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  BFH-Urteil vom 15.2.1990 (IV R 13/89) BStBl. 1990 II S. 621

Zuschüsse zur Altersversorgung, die ein selbständiger Journalist vom Autorenversorgungswerk der Verwertungsgesellschaft (VG) WORT für Jahre erhält, in denen er in der DDR selbständig tätig war, gehören zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Sie sind weder nach § 3 Nr. 57 oder 63 EStG steuerfrei, noch können sie nach § 34 Abs. 3 EStG auf mehrere Jahre verteilt werden.

EStG 1983 § 18 Abs. 1, § 3 Nrn. 57 und 63, § 34 Abs. 3.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt als Journalist Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Er erhielt im Streitjahr (1984) von dem Autorenversorgungswerk der "Verwertungsgesellschaft (VG) WORT", einer öffentlichen Stiftung des bürgerlichen Rechts, einen Zuschuß zur Altersversorgung für die Jahre 1976 bis 1982 in Höhe von insgesamt 29.420 DM. Derartige Zuschüsse gewährt die VG WORT im Zusammenhang mit der sog. Bibliotheksabgabe, die sie von den Trägern der Bibliotheken erhält. Da die einzelnen Autoren insoweit gegenüber der VG WORT auf die Geltendmachung ihrer Urheberrechte verzichten, erhalten sie von ihr einen Teil der Bibliotheksabgabe und von dem Versorgungswerk einen Zuschuß zur Altersversorgung. Dem Kläger wurde dieser Zuschuß aus Billigkeitsgründen gewährt. Er war im September 1982 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) übergesiedelt und in der DDR in den Jahren 1976 bis 1982 als selbständiger Journalist tätig gewesen. Vor 1976 hatte er die journalistische Tätigkeit als Angestellter ausgeübt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte diesen Zuschuß als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und lehnte auch die beantragte Verteilung auf mehrere Jahre nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom Finanzgericht (FG) zugelassene Revision des Klägers, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid für 1984 vom 3. Juli 1986 in der Weise zu ändern, daß der Besteuerung ein um 29.420 DM vermindertes Einkommen zugrunde gelegt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat den streitigen Zuschuß zur Altersversorgung zu Recht den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet.

Betriebseinnahmen sind alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587).

Betrieblich veranlaßt ist eine Zuwendung von Vermögenswerten dann, wenn ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Der Begriff der "betrieblichen Veranlassung" wird von der Rechtsprechung des BFH im gleichen Sinne verstanden wie bei den Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG; vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1985 IV R 184/82, BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427; vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607).

Im Streitfall hat der Kläger die Zuschüsse zur Altersversorgung von der VG WORT aus betrieblichen Gründen erhalten.

Bei der VG WORT handelt es sich um eine Verwertungsgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vom 9. September 1965 - WahrnG - (BGBl I, 1294). Die Inhaber von Urheber- und Nutzungsrechten an Sprachwerken können der VG WORT die Wahrnehmung ihrer Rechte anvertrauen. Hierüber wird ein Wahrnehmungsvertrag geschlossen (§ 2 I der Satzung i.d.F. vom 26. Juni 1981, abgedruckt in E. Schulze, Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., 1982, Materialie Nr. 57). Nach § 9 II der Satzung wird das Aufkommen aus dem Vermieten und Verleihen von Vervielfältigungsstücken gemäß § 27 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) - der sog. Bibliothekstantieme - nach Abzug eines allgemeinen Kostenanteils zur Hälfte einem Versorgungswerk zugeführt und zur Hälfte individuell ausgeschüttet. Das Versorgungswerk bezuschußt aus den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln freiwillige Versorgungsleistungen von Schriftstellern und Journalisten bis zur Hälfte ihrer Versicherungsbeiträge (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 7. Aufl., 1988, § 27 UrhG Rdnr. 1). Wie der dem Kläger formularmäßig erteilte Bewilligungsbescheid ausweist, besteht auf Gewährung des Zuschusses ungeachtet der Gewährleistung der Gleichbehandlung kein Anspruch.

Die Journalisten, die mit der VG WORT einen Verwertungsvertrag geschlossen haben, verzichten demnach auf die Ausschüttung der Hälfte der ihnen zustehenden Bibliothekstantieme. Diese Hälfte fließt ihnen nicht bereits bei der Abführung seitens der Bibliotheken an die VG WORT zu, da sie keinen Anspruch auf Zuschüsse zur Altersversorgung erwerben und die Zuschüsse nicht von der Häufigkeit der Ausleihen, sondern von der Höhe der selbst gezahlten Versicherungsbeiträge abhängig sind. Zum Zufluß von Betriebseinnahmen kommt es vielmehr erst dann, wenn die VG WORT die Zuschüsse ausbezahlt. Der Fall ist mithin nicht anders zu beurteilen, wie der, daß aus dem Sozialfonds der kassenärztlichen Vereinigungen Leistungen an Ärzte oder deren Hinterbliebene gezahlt werden (vgl. BFH-Urteile vom 6. März 1959 VI 130/55 U, BFHE 68, 604, BStBl III 1959, 231; vom 14. April 1966 IV 335/65, BFHE 85, 442, BStBl III 1966, 458; vom 22. September 1976 IV R 112/71, BFHE 120, 197, BStBl II 1977, 29).

Nicht wesentlich anders verhält es sich beim Kläger. Auch er hat nach seiner Übersiedlung aus der DDR einen Verwertungsvertrag mit der VG WORT geschlossen. Denn er hat einen Antrag auf Gewährung der Zuschüsse zur Altersversorgung gestellt, dem die VG WORT entsprochen hat. Dadurch hat er die VG WORT ermächtigt, die von ihr aufgrund ihrer Satzung wahrzunehmenden Rechte für ihn geltend zu machen. Gleichzeitig hat er auf die Auszahlung der Hälfte der Bibliothekstantieme verzichtet, und zwar auch insoweit, als es sich um Ausleihen von Werken handelt, die in den Jahren 1976 bis 1982 entstanden sind.

Es mag sein, daß diesem Verzicht kein nennenswerter wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Das wird jedoch auch für andere Journalisten gelten. Steuerrechtlich maßgeblich ist, daß es sich bei den Zuschüssen um Zahlungen handelt, die aus Tantiemen geleistet werden, die die Gemeinschaft der von der VG WORT vertretenen Autoren erwirtschaftet hat. Jedenfalls reicht dieser Umstand aus, um einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang der Zuschüsse mit dem Betrieb zu begründen. Das gilt um so mehr, als es für die Annahme eines derartigen Zusammenhangs nicht einmal erforderlich ist, daß die Einnahmen aus der Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen (BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427).

Private Gründe, die die Gewährung der Zuschüsse hätten auslösen können, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Wenn der Kläger geltend macht, die Zuschüsse seien ihm aus Billigkeitsgründen gewährt worden, so ist das im Hinblick auf den von ihm geschlossenen Verwertungsvertrag nicht uneingeschränkt richtig. Eine Billigkeitsmaßnahme lag nur insoweit vor, als dem Kläger die Zuschüsse für Jahre gewährt wurden, in denen er (noch) keine Vertragsbeziehungen zur VG WORT unterhielt.

2. Die streitigen Einnahmen sind auch nicht nach § 3 Nr. 63 EStG in der bis 1989 g.F. von der inländischen Einkommensteuer befreit. Die Vorschrift befreit Einkünfte, die in der DDR bezogen worden sind, von der Einkommensteuer, wenn sie - wären sie in der Bundesrepublik erzielt - bei einem hier beschränkt Steuerpflichtigen zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehört hätten (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen der beschränkten Steuerpflicht Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), die im Inland ausgeübt oder verwertet werden. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit, und zwar auch solche, die aus der späteren Verwertung des hergestellten Werkes herrühren (BFH-Urteil vom 12. November 1986 I R 268/83, BFHE 148, 453, BStBl II 1987, 372). Diese Einkünfte rechnen nicht zu denen aus Vermietung und Verpachtung, weil dieser Tatbestand durch § 18 EStG verdrängt wird (§ 21 Abs. 3 EStG).

Eine schriftstellerische Tätigkeit wird an dem Ort ausgeübt, an dem die Texte verfaßt werden (BFH-Urteil vom 28. Februar 1973 I R 145/70, BFHE 109, 224, BStBl II 1973, 660). Nach dem BFH-Urteil in BFHE 148, 453, BStBl II 1987, 372 sollen auch Vergütungen, die dem Schriftsteller mehrere Jahre nach Beendigung eines Werkes für die Einräumung von Nutzungsrechten an diesem Werk zufließen, aus der am Ort der Abfassung erbrachten Tätigkeit herrühren.

Die von der VG WORT für die Jahre 1976 bis 1982 gezahlten Zuschüsse zur Altersversorgung sind jedoch - wie oben unter 1. dargestellt - nicht in erster Linie durch die Tätigkeit des Klägers in der DDR erwirtschaftet worden. Vielmehr rühren sie ganz überwiegend aus den von der Gemeinschaft der durch die VG WORT vertretenen Autoren verdienten Bibliothekstantiemen her.

Der Senat folgt damit im Ergebnis der im Schrifttum vertretenen Auffassung, derzufolge die vom Härtefonds der GEMA an Übersiedler aus der DDR gezahlten Beträge nicht nach § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit sind (Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 3 EStG Rdnr. 222; Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. 59 f).

3. Auch eine Steuerbefreiung in analoger Anwendung von § 3 Nr. 57 und 62 EStG kommt nicht in Betracht.

Analogie ist die Ausdehnung der dem Gesetz zu entnehmenden Prinzipien auf Fälle, die von den im Gesetz entschiedenen Fällen nur unwesentlich abweichen (Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 58 II 1; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977, Tz. 123; BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 II R 18/75, BFHE 130, 188, BStBl II 1980, 364). Voraussetzung ist das Vorliegen einer Lücke im Gesetz in Form einer planwidrigen Unvollständigkeit (BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70, BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295; Tipke/Lang, Steuerrecht, 12. Aufl. S. 112). Es wird unterschieden zwischen Gesetzes- und Rechtsanalogie (Tipke/Lang, a.a.O.). Bei der ersten wird der Gesetzesplan aus einer einzelnen Vorschrift hergeleitet (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1983 II R 64/82, BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747), bei der zweiten wird der Regelungsplan, der einer Mehrzahl von Vorschriften zugrunde liegt, zur Lückenfüllung herangezogen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221, 224).

a) Die vom Kläger für richtig gehaltene gesetzesanaloge Anwendung von § 3 Nr. 57 EStG ist nicht möglich. Diese Vorschrift stellt die Beiträge, die die Künstlersozialkasse zugunsten des nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) vom 27. Juli 1981 (BGBl I 1981, 705; I 1988, 2606) Versicherten an einen Träger der Sozialversicherung oder an den Versicherten leistet, von der Einkommensteuer frei. Die Künstlersozialversicherung ist - wie sich aus §§ 1 und 3 KSVG ergibt - eine Pflichtversicherung. Erkennbarer Gesetzesplan ist es, die Zahlungen der Künstlersozialkasse ebenso zu behandeln, wie die nach § 3 Nr. 62 EStG von der Einkommensteuer befreiten Arbeitgeberanteile zur Pflichtversicherung der Arbeitnehmer.

Die Zuschüsse der VG WORT stehen jedoch in keiner Beziehung zu einer etwaigen Versicherungspflicht der Empfänger. Sie unterscheiden sich insoweit nicht nur unwesentlich von den Sozialversicherungsbeiträgen der Künstlersozialkasse und der Arbeitgeber.

b) Aus demselben Grund scheitert auch eine gesetzesanaloge Anwendung des § 3 Nr. 62 EStG oder eine rechtsanaloge Anwendung des § 3 Nr. 57 und 62 EStG.

4. Zutreffend hat das FG schließlich entschieden, daß die streitigen Einkünfte auch nicht nach § 34 Abs. 3 EStG auf mehrere Jahre verteilt werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH kommt die Steuerermäßigung nach dieser Vorschrift für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem Veranlagungszeitraum erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt wird (vgl. Senats-Urteile vom 10. Mai 1961 IV 275/59 U, BFHE 73, 730, BStBl III 1961, 532; vom 28. Juni 1973 IV R 77/70, BFHE 110, 34, BStBl II 1973, 729; vom 22. Mai 1975 IV R 33/72, BFHE 116, 136, BStBl II 1975, 765).

Keine der beiden genannten Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt. Der Kläger ist in den Jahren 1976 bis 1982 seiner gewöhnlichen Tätigkeit als Journalist nachgegangen. Die von der VG WORT gewährten Zuschüsse stehen in keinem Zusammenhang mit einem einzelnen Werk oder einer abgrenzbaren Sondertätigkeit.