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  BFH-Urteil vom 21.2.1990 (X R 174/87) BStBl. 1990 II S. 578

1. Die Anweisung in Abschn. 14 Abs. 2 EStR 1981, daß eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile "von untergeordneter Bedeutung" nicht als Betriebsvermögen behandelt zu werden brauchen, wird für den Veranlagungszeitraum 1981 aus Gründen der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hingenommen.

2. Für die Frage, ob ein Grundstücksteil "von untergeordneter Bedeutung" ist, kann sich der Steuerpflichtige darauf berufen, daß Nebenräume i. S. des § 42 Abs. 4 Nr. 1 der II. BV ausschließlich privat genutzt werden (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83, BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112).

EStG § 4 Abs. 1; EStR 1981 Abschn. 14 Abs. 2; II. BV § 42.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist selbständiger Handelsvertreter. Zusammen mit seiner Ehefrau ist er Miteigentümer zu 1/2 eines selbstgenutzten Einfamilienhauses in E. Die Wohnfläche des Hauses, berechnet nach § 42 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV), beträgt 151,89 qm (Erdgeschoß und Obergeschoß: 116,28 qm, Dachgeschoß: 35,61 qm). Seit der Fertigstellung des Gebäudes im Jahre 1972 benutzte der Kläger das Dachgeschoß des Hauses zu eigengewerblichen Zwecken. Seit dem 1. Januar 1981 wird das Dachgeschoß für private Wohnzwecke verwendet. Als Büro dient nunmehr ein 10,08 qm großes Zimmer zuzüglich anteiligem Flur (Hälfteanteil des Klägers: 3,9 v.H.) im ersten Obergeschoß des Hauses.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der eigengewerblich genutzte Grundstücksteil sei zum 2. September 1975 mit einem Einlagewert von 21.464 DM in das Betriebsvermögen einzulegen. Die Nutzungsänderung zum 1. Januar 1981 habe zu einem Entnahmegewinn in Höhe von 12.139 DM geführt. Das FA erließ im Einspruchsverfahren einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1981, in dem es der Berechnung des Entnahmegewinns als Aufteilungsmaßstab nicht mehr das Verhältnis der Nutzflächen, sondern des umbauten Raums der privat und betrieblich genutzten Gebäudeteile (ohne Kellerräume) zugrunde legte (Ermäßigung des Entnahmegewinns auf 6.401 DM). Der Einspruch gegen diesen Bescheid blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage trug der Kläger vor: Bei der Ermittlung der Wertgrenze des Abschn. 14 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1981 seien die Zubehörräume im Keller eindeutig den Wohn- bzw. den gewerblichen Räumen zuzuordnen. Nur der Raum, in dem sich der Heizungsbrenner sowie die Waschmaschine und der Wäschetrockner befänden, sei mit einer Fläche von 21,2 qm (= 53 cbm) anteilig (zu 20,9 v.H.) dem gewerblich genutzten Gebäudeteil, die übrigen Kellerräume seien Wohnzwecken zuzuordnen. Ausgehend hiervon werde das Gesamtgebäude zu 17,1 v.H. betrieblich genutzt. Das ergebe, bezogen auf den Sachwert des Grundstücks (einschließlich Wert Grund und Boden) einen Betrag von 34.955 DM; hiervon entfielen auf ihn selbst 17.500 DM.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Einschlägiger Aufteilungsmaßstab sei das Verhältnis der Nutzflächen. Es sei aber nicht zu beanstanden, daß die Beteiligten nach Abschn. 14 Abs. 2 Satz 8, Abschn. 13b Abs. 2 Satz 4 EStR übereinstimmend eine Berechnung nach dem Rauminhalt für zutreffend hielten. Bei einer Aufteilung des Gebäudes nach dem Verhältnis der Nutzflächen wären die im Kellergeschoß liegenden Räume dem Wohnzwecken dienenden Gebäudeteil zuzurechnen. Entsprechendes gelte bei einer Berechnung nach Rauminhalten. Wenn bei Anwendung des § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Nutzfläche auch die Wirtschaftsräume zugerechnet würden (Abschn. 55 Abs. 1 Satz 2 EStR), so folge dies nicht aus der II. BV, sondern aus der Zweckbestimmung des § 7b EStG. §§ 43 und 44 der II. BV seien nur für die Ermittlung der Grundflächen und der Gesamtnutzflächen sinngemäß anzuwenden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. September 1980 VIII R 5/79, BFHE 132, 222, BStBl II 1981, 258; Abschn. 55 Abs. 2 Satz 2 EStR).

Auch vorliegend sei der Begriff der Nutzfläche und ihm folgend des Rauminhalts selbständig zu prüfen. Dabei sei davon auszugehen, daß Zubehörräume einen erheblichen Wert darstellten und daher bei der Feststellung des Wertes von Gebäudeteilen mit zu berücksichtigen seien. § 42 Abs. 4 Nr. 1 der II. BV sei hier nicht anwendbar. Der Heizungsraum werde gemischt genutzt, wobei die Nutzung zu privaten Wohnzwecken überwiege. Dieser Raum sei ebenfalls dem privatgenutzten Gebäudeteil zuzurechnen (Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 19. Dezember 1972 VIII R 65/70, BFHE 109, 18, BStBl II 1973, 477). Dies führe zu einer weiteren Minderung des vom Kläger angesetzten Wertes des betrieblichen Grundstücksteils. Unabhängig davon liege er mit 17.500 DM bereits unter der Wertgrenze von 20.000 DM und unter 1/5 des Werts des Gesamtgrundstücks.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es bezieht sich insbesondere auf das BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83 (BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112). Nebenräume seien, da sie dem ganzen Gebäude dienten, auch anteilig den selbständigen Gebäudeteilen zuzuordnen. Der betrieblich genutzte Grundstücksteil habe zum 31. Dezember 1975 die Wertgrenze von 20.000 DM überschritten und sei daher als eingelegt zu behandeln.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat den Tatbestand der Entnahme zu Recht verneint.

1. Nach Abschn. 14 Abs. 2 EStR 1975 ff. sollen eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehören bzw. (Abschn. 14 Abs. 2 EStR 1978) nicht als Betriebsvermögen behandelt werden müssen. Das FG hat die Übereinstimmung dieser Richtlinienregelung mit dem Gesetz stillschweigend unterstellt. Der IV. Senat des BFH hat in seinen Urteilen vom 6. Juli 1978 IV R 164/74 (BFHE 125, 549, 551, BStBl II 1978, 647) und vom 12. Juli 1979 IV R 55/74 (BFHE 128, 527, BStBl II 1980, 5) die Frage ausdrücklich offengelassen, ob Abschn. 14 Abs. 2 EStR, der die Zugehörigkeit von eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteilen zum notwendigen Betriebsvermögen entgegen den allgemeinen Zugehörigkeitskriterien einschränkt, Rechtens ist. In der Literatur sind gegen diese Verwaltungsrichtlinie Bedenken vorgebracht worden: Wegen der zu hohen Wertgrenzen werde notwendiges Betriebsvermögen in betragsmäßig bedeutsamem Umfang nicht erfaßt (z.B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 38 f. bb; Plückebaum in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. B 470; Blümich/Schreiber, Einkommensteuergesetz, § 5, Rz. 440 ff.).

Auch der erkennende Senat hat Bedenken, ob Abschn. 14 Abs. 2 EStR unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung (Abschn. 13b Abs. 3 Satz 3 EStR 1987) Bestand haben kann. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist zu bedenken, daß die - wünschenswerte - Steuervereinfachung durch originäre Rechtsetzung mittels Verwaltungsanweisungen nur in engen Grenzen zulässig ist (vgl. Ossenbühl, Autonome Rechtsetzung der Verwaltung in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1988, § 65 Rdnr. 17 ff., 65). Des weiteren ist in Betracht zu ziehen, daß Abschn. 14 Abs. 2 EStR der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens dienen soll. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG können aber Rechtsregeln, die zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens über die Ermittlung der Einkünfte erforderlich sind, nur als Verordnungsrecht wirksam werden. Der Vereinfachungszweck dieser Richtlinie kommt ohnehin nur eingeschränkt zum Tragen, weil der räumliche Umfang der betrieblichen Nutzung für Zwecke des Betriebsausgabenabzugs zu ermitteln ist (Abschn. 14 Abs. 7 Satz 5 EStR 1975, Abs. 6 Satz 4 EStR 1978 ff.); in Grenzfällen ist für jeden Bilanzstichtag erneut zu prüfen, ob der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil noch von untergeordneter Bedeutung ist (Abschn. 14 Abs. 2 Satz 4 EStR).

Gleichwohl kann der Senat diese Richtlinie für das Streitjahr 1981 noch hinnehmen. Dies vor allem deswegen, weil sie in ihrem Kernbestand seit den EStR 1955 praktiziert wird und eine Beanstandung mit Wirkung für die Vergangenheit Belange der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung beeinträchtigen würde.

2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß bis zum 1. Januar 1981 die Wertgrenze von 20.000 DM nicht erreicht wurde.

a) Das FG hat die Verhältniszahl von 17,1 v.H. rechtlich zutreffend ermittelt. Im Streitfall sind die Zubehörräume in die Verhältnisrechnung einzubeziehen. § 42 Abs. 4 der II. BV ist nicht anwendbar.

Für die Prüfung, ob der Wert eines Grundstücksteils mehr als 1/5 des Werts des ganzen Grundstücks beträgt, sieht Abschn. 14 Abs. 2 Satz 6 EStR als Regel-Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Nutzflächen vor; führt der Ansatz der Nutzflächen zu einem unangemessenen Wertverhältnis der beiden Grundstücksteile, so ist bei ihrer Wertermittlung an Stelle der Nutzflächen der Rauminhalt oder ein anderer im Einzelfall zu einem angemessenen Ergebnis führender Maßstab zugrunde zu legen. Die Beteiligten haben sich auf eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Raummaße verständigt. Das FG hat dies gebilligt, was revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

b) Zu Recht führt das FG aus, daß bei einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Rauminhalte die Zubehörräume in die Verhältnisrechnung einzubeziehen sind, wenn sie auch bei Anwendung des Aufteilungsmaßstabs nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu berücksichtigen wären.

Der Begriff der Nutzfläche wird in Abschn. 14 EStR nicht erläutert. Der VI. Senat hat entschieden, daß die auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallenden anteiligen Werbungskosten grundsätzlich nach dem Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zu der nach §§ 42 bis 44 der II. BV ermittelten gesamten Wohnfläche der Wohnung (einschließlich des Arbeitszimmers) zu ermitteln sind (Urteile in BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112; vom 10. April 1987 VI R 94/86, BFHE 149, 476, BStBl II 1987, 500). Nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 der II. BV sind Nebenräume wie Keller, Waschküche, Abstellräume und Dachböden bei der Ermittlung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen. Dies führt dazu, daß die Aufwendungen für Nebenräume unabhängig von der tatsächlichen Nutzung nach dem Verhältnis der für die (Haupt-)Wohnräume ermittelten Nutzung aufgeteilt werden. Das Urteil in BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112 führt hierzu u.a. aus: Zwar sei die Ermittlung der anteiligen Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer nach dem Wohnflächenverhältnis nicht der einzig denkbare Aufteilungsmaßstab. Möglich wäre auch eine Verhältnisrechnung unter Einbeziehung der Nebenräume. Da jedoch das EStG keine Vorschriften darüber enthalte, welcher Maßstab für die Aufteilung anzuwenden sei, liege es nahe, auf die II. BV zurückzugreifen. Etwas anderes ergebe sich weder aus § 21a Abs. 4 EStG noch aus der Rechtsprechung zu § 7b EStG 1950.

c) Dieser vom VI. Senat des BFH aufgestellte Grundsatz, der u.a. mit Erwägungen der Praktikabilität, der Vereinfachung und der Auswirkung zugunsten des Steuerpflichtigen begründet wird, ist im Streitfall nicht anwendbar. Für die Frage, ob ein Grundstücksteil wegen untergeordneter Bedeutung kein Betriebsvermögen ist, kann sich der Steuerpflichtige - zur Vermeidung von Entnahmefolgen - auf die für ihn günstigste Schätzungsweise berufen.

Im Streitfall hat das FG für den Senat bindend festgestellt, daß die Kellerräume insgesamt "private Vorrats- und Abstellräume sind und der Heizungsraum nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 109, 18, BStBl II 1973, 477 dem privat genutzten Gebäudeteil zuzurechnen ist". Der Kläger kann folglich damit gehört werden, daß der auf diese Räume entfallende Grundstückswert nicht betrieblichen Zwecken dient.

Die Frage, welche Gebäudeteile zum Betriebsvermögen gehören, beantwortet sich damit im wesentlichen nach denselben Kriterien wie die Frage, welche für ihre Herstellung angefallenen Bauleistungen i.S. des § 15 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes "für das Unternehmen bezogen" sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Juli 1988 X R 8/80, BFHE 154, 255, 258, BStBl II 1988, 1.012).

d) Zwar hat das FG die Verhältniszahl von 17,1 v.H. unrichtigerweise auf den Sachwert für Grund und Boden und Gebäude zum 1. September 1975 in Höhe von 204.416 DM angewandt. Dieser vom FA errechnete Wert war indes für die Wertberechnung nicht maßgeblich. Auch die Wertgrenze von 20.000 DM ist zu keinem Zeitpunkt zwischen dem 2. September 1975 und dem 1. Januar 1981 erreicht worden. Der Wert von Grund und Boden und Gebäude betrug zum 1. Januar 1981 227.468 DM (186.468 DM + 164 x 250 DM). 17,1 v.H. hiervon sind 38.897 DM; auf den Kläger entfällt 1/2 = 19.448 DM.