die Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 50 v.H. in § 23 Abs. 2 Nr. 1 KStG 1977 sollte nur auf Körperschaften anwendbar sein, deren Steuerbelastung nicht durch Ausschüttung auf die Ausschüttungsbelastung von 36 v.H. vermindert werden kann (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 7/5.310, S. 7). Ebenso sollten die Vorschriften über die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals und die Herstellung der Ausschüttungsbelastung (§§ 27 ff. KStG 1977) auf alle Leistungen von Körperschaften - unabhängig von ihrer Rechtsform - angewendet werden, die abstrakt zu Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 EStG führen können (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 24 KStG Rdnr. 13).

Diesem Sprachgebrauch entspricht auch der Wille des Gesetzgebers bei Schaffung des Freibetrags nach § 24 KStG 1977. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll für die Gewährung des Freibetrags unerheblich sein, ob das Unternehmen im jeweiligen Veranlagungszeitraum tatsächlich Gewinne ausschüttet (BT-Drucks. 7/1.470, S. 361). Auch für nicht ausgeschüttete Gewinne soll kein Freibetrag gewährt werden, wenn abstrakt die Möglichkeit besteht, diese Gewinne auszuschütten und dabei die Körperschaftsteuerbelastung auf die Ausschüttungsbelastung von 36 v.H. zu verringern.

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin schließt die Befreiung ihrer Anteilseigner von der Körperschaftsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 nicht aus, daß sie bei einer - satzungswidrigen - Ausschüttung der Klägerin "Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes" erzielen.

Das ergibt sich zum einen aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG 1977. Nach dieser Bestimmung gelten die Befreiungen des Absatzes 1 nicht für inländische Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen. Gewinnausschüttungen unterliegen dem Steuerabzug nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann, wenn der Empfänger subjektiv von der Körperschaftsteuer befreit ist. Das gilt sogar dann, wenn eine Erstattungsmöglichkeit gemäß § 44c Abs. 1 EStG besteht. Denkbare Ausschüttungen der Klägerin an ihre im Streitjahr gemeinnützigen Gesellschafter wären bei diesen somit nicht von der Körperschaftsteuer befreit. Zwar ist die Körperschaftsteuer durch den Steuerabzug abgegolten (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 KStG 1977). Daraus ist jedoch die grundsätzlich bestehende Steuerpflicht abzuleiten.

Im übrigen bleiben nach der Terminologie des EStG Dividenden unabhängig von ihrer steuerlichen Behandlung beim Empfänger "Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes". Auch steuerfreie Einnahmen bleiben "Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 oder 2" EStG. Das EStG verwendet in § 3c den Begriff "Einnahmen" auch für objektiv steuerbefreite Einnahmen und § 51 KStG 1977 schließt eine Anrechnung bei solchen Anteilseignern aus, bei denen die "Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 bis 3 oder Absatz 2 Nr. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes nicht steuerpflichtig" sind. Weder eine objektive noch eine subjektive Steuerbefreiung der Einnahmen schließen somit aus, daß es sich um "Einnahmen" handelt.

Die Zuordnung der Einnahmen aus GmbH-Anteilen zu anderen Einkunftsarten ändert ebenfalls nichts an ihrer Eigenschaft als "Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes". Auch wenn die Ausschüttungen der Kapitalgesellschaft bei ihren Anteilseignern den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 3 EStG), verlieren sie nicht die gesetzlich definierte Eigenschaft von Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil vom 5. Juni 1985 I R 163/81, BFHE 144, 163, BStBl II 1985, 634; vgl. auch Arnold, GmbH-Rundschau 1980, 219).

cc) Im übrigen entbindet entgegen der Auffassung der Klägerin das satzungsmäßige Verbot von Gewinnausschüttungen nicht von der Verpflichtung zur Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals nach §§ 30, 47 KStG 1977. Diese Verpflichtung besteht gemäß dem Wortlaut der §§ 27, 30, 47 KStG 1977 für alle unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften einschließlich der als gemeinnützig anerkannten Gesellschaften. Die Gliederung ist auch im Hinblick auf mögliche Ausschüttungen und auf den nicht auszuschließenden Verlust der Gemeinnützigkeit sinnvoll. Die zur Anrechnung berechtigenden, mit Körperschaftsteuer vorbelasteten Einkommensteile stehen in solchen Fällen auch über den Nachversteuerungszeitraum des § 61 Abs. 3 AO 1977 für Anrechnungszwecke zur Verfügung. Würde entsprechend der Auffassung der Klägerin kein für Ausschüttungen verwendbares Eigenkapital festgestellt, so gingen die von der Körperschaft aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben entrichteten Körperschaftsteuerbeträge für spätere Anrechnungen verloren. Im übrigen würde die Gewährung des Freibetrags gemäß § 24 KStG 1977 dazu führen, daß sich bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals ermäßigt besteuerte Einkommensteile ergäben, die entgegen dem Vereinfachungszweck des § 24 KStG 1977 gemäß § 32 Abs. 2 KStG 1977 aufzuteilen wären.

3. Die Klage der Klägerin war abzuweisen. Das FG hat zwar keine Feststellungen über die Höhe des verwendbaren Eigenkapitals der Klägerin getroffen. Da die Klägerin im Streitjahr jedoch keine Ausschüttungen getätigt hat, kann die Höhe der Körperschaftsteuer nicht durch die Bestände des verwendbaren Eigenkapitals beeinflußt werden.