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BFH-Urteil vom 1.2.1990 (IV R 39/89) BStBl. 1990 II S. 495

Der beim Wechsel von der Einnahme-Überschußrechnung zum Bestandsvergleich entstehende sog. Übergangsgewinn ist, wenn er nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR auf mehrere Wirtschaftsjahre verteilt wurde, bei der Berechnung der betriebsbezogenen Gewinngrenze des § 34e EStG anteilig dem Gewinn der Verteilungsjahre und nicht ausschließlich (aber in voller Höhe) dem Übergangsjahr zuzurechnen.

EStG § 34e.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr (1984) Eigentümer eines 1,5 ha großen Weinbaubetriebes und erzielte hieraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Seinen Gewinn ermittelte er bis zum Schluß des Wirtschaftsjahres 1982/83 durch Einnahme-Überschußrechnung i. S. des § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Mai 1983 forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Kläger auf, wegen Überschreitens der in § 141 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) normierten Gewinngrenzen ab dem 1. Juli 1983 Bücher zu führen. Der Kläger folgte dem und reichte eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Juli 1983 ein. Durch den Ansatz von Traubengeldforderungen gegen die örtliche Winzergenossenschaft in der Eröffnungsbilanz entstand ein Übergangsgewinn wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart in Höhe von 82.335 DM. Auf Antrag des Klägers verteilte das FA diesen Gewinn nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) auf drei Wirtschaftsjahre.

Der Kläger beantragte für den Veranlagungszeitraum 1984 Steuerermäßigung nach § 34e EStG. Diese Veranlagung beruht auf folgenden Besteuerungsgrundlagen:

                                                                          1. Juli bis 31. Dezember

                                                                              -------------------------------

Bilanzgewinn 1983/84                 84.928 DM                             42.464 DM

1/3 Übergangsgewinn                 27.445 DM                             13.722 DM

  

                                                                              1. Januar bis 30. Juni

                                                                              -------------------------------

Bilanzgewinn 1984/85                 48.550 DM                             24.275 DM

1/3 Übergangsgewinn                 27.445 DM                             13.722 DM

                                                  --------------

Gesamtgewinn im Wirt-

schaftsjahr 1984/85                    75.995 DM

Gewinn aus Land- und

Forstwirtschaft im Veranla-

gungszeitraum 1984                                                               94.184 DM.

Das FA gewährte die Steuerermäßigung nicht, da nach seiner Ansicht der Gesamtgewinn des Wirtschaftsjahres 1984/85 den in § 34e EStG bestimmten Höchstbetrag von 60.000 DM überstieg. Demgegenüber vertraten die Kläger die Auffassung, daß der Übergangsgewinn bei der Berechnung dieses Höchstbetrages auch dann in vollem Umfang im Übergangsjahr zu berücksichtigen sei, wenn er nach Abschn. 19 Abs. 1 EStR auf drei Jahre verteilt werde.

Das Finanzgericht (FG) gab der von den Klägern aus diesem Grund erhobenen Klage statt.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 34e Abs. 1 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer eines Steuerpflichtigen vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Vorschrift um die Einkommensteuer, die auf den Gewinn des Veranlagungszeitraums aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb entfällt (begünstigter Gewinn), höchstens um 2.000 DM. Voraussetzung ist, daß der Gewinn des im Veranlagungszeitraum beginnenden Wirtschaftsjahres des betreffenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht nach § 13a EStG ermittelt worden ist und bestimmte Höchstbeträge nicht übersteigt.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 23. Februar 1989 IV R 58/87 (BFHE 157, 47, BStBl II 1989, 709) entschieden hat, gliedert sich die Prüfung der Voraussetzungen der Steuerermäßigung in zwei Stufen. In beiden Stufen ist die Höhe des land- und forstwirtschaftlichen Gewinns zu untersuchen. Auf der ersten Stufe, um festzustellen, ob die Gewinngrenzen von 50.000 DM bzw. 60.000 DM nicht überschritten wurden; auf der zweiten Stufe, um festzustellen, um welche Steuerbeträge die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen zu ermäßigen ist.

Geht es auf beiden Stufen um den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, so handelt es sich doch nicht um denselben Gewinn. Auf der ersten, betriebsbezogenen Stufe wird der Gewinn eines bestimmten Betriebs in dem im Veranlagungszeitraum beginnenden Wirtschaftsjahr untersucht. Auf der zweiten, personenbezogenen Stufe geht es um den Anteil an der Einkommensteuer, der auf den Gewinn oder die Gewinne des Steuerpflichtigen aus Land- und Forstwirtschaft im jeweiligen Veranlagungszeitraum entfällt. In seinem Urteil in BFHE 157, 47, BStBl II 1989, 709 hat der Senat entschieden, daß der Gewinnbegriff auf den beiden Stufen nicht notwendigerweise in gleicher Weise auszulegen ist, daß es aber sinnvoll sei, nach Möglichkeit eine Differenzierung zu vermeiden.

2. Der beim Wechsel von der Einnahme-Überschußrechnung zum Bestandsvergleich entstehende sog. Übergangsgewinn ist, wenn er nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR auf mehrere Wirtschaftsjahre verteilt worden ist, bei der Berechnung der betriebsbezogenen Gewinngrenze des § 34e EStG anteilig dem Gewinn der Verteilungsjahre und nicht ausschließlich (aber in voller Höhe) dem Gewinn des Übergangsjahrs zuzurechnen. Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 25. Juni 1970 IV 340/65 (BFHE 99, 531, BStBl II 1970, 755) darauf hingewiesen, daß die Zu- und Abrechnungen, die beim Übergang von der Einnahme-Überschußrechnung zum Bestandsvergleich erforderlich werden, dem Gewinn des Übergangsjahres zuzurechnen sind. Er hat damit jedoch, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, nur zum Ausdruck bringen wollen, daß die Zu- und Abrechnungen nicht auf der Gewinnermittlung während der Zeit der Einnahme-Überschußrechnung beruhen. Daraus folgt jedoch nicht, daß die in Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR vorgesehene Verteilung auf drei Jahre lediglich ein rein rechnerischer Vorgang ist, der auf die Gewinne der Verteilungsjahre keinen Einfluß hat. Vielmehr hat der Senat in der Entscheidung in BFHE 99, 531, BStBl II 1970, 755 in Übereinstimmung mit den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juni 1966 VI 340/65 (BFHE 86, 509, BStBl III 1966, 540) und vom 20. Januar 1967 VI 384/65 (BFHE 88, 49, BStBl III 1967, 287) die Auffassung vertreten, daß die Billigkeitsregelung nach Abschn. 19 Abs. 2 EStR (a. F.) sich nicht nur bei der Berechnung der Steuer der Folgejahre, sondern auch dahin auswirke, daß der Gewinn der Folgejahre endgültig verändert werde. Entgegen der vom FG vertretenen Auffassung ist diese Rechtsprechung nicht durch das BFH-Urteil vom 5. Oktober 1973 VIII R 20/68 (BFHE 111, 40, BStBl II 1974, 303) überholt. In diesem Urteil wurde lediglich entschieden, daß die Höhe des Übergangsgewinns - auch wenn er nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR verteilt wird - bei der das Übergangsjahr betreffenden Veranlagung mit Bestandskraft für die Verteilungsjahre festgestellt wird.

Gegen diese Auffassung läßt sich nicht mit Erfolg einwenden, sie setze die höherrangige Rechtsnorm des § 4 Abs. 1 EStG aufgrund einer bloßen Verwaltungsanweisung (Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR) außer Kraft. Es werden vielmehr die notwendigen Konsequenzen aus einer Billigkeitsmaßnahme gezogen, die in § 163 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 ihre gesetzliche Grundlage hat. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß durch das in dieser Vorschrift enthaltene Erfordernis der Zustimmung des Steuerpflichtigen bereits angedeutet ist, daß sich die Gewinnverteilung in späteren Jahren für ihn als nachteilig erweisen kann.

Diese Auslegung des betriebsbezogenen Gewinnbegriffs wird der Zielsetzung der Gewinnobergrenze des § 34e EStG gerecht. Der Sinn der in § 34e EStG geregelten Steuervergünstigung besteht darin, beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 13a EStG zu einer anderen Gewinnermittlungsart ein sprunghaftes Ansteigen der Steuerbelastung zu vermeiden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wurde die Vergünstigung jedoch nicht auf solche Übergangsfälle beschränkt, sondern wird in allen Fällen gewährt, in denen der Gewinn nicht nach § 13a EStG ermittelt wird (Josten in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34e EStG Anm. 3). Sinn der betriebsbezogenen Gewinn-Obergrenze ist es, die Steuervergünstigung nicht auch großen Betrieben (die ihren Gewinn ohnehin durch Bestandsvergleich ermitteln) zu gewähren, sondern nur kleinen und mittleren Betrieben (Josten in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.).

Ist aber ein Übergangsgewinn so erheblich, daß er nach Abschn. 19 Abs. 1 Satz 8 EStR auf drei Jahre verteilt wird, so wird die Leistungsfähigkeit des Betriebes nicht zutreffend gekennzeichnet, wenn der Übergangsgewinn bei der Berechnung der betriebsbezogenen Gewinnobergrenze ganz dem Übergangsjahr zugerechnet wird. Die Verteilung auf drei Jahre vermittelt in jedem Fall ein zutreffenderes Bild von der Betriebsgröße. Das gilt nicht nur für den Fall, daß - wie im Streitfall - bei der Verteilung auf drei Jahre in mehreren Jahren die betriebsbezogene Gewinnobergrenze überschritten wird, sondern auch für den, daß diese Grenze bei der ausschließlichen Zurechnung zum Übergangsjahr in diesem Wirtschaftsjahr überschritten würde, während dies bei einer Verteilung in keinem Jahr der Fall wäre.

Das gefundene Ergebnis wird bestätigt, wenn man es mit dem bei Anwendung des § 34e EStG auf der zweiten Stufe zu prüfenden Gewinnbegriff vergleicht. Bei diesem Gewinn handelt es sich um das der Besteuerung zugrunde zu legende Betriebsergebnis, zu dem auch der anteilige Übergangsgewinn gehört. Im Gegensatz zu den Fällen, über die der Senat in seinen Urteilen in BFHE 157, 47, BStBl II 1989, 709 und vom 7. September 1989 IV R 91/88 (BFHE 158, 263, BStBl II 1989, 975) zu entscheiden hatte, handelt es sich hierbei um Teile des laufenden Gewinns, deren Höhe sowohl nach § 4 Abs. 1 EStG als nach § 13a EStG ermittelt werden kann (vgl. Anlage 3 zu Abschn. 19 EStR).

Nach den vorstehenden Ausführungen belief sich der Gewinn des im Veranlagungszeitraum 1984 beginnenden Wirtschaftsjahres 1984/85 auf 75.995 DM. Nach § 34e Abs. 1 Satz 2 EStG mindert sich der Steuerermäßigungsbetrag von 2.000 DM um 20 v.H. des Betrags, um den der Gewinn des im Veranlagungszeitraum beginnenden Wirtschaftsjahres den Betrag von 50.000 DM übersteigt. Damit hat das FA zu Recht angenommen, daß im Streitfall kein Steuerermäßigungsbetrag verbleibt.