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BFH-Urteil vom 28.3.1990 (II R 30/89) BStBl. 1990 II S. 569

Ein immaterieller Wert eines gewerblichen Betriebs wird nur dann durch Aufwendungen des Betriebsinhabers zu einem immateriellen Wirtschaftsgut, wenn dieser Wert eine greifbare Einzelheit neben dem Geschäftswert ist und wenn der Betriebsinhaber über ihn verfügen kann.

BewG § 95.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt Steinbrüche und Kieswerke in verschiedenen Gemeinden. Im Zusammenhang mit diesen Betrieben zahlte sie an einige Gemeinden Zuschüsse zum Bau öffentlicher Straßen. An dem Bau der Ortsverbindungsstraße A - B beteiligte sie sich in den Jahren 1975 bis 1977 neben anderen im Kiesbau tätigen Unternehmen mit einem Zuschuß in Höhe von 508.691 DM. Für den Bau der Umgehungsstraße C leistete sie 1980 einen Zuschuß in Höhe von 2.926.747 DM. Diese Gemeinde erstellte zur Entlastung der Ortsdurchfahrt von dem Schwerlastverkehr, der durch den Steinbruch verursacht wurde, nach einem Planfeststellungsbeschluß des Regierungspräsidiums eine Ortsumgehungsstraße. Sie machte ihre Zustimmung für die Erweiterung des Abbaugeländes der Klägerin davon abhängig, daß diese sich an den Kosten der Umgehungsstraße und der Aufweitung der bestehenden Bahnunterführung beteiligt, soweit diese nicht durch staatliche Zuschüsse gedeckt würden.

Das Finanzamt (FA) vertrat die Auffassung, daß mit den Zuschüssen ein immaterielles Wirtschaftsgut geschaffen worden sei, dessen Wert sich entsprechend der durchschnittlichen Zeitdauer der Ausbeute der Grundstücke innerhalb von sieben Jahren verbrauche. Es setzte demgemäß den Wert der immateriellen Wirtschaftsgüter zu den streitigen Feststellungszeitpunkten wie folgt an:

1. Januar 1978    =

412.500 DM

1. Januar 1979    =

339.800 DM

1. Januar 1980    =

267.100 DM

1. Januar 1981    =

2.685.500 DM

Die Klägerin war der Meinung, der Vorteil der Benutzung einer mit ihren Zuschüssen geschaffenen öffentlichen Straße sei kein klar abgrenzbarer Vorteil und könne deshalb nicht als immaterielles Wirtschaftsgut erfaßt werden.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Die Klägerin hat (nach Zulassung durch den Senat) Revision eingelegt. Sie beantragt, die Zuschüsse für den Bau öffentlicher Straßen bei der Einheitsbewertung ihres Betriebsvermögens auf die Feststellungszeitpunkte 1978, 1979, 1980 und 1981 nicht als immaterielle Wirtschaftsgüter zu erfassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögen im Sinne des § 95 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind nicht nur körperliche Gegenstände, sondern auch immaterielle Werte, die selbständig bewertungsfähig sind. Mit den von der Klägerin geleisteten Zuschüssen wurde weder ein von der Verkehrsanschauung als selbständig beweisbarer immaterieller Wert geschaffen noch ein immaterieller Wert erworben (zu letzterem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Februar 1980 VIII R 80/77, BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687). Ein immaterielles Wirtschaftsgut aufgrund der geleisteten Zuschüsse könnte nach der Rechtsprechung des Senats folglich nur angenommen werden, wenn mit der Zahlung ein immaterieller Wert als greifbare Einzelheit gegenüber dem Geschäftswert in Erscheinung getreten wäre (vgl. BFH-Entscheidungen vom 28. Oktober 1987 II R 224/82, BFHE 151, 198, BStBl II 1988, 50, und vom 23. November 1988 II R 209/82, BFHE 155, 132, BStBl II 1989, 82, m.w.N.). Der VIII. Senat des BFH hat es in seinem Urteil BFHE 130, 155, 157, BStBl II 1980, 687 für möglich gehalten, daß durch die Zuschüsse zum Ausbau einer Straße ein immaterielles Wirtschaftsgut entstehe; er konnte diese Frage aber unentschieden lassen, weil dieses Wirtschaftsgut jedenfalls nicht erworben im Sinne des § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wäre. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß durch Zuschüsse zum Bau einer öffentlichen Straße beim Zuschußgeber kein immaterielles Wirtschaftsgut als geldwerte Realität in Erscheinung tritt. Zwar kann die Benutzungsmöglichkeit einer für den Schwerlastverkehr ausgebauten Straße durch das Unternehmen, mit dessen Betrieb der Schwerlastverkehr verbunden ist, einen (erheblichen) betrieblichen Vorteil bedeuten. Doch ist ein solcher Vorteil nicht eine "greifbare Einzelheit", die gegenüber dem Geschäftswert abgegrenzt werden kann (vgl. hierzu z.B. BFHE 155, 132, BStBl II 1989, 82). Die Greifbarkeit aber erweist erst das Wirtschaftsgut (so BFH-Entscheidung vom 18. Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809). Sie setzt voraus, daß der immaterielle Wert, der sich durch Aufwendungen zum Wirtschaftsgut verdichtet, nicht allein in diesen Aufwendungen seine Grundlage hat; er muß ungeachtet der Aufwendungen abgrenzbar gegenüber dem Geschäftswert vorhanden sein, tritt jedoch erst durch die Aufwendungen als "werthaltige" greifbare Einzelheit oder geldwerte Realität in Erscheinung. Dieses Erfordernis ergibt sich auch daraus, daß ein immaterielles Wirtschaftsgut zwar nicht selbständig verkehrsfähig zu sein braucht, es muß jedoch mit dem Betrieb übertragen werden können (BFHE 155, 132, 134, BStBl II 1989, 82, 83). Hieran fehlt es, wenn mit dem Zuschuß eine öffentliche Straße gebaut wird, an der dem Zuschußgeber ebenso wie allen übrigen Verkehrsteilnehmern nur der Gemeingebrauch zusteht. Wollte man das immaterielle Wirtschaftsgut allein auf eine Zahlung gründen, die einen längerfristigen betrieblichen Vorteil erwarten läßt, so müßten alle Zahlungen, die aus dem Rahmen der täglichen Geschäfte des Unternehmens heraustreten, zu immateriellen Wirtschaftsgütern führen. Damit würde die durch § 95 i.V.m. § 101 Nr. 2 (ab 1986 auch Nr. 4) und § 110 Abs. 1 Nr. 5 BewG vorgegebene Grenze der immateriellen Wirtschaftsgüter überschritten.

Der vorliegende Streitfall liegt, worauf das FA hinweist und womit sich auch die Klägerin auseinandersetzt, ähnlich wie der dem BFH-Urteil vom 25. Mai 1984 III R 30/79 (BFHE 141, 297, BStBl II 1984, 616) zugrunde liegende Sachverhalt. In jenem Fall hat der III. Senat des BFH in Höhe der Zahlung eines Bleichereibetriebs für den Bau einer gemeindlichen Kläranlage ein immaterielles Wirtschaftsgut angenommen. Er unterscheidet sich aber von dem vorliegenden Streitfall in einem wesentlichen Punkt. Der Kläger dieses Verfahrens hat sich an der Herstellung einer Straße finanziell beteiligt, die zwar auch seinem Betrieb zugute kommt, aber dem Gemeingebrauch aller Verkehrsteilnehmer unterliegt; der Kläger des Verfahrens BFHE 141, 297, BStBl II 1984, 616 hat sich am Bau einer Anlage beteiligt, die der Sondernutzung von Betrieben diente, deren Abwässer geklärt werden müssen. Diese Sondernutzung unterliegt der Verfügung des einzelnen Betriebs in dem Sinne, daß sie mit dem Betrieb übertragen werden kann. Ähnlich liegt auch der Unterschied zur Erfassung eines immateriellen Wirtschaftsgutes aufgrund von Mietereinbauten in ein fremdes Grundstück (vgl. BFH-Entscheidung vom 25. Mai 1984 III R 103/81, BFHE 141, 289, BStBl II 1984, 617). Diese Einbauten stehen in einem besonderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang nur zu dem Unternehmen, das die Einbauten vornimmt.

Der Senat entscheidet in der spruchreifen Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Es war entsprechend dem Klageantrag zu erkennen.