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BFH-Urteil vom 2.2.1990 (VI R 15/86) BStBl. 1990 II S. 472

1. Überläßt ein Generalvertreter für Fahrzeuge eines bestimmten Herstellers seinen Verkäufern fabrikneue PKW dieses Herstellers mit einem Rabatt von 14 v.H. auf den Listenpreis, so kann darin auch dann ein steuerpflichtiger Arbeitslohn liegen, wenn der Hersteller die Fahrzeuge zuvor dem Generalvertreter verbilligt geliefert hat, weil er Wert darauf legt, daß die Verkäufer PKW seines Fabrikats als Geschäftswagen benutzen.

2. Zum Begriff der aufgezwungenen Bereicherung bzw. des überwiegend eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers.

EStG § 19 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1986, 179)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Verkaufsberater bei der X-KG (X) nichtselbständig tätig. X betreibt eine Generalvertretung für Spezialfahrzeuge der Y-AG (Y). Bis zum Jahre 1982 lieferte Y an derartige Generalvertretungen PKW mit einem Rabatt von 14 v.H. bei einer Haltedauer-Pflicht von einem Jahr, da Y Wert darauf legte, daß die Verkäufer und Verkaufsleiter ihrer Produkte als Geschäftswagen Y-Fahrzeuge benutzen. Arbeitnehmern der Generalvertretungen wurde dieser Rabatt von Y nicht gewährt. X bot einem von ihr bestimmten Personenkreis ihrer Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Y-PKW zu den Firmenbedingungen (Einkaufspreisnachlaß 14 v.H.) zu erwerben. Zu diesem Personenkreis gehört bzw. gehörte auch der Kläger.

X erhielt bei Lieferung von Y-PKW eine Eingangsrechnung und berechnete im Regelfall - so auch beim Kläger - den Endbetrag der Eingangsrechnung an den Mitarbeiter bei Übernahme des Fahrzeugs weiter. Bei Lieferung der Fahrzeuge wurde X zur Auflage gemacht, die PKW als Geschäftsfahrzeuge ein Jahr auf ihren Namen zu halten. Die Fahrzeuge wurden auf den Namen der X zugelassen und nach Bezahlung des Kaufpreises durch den Arbeitnehmer mit dem Kfz-Brief dem jeweiligen Bediensteten übergeben, wobei ihm zur Auflage gemacht wurde, die von Y festgesetzten Sperrfristen (Einjahresfrist) zu beachten.

Im Anschluß an eine Lohnsteuerprüfung im Jahre 1982 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) davon aus, daß dem Kläger folgende Preisnachlässe (Unterschiedsbeträge zwischen den tatsächlichen Entgelten und den um 14 v.H. erhöhten Kaufpreisen) gewährt worden seien:

1977:

4.347 DM

1978:

4.860 DM

1979:

9.191 DM

1980:

5.871 DM.

Um diese Beträge erhöhte das FA die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und erließ entsprechende Änderungsbescheide. Auf eine berichtigte Kontrollmitteilung hin setzte es den Preisnachlaß für 1979 auf 5.385 DM herab und erließ einen erneuten Änderungsbescheid für dieses Streitjahr.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, X habe mit der Überlassung der Personenwagen ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse verfolgt. Denn auf X sei von Y ein entsprechender Druck ausgeübt worden; diesen Druck habe X an ihr Verkaufspersonal weitergegeben. Im übrigen habe er, der Kläger, durch den verbilligten Erwerb keinen Vorteil erlangt. Denn auch nach Abzug des Rabatts handele es sich um teure Fahrzeuge, die er ohne eine entsprechende berufliche Veranlassung nicht angeschafft hätte. Würde man den Preisnachlaß gleichwohl als steuerpflichtige Einnahme ansehen, so stünden ihr entsprechende Werbungskosten gegenüber, so daß sich keine steuerliche Auswirkung ergäbe. Schließlich seien auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht gegeben, da dem FA bereits bei Erlaß der ursprünglichen Steuerbescheide bekannt gewesen sei, daß er, der Kläger, von seinem Arbeitgeber verbilligt Fahrzeuge bezogen habe.

Das FA trat der Auffassung des Klägers aus materiellen und formellen Gründen entgegen. In letzterer Hinsicht führte es aus, die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1978 und 1980 seien unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Hinsichtlich der Kalenderjahre 1978 und 1979 habe auch keine umfassende Außenprüfung, die zu einer Änderungssperre hätte führen können, stattgefunden, sondern lediglich eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung, anläßlich derer festgestellt worden sei, daß der Kläger neben seiner nichtselbständigen Tätigkeit einen Kfz-Handel betreibe. Gegenstand der Prüfung sei die Frage der Unternehmereigenschaft des Klägers gewesen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 179 veröffentlichten Urteil u.a. aus, es könne dahinstehen, ob die formellen Einwendungen des Klägers berechtigt seien. Denn im vorliegenden Fall sei ein geldwerter Vorteil nicht anzusetzen.

Die Frage, ob eine Leistung als Arbeitslohn anzusehen sei, müsse in erster Linie aus der Sicht des Arbeitnehmers beurteilt werden; entscheidend sei, ob er einen Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachte. Nach der Rechtsprechung gelte insoweit - ebenso wie für die Werbungskosten - das Veranlassungsprinzip. Auch eine aufgezwungene Bereicherung könne Arbeitslohn sein, doch müsse es dem Arbeitnehmer freistehen, ob er von dem aufgezwungenen Vorteil Gebrauch machen wolle.

Gehe man von diesen Grundsätzen aus, so rechne der dem Kläger eingeräumte Rabatt nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Zum einen fehle es bereits am Zufluß eines geldwerten Vorteils; denn aus der Sicht des Arbeitnehmers könne bei der Rabattgewährung von 14 v.H. des Listenpreises nicht von einer nennenswerten Vorteilsgewährung gesprochen werden. Nach der Lebenserfahrung würden beim Kauf von Kfz häufig - direkt oder indirekt - Rabatte eingeräumt. Diese seien zwar in der Regel geringer als 14 v.H., doch könne mit dem Zufluß eines Vorteils ein Nachteil verbunden sein, der den Wert des Zugeflossenen ausgleiche. So lägen die Dinge hier. Denn einmal sei der Kläger in der Verfügungsmöglichkeit wegen der Sperrfrist von einem Jahr beschränkt gewesen. Zum anderen sei er aufgrund seines Arbeitsverhältnisses gezwungen gewesen, die Wagen im Rahmen seiner Berufstätigkeit zu verwenden. Dabei sei zu berücksichtigen, daß ihm - ausweislich des Akteninhalts - nicht der gesamte Aufwand für berufliche Fahrten vom Arbeitgeber ersetzt worden sei. Setze man die dem Kläger entstandenen Kosten in Vergleich zu denjenigen Kosten, die ihm bei Nutzung eines üblichen Mittelklassewagens entstanden wären, so könne - auch bei Berücksichtigung der Veräußerungsmöglichkeit nach Ablauf der Sperrfrist - nicht davon gesprochen werden, daß ihm im streitigen Zeitraum nennenswerte Vermögensvorteile zugeflossen seien.

Aber selbst wenn man die Vorteilsgewährung als nicht unbedeutend ansehen würde, käme man im Streitfall zu demselben Ergebnis. Denn es fehle ein entsprechender Veranlassungszusammenhang mit dem Dienstverhältnis. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß Y den Rabatt zunächst der X gewährt habe, die diesen dann an den Kläger weitergegeben habe. Dem Kläger sei ferner bekannt gewesen, daß die Y aus Gründen der Werbung Wert darauf gelegt habe, daß die betreffenden Arbeitnehmer der Generalvertretung Y-PKW führen. Bei dieser Sachlage erscheine die Rabattgewährung aus der Sicht des Klägers nicht als Zuwendung seines Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis, sondern allenfalls als Zuwendung der Y aus den erwähnten Werbegründen. Hinzu komme, daß der Anstoß zum Erwerb von PKW durch die Arbeitnehmer der Generalvertretung bei Gewährung eines Preisnachlasses offenbar von der Y und nicht von X ausgegangen sei. Eine Fallgestaltung der Art, daß sich ein Arbeitgeber im Interesse seiner Arbeitnehmer an einen Lieferanten wende und verbilligte Produkte erwerbe, um den Rabatt an seine Arbeitnehmer weiterzugeben, liege hier nicht vor. Bei Zuwendungen Dritter sei entscheidend, ob der Arbeitnehmer die Leistung als Frucht seiner Dienstleistung ansehe, ob er also zumindest einen sittlichen Anspruch darauf zu haben glaube. Dies sei hier nicht der Fall, da bei der Rabattgewährung eigenbetriebliche Interessen der Y im Vordergrund gestanden hätten.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß als Arbeitslohn alle Bezüge und Vorteile anzusehen sind, die durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726). Im Streitfall handelt es sich nicht um Zuwendungen der Y an den Kläger. Denn Y hat die Fahrzeuge an X geliefert, ohne daß der Weiterverkauf an den Kläger zur Bedingung gemacht oder vereinbart worden war. Vielmehr hätte X die Fahrzeuge auch behalten und ihren Verkäufern für dienstliche Fahrten zur Verfügung stellen können. Der Verkauf an den Kläger unter Weitergabe des Preisnachlasses ist somit eine Lohnzuwendung der Arbeitgeberin X an den Kläger als ihren Arbeitnehmer.

2. Die Annahme einer Lohnzuwendung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger die Y-PKW ohne die Verbilligung möglicherweise nicht gekauft hätte. Insoweit ist allein entscheidend, daß der Arbeitnehmer den Vorteil tatsächlich in Anspruch genommen hat (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II 1977, 99). Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Bereicherung in der Weise aufzwingt, daß der Arbeitnehmer sich dem Vorteil nicht entziehen kann, ohne Nachteile in Kauf zu nehmen (Urteil in BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39). Eine aufgezwungene Bereicherung in diesem Sinne liegt im Streitfall nicht vor. Die hier zum Kauf der Fahrzeuge führenden Umstände können mit den tatsächlichen Gegebenheiten des vorerwähnten BFH-Urteils nicht verglichen werden. Das ergibt sich schon daraus, daß der Kläger in sämtlichen aufeinanderfolgenden vier Streitjahren jeweils einen neuen Y-PKW erworben hat, während X - unter dem Einfluß des Werbeinteresses der Y - nur sicherzustellen hatte, daß die Verkäufer überhaupt einen Y-PKW fuhren.

3. Der verbilligte Weiterverkauf der PKW an den Kläger ist auch nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Arbeitgeberin X erfolgt.

Gemäß den Ausführungen unter 1. ist auf das Interesse der X und nicht - wie das FG meint - auf das Interesse der Y abzustellen; denn nicht Y, sondern X als Arbeitgeberin hat die Fahrzeuge an die Verkäufer und Verkaufsleiter geliefert. X hatte ein Interesse an der verbilligten Überlassung der Fahrzeuge an diese ihre Arbeitnehmer, weil sie damit dem Wunsch der Y ohne eigene Kapitalbindung nachkommen konnte. Diesem Interesse stand aber das Interesse der Arbeitnehmer gegenüber, einen begehrten PKW der Marke Y verbilligt überlassen zu bekommen, den man nach der Jahresfrist ohne Verlust weiterverkaufen konnte. Dieser Vorteil, den auch der Kläger erhalten hat, tritt gegenüber dem eigenbetrieblichen Interesse der X nicht in den Hintergrund. Ist aber - neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Gewährung des Vorteils nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Der Senat hat bereits im Urteil in BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726 darauf hingewiesen, daß zwischen dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers eine Wechselwirkung dergestalt besteht, daß das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse um so geringer zählt, je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist.

4. Rechtlich zu beanstanden sind auch die Ausführungen, mit denen das FG einen geldwerten Vorteil dem Grunde nach verneint hat.

Richtig ist zwar, daß Preisnachlässe, die auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden können, keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn i.S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen, weil auch andere Personen als Arbeitnehmer des Verkäufers diesen Vorteil bekommen können. Weitergehende Rabatte, insbesondere solche, die Groß- und Dauerkunden eingeräumt werden, hat der Senat zwar in seinem Urteil vom 15. März 1974 VI R 25/70 (BFHE 112, 70, BStBl II 1974, 413) für steuerfrei erklärt. Diese Aussage stand jedoch unter dem im Urteil vom 19. April 1974 VI R 107/79 (BFHE 115, 98, BStBl II 1975, 383) ausdrücklich ausgesprochenen generellen Vorbehalt, daß der Nachlaß "unter Berücksichtigung aller Umstände des Arbeitsverhältnisses nicht ins Gewicht fällt". Letzteres ist hier jedoch der Fall, da es sich um ins Gewicht fallende Vorteile handelt. Der Senat kann es im übrigen offenlassen, ob er an den Grundsätzen des vorerwähnten Urteils festhält.

Zu Unrecht hat das FG vorteilsmindernd berücksichtigt, daß der Kläger nicht den gesamten mit der beruflichen Nutzung des Fahrzeugs verbundenen Aufwand ersetzt bekam, und daß ihm bei der Nutzung eines üblichen Mittelklassewagens geringere Kosten entstanden wären. Derartige Umstände, die sich zeitlich nach dem Erwerb des Fahrzeugs auswirken, können nach Auffassung des Senats einen geldwerten Vorteil beim Erwerb ebensowenig ausschließen oder mindern, wie ein - nach Ablauf der Sperrfrist getätigter - günstiger Verkauf des Fahrzeugs den zugeflossenen geldwerten Vorteil nachträglich erhöhen kann (§ 8 Abs. 1 EStG).

Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt auch die einjährige Sperrfrist für den Weiterverkauf der Fahrzeuge keinen Abschlag. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 7. April 1989 VI R 47/88 (BFHE 156, 468, BStBl II 1989, 608, betreffend Namensaktien) und VI R 73/86 (BFHE 157, 496, BStBl II 1989, 927, betreffend Genußscheine) entschieden hat, sind zeitlich begrenzte Verfügungsbeschränkungen bei der Bestimmung des gemeinen Werts verbilligt überlassener Wertpapiere im Rahmen des § 19 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 EStG außer acht zu lassen. Der Senat hat dies u.a. aus § 9 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes hergeleitet sowie mit der Schwierigkeit begründet, objektive Anhaltspunkte für die Schätzung von Abschlägen zu finden. Diese Gesichtspunkte müssen auch beim verbilligten Erwerb von Kfz dazu führen, Sperrfristen für die Weiterveräußerung, jedenfalls wenn sie - wie hier - nur ein Jahr betragen, unberücksichtigt zu lassen.

5. Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache muß gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen werden, da sie nicht spruchreif ist. Das FG wird nunmehr zu überprüfen haben, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide vorlagen. Falls dies zu bejahen ist, wird es festzustellen haben, ob und ggf. in welcher Höhe in den Streitjahren Y-PKW der vom Kläger gekauften Typen im normalen Geschäftsverkehr mit Rabatten zu erwerben waren. Der geldwerte Vorteil wäre insoweit ggf. zu mindern.