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  BFH-Urteil vom 22.2.1990 (V R 117/84) BStBl. 1990 II S. 599

§ 8 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - 1. UStDV - i.d.F. durch die Zweite Verordnung zur Änderung der 1. UStDV vom 18. Februar 1971 ist rechtsunwirksam.

Der Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bei Aufhebung und Änderung eines Steuerbescheides setzt voraus, daß bereits zu diesem Zeitpunkt die Norm, auf der die bisherige Steuerfestsetzung beruht, von einem obersten Gerichtshof des Bundes nicht angewendet wird, weil er sie für verfassungswidrig hält.

Dem Steuerpflichtigen, in dessen Anfechtungsverfahren der Bundesfinanzhof erstmals die Norm, auf der die Steuerfestsetzung beruht, nicht anwendet, kann Schutz seines Vertrauens in die Gültigkeit der Norm lediglich durch Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung gewährt werden.

UStG 1967 § 15 Abs. 1 und 8 Nr. 1; 1. UStDV § 8; AO 1977 §§ 163, 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1970 und 1971 (ab 1. September 1970) ein sog. Montageunternehmen. Sie erstattete nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ihren Montagearbeitern tariflich genau umrissene Pauschalen für Mehraufwendungen am Montageort oder bei auswärtigen Arbeiten. Der für die Klägerin geltende Tarifvertrag unterschied zwischen Auslösungen bei Fern- und Nahmontagen. Nahmontagen lagen vor, wenn dem Arbeiter die tägliche Rückkehr zu seiner Wohnung zumutbar war; Fernmontagen lagen vor, wenn ein auswärtiges Übernachten des Arbeiters erforderlich war, weil ihm die tägliche Rückkehr entweder an den Sitz des entsendenden Betriebs oder zu seiner Wohnung nicht zuzumuten war.

Für die Fernauslösungen nahm die Klägerin den Vorsteuerabzug für Reisekosten gemäß § 8 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) vom 26. Juli 1967 - 1. UStDV - (hier: in der mit Wirkung vom 1. Januar 1970 geltenden Fassung durch die Zweite Verordnung zur Änderung der 1. UStDV vom 18. Februar 1971, BStBl I 1971, 125) in Anspruch. Eine 1974/1975 durchgeführte Betriebsprüfung führte dazu, daß der Vorsteuerabzug für 1970 in Höhe von 1.687,02 DM und für 1971 in Höhe von 76.281,14 DM rückgängig gemacht wurde. Gleiche Fallgestaltungen (Fernauslösungen) in den Jahren 1972 und 1973 wurden im Hinblick auf Abschn. 21 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1972 (LStR) nicht beanstandet.

Die Beteiligten stritten ferner darüber, "ob der entsprechende Belegnachweis seitens der Klägerin geführt worden ist".

Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie beantragte, ihr den jeweils versagten Vorsteuerabzug in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden 1970 und 1971 zu gewähren, hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage ab. Es hielt die Bestimmung des § 8 Abs. 1, 1. Alternative 1. UStDV für unwirksam. Diese Bestimmung gehe, soweit sie einen Vorsteuerabzug auf Erstattungen an Arbeitnehmer aus Anlaß einer Dienstreise gestatte, über die durch § 15 Abs. 1 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) gegebene Ermächtigung hinaus. Nach dieser Vorschrift könne der Bundesminister der Finanzen (BMF) durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen ...., in welchen Fällen zur Vereinfachung auf die Voraussetzung des gesonderten Ausweises der Steuer für den Vorsteuerabzug verzichtet werden könne und in welcher Weise der Vorsteuerabzug in diesen Fällen vorzunehmen sei. § 15 Abs. 8 Nr. 1 UStG 1967 schaffe damit lediglich die Möglichkeit, auf den gesonderten Ausweis der Steuer (§ 14 Abs. 1 Nr. 6 UStG 1967), nicht aber, wie dies § 8 Abs. 1, 1. Alternative 1. UStDV bestimme, auf die Rechnungserteilung zu verzichten. Gegenüber § 14 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 UStG 1967 habe daher § 8 1. UStDV eine über die Ermächtigung hinausgehende unzulässige rechtsbegründende Funktion (ebenso Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 16. August 1978 IV 265/77, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1978, 212, mit Anmerkung von Mathiak).

Im Hinblick darauf, daß die Norm rechtsunwirksam sei, könne sich die Klägerin auch nicht auf einen Verstoß des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) gegen Treu und Glauben mit der Begründung berufen, die Regelung in den LStR für die Jahre 1970 und 1971 sei inhaltlich mit der Richtlinienregelung ab 1. Januar 1972 zumindest teilweise identisch.

Ob und inwieweit die Klägerin eine Billigkeitsregelung beanspruchen könne, bleibe offen, denn eine solche könne im Steuerfestsetzungsverfahren nicht erfolgen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt sie vor: Sie habe die Regelung in Abschn. 22 Abs. 1 LStR 1970 beachtet, die, abweichend von Abschn. 21 Abs. 2 vorletzter Satz LStR 1970, für die ersten drei Monate der Beschäftigung an Bau- oder Montagestellen desselben Orts stets eine Dienstreise angenommen habe. Abschn. 22 Abs. 1 LStR 1968/1971 sei erst durch die LStR 1972 vom 18. November 1971 mit Wirkung ab 1. Januar 1972 geändert worden.

Umsatzsteuerrechtlich richte sich der Vorsteuerabzug im Streitfall nach § 8 Abs. 1 1. UStDV i.V.m. Abschn. D Teil III Abs. 2 des Erlasses des BMF vom 28. Juni 1969 (BStBl I 1969, 439). Dieser grenze den Begriff der Dienstreise nach den für die Lohnsteuer geltenden Grundsätzen ab (Abschn. 21 Abs. 2 LStR).

Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, ihr dürften keine Nachteile daraus erwachsen, daß sie sich auf die Rechtswirksamkeit des § 8 1. UStDV verlassen habe. Die vom FG angenommene Rechtsunwirksamkeit der Bestimmung hätte unübersehbare Auswirkungen auf die Zeit ab Einführung der Umsatzsteuer 1968 bis zur Änderung der Ermächtigungsvorschrift des § 15 Abs. 8 Nr. 1 UStG ab 1. Januar 1980.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und ihr bei den Umsatzsteuerfestsetzungen 1970 und 1971 die geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus den Auslösungen zu gewähren. Ferner beantragt sie für den Fall, daß eine Erledigung der Hauptsache über Billigkeitsmaßnahmen nicht erreichbar sein sollte, der Revision aus Rechtsgründen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes oder unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. September 1976 VI R 220/75 (BFHE 120, 191, BStBl II 1977, 17) stattzugeben. Sie - die Klägerin - habe die verunglückte Rechtsnorm des § 8 der 1. UStDV sinngemäß richtig ausgelegt.

Das FA hält die Revision der Klägerin unabhängig von der Frage der Rechtswirksamkeit des § 8 1. UStDV für unbegründet. Es trägt zum einen vor, die erst ab dem 1. Januar 1972 geltende Regelung in Abschn. 21 Abs. 2 Satz 11 LStR 1972 mit der Fiktion eines Dienstreisebegriffs könne nicht auf davorliegende Zeiträume zurückbezogen werden.

Im übrigen habe auch die Berufung der Klägerin auf Abschn. 22 Abs. 1 LStR 1970 keinen Erfolg. Diese Anweisung, nach der für die ersten drei Monate der Beschäftigung an Bau- oder Montagestellen desselben Orts stets eine Dienstreise anzunehmen sei, enthalte keine Dienstreisefiktion. Vielmehr ergebe sich aus der Bezugnahme auf Abschn. 21 Abs. 2 Satz 1 LStR 1970, in dem der Dienstreisebegriff erläutert sei, daß sich auch Abschn. 22 LStR 1970 auf Fälle von Bau- und Montagearbeitern beziehe, die trotz ihres Einsatzes auf Bau- und Montagestellen eine regelmäßige Arbeitsstätte im Betrieb des Arbeitgebers hätten.

Der BMF trat nach Aufforderung durch den Senat mit Beschluß vom 24. Mai 1989 dem Verfahren bei.

Er teilt die Auffassung, daß die Gewährung des Vorsteuerabzugs durch § 8 Abs. 1 der 1. UStDV vom 26. Juli 1967 in der mit Wirkung vom 1. Januar 1970 geltenden Fassung durch die Zweite Verordnung zur Änderung der 1. UStDV vom 18. Februar 1971 (BStBl I 1971, 125) aus den im Beitrittsbeschluß genannten Erwägungen durch die Ermächtigung in § 15 Abs. 8 Nr. 1 UStG 1967 nicht gedeckt sei. Mit einer Billigkeitsmaßnahme sei im Streitfall indessen nicht zu rechnen, weil der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt habe, er halte den Belegnachweis des Klägers für nicht erbracht. Das BMF-Schreiben vom 11. Februar 1987 (BStBl I 1987, 260) könne auf den vorliegenden Sachverhalt nicht angewendet werden. Es betreffe die Änderung der Verwaltungsauffassung aufgrund Abschn. 25 Abs. 2 Satz 12 LStR 1984 für Besteuerungszeiträume nach dem 31. Dezember 1983.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Das FG ist revisionsrechtlich unangreifbar davon ausgegangen, daß die Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Erstattungen für Mehraufwendungen an ihre Montagearbeiter nicht beanspruchen kann, weil die herangezogene Anspruchsgrundlage des § 8 Abs. 1 der 1. UStDV durch die Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 8 UStG 1967 nicht gedeckt ist.

Nach § 8 Abs. 1 der 1. UStDV in der ab 1. Januar 1970 für die Streitjahre geltenden Fassung kann ein Unternehmer, der seinem Arbeitnehmer aus Anlaß einer Dienstreise im Inland die Aufwendungen für Übernachtung oder die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Pauschbeträgen erstattet, 9 v.H. dieser Beträge als Vorsteuer abziehen. Die als Vorsteuer abziehbaren Beträge dürfen jedoch 9 v.H. der Pauschbeträge nicht übersteigen, die für die Zwecke der Einkommensteuer oder Lohnsteuer anzusetzen sind.

Die Bestimmung ist nach dem Einleitungssatz der Zweiten Verordnung zur Änderung der 1. UStDV (a.a.O.) aufgrund des § 15 Abs. 8 Nr. 1 UStG 1967 erlassen worden. Nach dieser Ermächtigungsgrundlage kann der BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

in welchen Fällen zur Vereinfachung auf die Voraussetzung des gesonderten Ausweises der Steuer für den Vorsteuerabzug verzichtet werden kann und in welcher Weise der Vorsteuerabzug in diesen Fällen vorzunehmen ist ....

Der Senat kann offenlassen, ob die Erwägung des FG zutrifft, daß § 15 Abs. 8 Nr. 1 UStG 1967 nur den Verzicht auf den "gesonderten Ausweis der Steuer", nicht aber das Absehen von einer Rechnungsunterlage insgesamt gestatte.

§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 gewährt jedenfalls dem Unternehmer den Vorsteuerabzug nur unter den Voraussetzungen, daß ihm von anderen Unternehmern Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt wird für Lieferungen oder sonstige Leistungen, "die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind".

§ 15 Abs. 8 UStG 1967 enthält weder in Nummer 1 noch in der (allenfalls noch einschlägigen) Nummer 2 eine Ermächtigung für ein Absehen von diesen Voraussetzungen aus Vereinfachungsgründen. Im Gegensatz dazu enthält die erweiterte Ermächtigungsgrundlage in § 15 Abs. 8 Nr. 4 UStG 1980 eine Ermächtigung dazu, unter welchen Voraussetzungen, auf welcher Grundlage und in welcher Höhe der Unternehmer den Vorsteuerabzug aus Gründen gleicher Wettbewerbsverhältnisse abweichend von Absatz 1 Nr. 1 aus Kosten in Anspruch nehmen kann, die er aus Anlaß einer Geschäfts- oder Dienstreise oder für einen dienstlich veranlaßten Umzug seiner Arbeitnehmer aufgewendet hat.

Die Voraussetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967, daß der Unternehmer Steuern für Leistungen an ihn für sein Unternehmen als Vorsteuerbeträge geltend machen kann, ist in Fällen der vorliegenden Art - insbesondere im Streitfall - nicht erfüllt: Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Arbeitnehmer (in eigenem Namen]) von anderen Unternehmern in Anspruch nimmt (Übernachtung, Verpflegung), sind Leistungen an ihn und nicht an den Unternehmer. Darüber hinaus sind es Leistungen, die in erheblichem Maße die Bedürfnisse des Arbeitnehmers selbst betreffen (insbesondere Verpflegung, auch Beherbergung), auch wenn sie - weil sie aus Anlaß einer Dienstreise erfolgen - insoweit im Interesse des Unternehmens, also des Arbeitgebers, beansprucht werden. Gleichwohl bestehen Rechtsbeziehungen nur zwischen den Arbeitnehmern und den leistenden Unternehmern. In diesen Leistungsaustausch ist nach den Rechtsbeziehungen der Unternehmer nicht eingeschaltet. An dieser Beurteilung ändert sich nichts durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 8. März 1988 Rs. 165/86 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 325, UR 1989, 190). Darin wurde für Recht erkannt, "daß dann, wenn ein Arbeitgeber, der nach der Regelung über die Mehrwertsteuer steuerpflichtig ist, aufgrund einer Vereinbarung mit einem seiner Arbeitnehmer und mit einem anderen Steuerpflichtigen, dem Lieferer, für eigene Rechnung Gegenstände an diesen Arbeitnehmer liefern läßt, die der Arbeitnehmer ausschließlich für geschäftliche Zwecke des Arbeitgebers gebraucht, und wenn der Arbeitgeber vom Lieferer für diese Lieferungen Rechnungen erhält, mit denen ihm die Mehrwertsteuer für die gelieferten Gegenstände in Rechnung gestellt wird, Artikel 11 Abs. 1 Buchst. a der Zweiten Mehrwertsteuer-Richtlinie und Artikel 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie dahin auszulegen sind, daß der Arbeitgeber die ihm so in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer abziehen kann."

Diese Beurteilung deckt sich im wesentlichen mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. auch die Ansicht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland unter Absatz 18 des vorbezeichneten Urteils). Im Unterschied zu dem dargestellten Urteilsfall fehlt es in Fällen der vorliegenden Art aber zum einen daran, daß der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehrt, mit dem leistenden Unternehmer, der seinem Arbeitnehmer die Leistungen erbringt, Vereinbarungen über diese Leistungen getroffen hat, auch nicht im Sinn dieses Urteils "für eigene Rechnung" an seinen Arbeitnehmer leisten läßt und insbesondere daran, daß der Arbeitnehmer die von ihm bezogenen Leistungen ausschließlich für die geschäftlichen Zwecke des Arbeitgebers gebraucht; denn es handelt sich, wie bereits angegeben, weitgehend um Leistungen, die insbesondere den persönlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers dienen. Im Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG (UR 1978, 212), auf das sich die angefochtene Entscheidung bezieht, ist dies zutreffend entschieden worden.

2. Das FG hat ohne Rechtsverstoß von der Prüfung abgesehen, ob die Voraussetzungen der (rechtsunwirksamen) Durchführungsbestimmung von der Klägerin erfüllt worden sind. Diese Fragen sind nicht Gegenstand des Verfahrens zur Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Klägerin auf die Vorschrift des § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Vertrauensschutz bei der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden berufen. Auch damit kann sie im Revisionsverfahren über die angefochtenen Änderungsbescheide keinen Erfolg haben.

§ 176 AO 1977 ist zwar anzuwenden, obwohl die angefochtenen Änderungsbescheide vor Inkrafttreten der AO 1977 am 1. Januar 1977 ergingen; maßgeblich ist, daß das Einspruchsverfahren über diese Bescheide erst nach dem 31. Dezember 1976 abgeschlossen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1982 I R 190/78, BFHE 135, 396, BStBl II 1982, 682). Die Voraussetzungen der Vorschrift sind aber nicht erfüllt.

Da § 8 der 1. UStDV, den der Senat mit den vorstehend wiedergegebenen Gründen für verfassungswidrig hält, Teil einer Rechtsverordnung und nicht eine Verwaltungsvorschrift ist, scheidet schon aus diesem Grunde die Anwendbarkeit des § 176 Abs. 2 AO 1977 aus. Aber auch die eine "Norm" betreffende Vorschrift des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 hilft im Streitfall nicht. Nach ihr darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß ein oberster Gerichtshof des Bundes eine Norm auf der die bisherige Steuerfestsetzung beruht, nicht anwendet, weil er sie für verfassungswidrig hält.

Wie der Eingangssatz der Vorschrift zeigt, handelt es sich bei den in den Nummern 1 bis 3 geregelten Voraussetzungen um solche, die bereits bei Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids gegeben sein müssen, so daß sie schon zu diesem Zeitpunkt vom FA zu berücksichtigen sind. Der Wortlaut der Vorschrift erfaßt hingegen nicht den (hier gegebenen) Fall, daß erst im Revisionsverfahren über die angefochtenen Änderungsbescheide eine Norm, deren Voraussetzungen im einzelnen streitig sind, vom BFH als einem obersten Gerichtshof für verfassungswidrig gehalten und nicht angewendet wird.

3. Ob die Klägerin ihr Ziel letztlich unter Berufung auf sachliche Billigkeit erreichen kann, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.

Es ist Sache der Finanzverwaltung, in einem Erlaßverfahren (§ 163 AO 1977) zu prüfen, ob der Klägerin, die bis zum Ergehen dieser Entscheidung bei der Gestaltung ihrer umsatzsteuerrechtlichen Verhältnisse auf die Gültigkeit des § 8 der 1. UStDV vertrauen durfte, die Rechtsfolgen der genannten Bestimmung zugute kommen. Ein im Billigkeitsweg verwirklichter Vertrauensschutz kann hier aber nicht weiter reichen, als er (gesetzlich) in den Fällen des § 176 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 bei vergleichbarer Interessenlage vorgesehen ist: die Klägerin müßte die Voraussetzungen der (für verfassungswidrig gehaltenen) Bestimmung des § 8 der 1. UStDV erfüllt haben.