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  BFH-Urteil vom 23.3.1990 (III R 33/87) BStBl. 1990 II S. 726

Ein Wirtschaftsgut dient nur dann unmittelbar einem der in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a BerlinFG genannten Zwecke, wenn es tatsächlich zu diesem Zweck genutzt wird. Ein Bereithalten des Wirtschaftsgutes für den begünstigten Zweck reicht für die Gewährung einer Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 BerlinFG nicht aus.

BerlinFG § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a, § 19 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt auf seinem Grundstück in Berlin (West) einen Gewerbebetrieb. Im Jahre 1975 errichtete er eine Reparaturhalle und baute anschließend ein Wohn- und Bürogebäude, das im Dezember 1979 bezugsfertig wurde. Die Kosten, die auf die Herstellung des für eine eigenbetriebliche Nutzung vorgesehenen Gebäudeteils entfielen, gab der Kläger mit 544.632,86 DM an; für sie beantragte er eine Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG).

Nach einer im Jahre 1980 durchgeführten Sonderprüfung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die für das Gebäude beantragte Investitionszulage 1979 zunächst vorläufig nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf 70.983,01 DM fest. Das FA ging von einer für eine eigenbetriebliche Nutzung vorgesehenen Gebäudefläche von 293,64 qm aus. Aufgrund einer weiteren Prüfung der Investitionszulage 1980 erkannte das FA zusätzliche Herstellungskosten an und gewährte eine weitere Investitionszulage in Höhe von 2.719,50 DM. Auch dieser Bescheid erging vorläufig, da die für die betriebliche Nutzung vorgesehenen Räume nach den Feststellungen des Prüfers noch immer nicht sämtlich bezogen waren.

Bei einer erneuten Besichtigung im August 1982 stellte das FA fest, daß der Kläger verschiedene Räume nach wie vor nicht betrieblich nutzte. Nach seinen Ermittlungen hatten die ungenutzten Räume einschließlich Küche, Putzraum, WC und anteiligem Flur eine Fläche von 74,17 qm. Das FA ging deshalb davon aus, daß der für eine eigenbetriebliche Nutzung vorgesehene Gebäudeteil zu weniger als 80 v.H. betrieblichen Zwecken diente, änderte die bisherigen Festsetzungen und forderte die Investitionszulage 1979 und 1980 in Höhe von 70.982,55 DM und 2.718,99 DM zurück.

Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der für eine eigenbetriebliche Nutzung vorgesehene Gebäudeteil habe zu mehr als 80 v.H. betrieblichen Zwecken gedient. Das Tatbestandsmerkmal "dienen" in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a BerlinFG setze lediglich voraus, daß das Wirtschaftsgut nach der Herstellung oder Anschaffung ausschließlich für die gesetzlich begünstigten Zwecke bereitgehalten werde.

Dagegen richtet sich die auf Beschwerde vom FG zugelassene Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt. Es trägt vor, der maßgebende Gebäudeteil sei unstreitig zu keiner Zeit während des Drei-Jahreszeitraums zu mehr als 75 v.H. tatsächlich betrieblich genutzt worden; unstreitig habe man ihn aber auch nicht zu investitionszulageschädlichen Zwecken verwendet. Die bloße Absicht einer betrieblichen Nutzung erfülle nicht das Merkmal des "Dienens zu betrieblichen Zwecken".

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, nach dem angefochtenen Urteil des FG sei es weder unstreitig, daß der hier maßgebende Gebäudeteil zu weniger als 80 v.H. betrieblichen Zwecken gedient habe, noch bestehe Einigkeit über die Ermittlung der Nutzungsverhältnisse. Darauf sei es nach der Vorentscheidung nicht angekommen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 19 Abs. 1 BerlinFG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die in Berlin (West) einen Betrieb haben, für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage in Höhe von 15 v.H. der Herstellungskosten der im Kalenderjahr hergestellten abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgüter erhalten (§ 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BerlinFG); § 19 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 BerlinFG setzt weiter voraus, daß die in Berlin (West) belegenen unbeweglichen Anlagegüter im eigenen gewerblichen Betrieb mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung zu mehr als 80 v.H. unmittelbar einem der in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a BerlinFG genannten Zwecke dienen.

2. Das FG hat den Begriff "dienen" im Sinne der §§ 14 und 19 BerlinFG verkannt.

a) Nach Auffassung des erkennenden Senats erfordert das Tatbestandsmerkmal "zu etwas dienen" in seiner Bedeutung von "Verwendung finden" oder "genutzt werden" bereits dem Wortsinn nach eine tatsächliche Nutzung des Wirtschaftsguts zu bestimmten Zwecken. Der Senat hat deshalb in seinem Urteil vom 29. April 1977 III R 154/73 (BFHE 123, 89, BStBl II 1977, 790 a.E.) den tatsächlichen Einsatz des dort angeschafften Wirtschaftsgutes zu dem begünstigten Forschungszweck gefordert.

b) Entgegen der Auffassung des FG reicht für die Annahme, daß ein Wirtschaftsgut i.S. der genannten Vorschriften "diene", eine bloße Zweckbestimmung der Nutzung oder das Bereithalten des Wirtschaftsgutes nicht aus. Dazu bedarf es weiterer ausdrücklicher, einschränkender Formulierungen, wie sie etwa in § 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) dem Begriff "dienen" hinzugefügt worden sind. Danach sind "Anlagevermögen nur die Gegenstände ...., die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen". Entsprechend dieser den Begriff des Dienens einschränkenden Formulierung genügt für die Annahme von Anlagevermögen die Zweckwidmung des Wirtschaftsgutes, wobei die tatsächliche Verwendung wesentliches Indiz für die Zweckbestimmung durch den Kaufmann ist (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 253).

c) Soweit das FG aus dem Zweck der Bindungsfrist gefolgert hat, es genüge die bloße Widmung des hergestellten Wirtschaftsgutes zu einem der begünstigten Zwecke, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, daß der Gesetzgeber mit der Drei-Jahresfrist auch Mißbräuche verhindern und sicherstellen wollte, daß die Wirtschaftsgüter nach Gewährung der Zulage in einem Berliner Betrieb verbleiben. Dazu hätte jedoch die Formulierung einer Verbleibensregelung genügt, wie sie etwa in § 4b Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 mehrfach enthalten ist und wonach das Verbleiben des Wirtschaftsgutes in einem Betrieb im Inland ausreicht.

Mit der Verwendung des Begriffs "dienen" hat der Gesetzgeber über die Mißbrauchsabwehr hinaus einen weiteren Zweck, nämlich die Förderung ganz bestimmter Produktionsbereiche unter Ausschluß des Handels- und des Dienstleistungsgewerbes verfolgt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. August 1976 III R 163/73, BFHE 120, 103, BStBl II 1976, 772 zu 2.a). Soweit das Gesetz in § 19 Abs. 1 BerlinFG dazu, dem jeweiligen Förderungszweck entsprechend, unterschiedliche Zulagesätze vorgesehen hat, ist anerkannt, daß es für die Abgrenzung der verschiedenen Tatbestände voneinander erforderlich ist, daß die Gebäude oder die Gebäudeteile im Zeitpunkt der Fertigstellung den begünstigten Zwecken tatsächlich zugeführt sind (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19 BerlinFG Anm. 38-39). Dies gilt nach Auffassung des Senats in gleicher Weise für die Abgrenzung der begünstigten von den nichtbegünstigten Zwecken in § 14 Abs. 2 BerlinFG. Im übrigen ließe sich auch das weitere in § 14 Abs. 2 BerlinFG enthaltene Erfordernis der Unmittelbarkeit einer bestimmten Verwendung auf der Grundlage einer bloßen Zweckwidmung nicht in verläßlicher Weise nachprüfen.

d) Ist danach schon im Interesse der Klarheit der tatsächliche Einsatz, die Nutzung des begünstigten Wirtschaftsgutes zu einem konkreten Zweck zu fordern, so gebietet dies aber vor allem der Zweck der Förderung bestimmter Branchen, der sich nicht darin erschöpft, die Bautätigkeit in Berlin anzuregen oder die Produktion bestimmter Zuliefererbranchen zu fördern. Die Beschränkung des Förderungszwecks auf bestimmte Tätigkeiten soll vielmehr gerade diesen Bereichen neue Impulse vermitteln. Durch zu solchen Zwecken zwar vorgesehene aber leerstehende Gebäude oder Gebäudeteile kann dies nicht erreicht werden.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang die streitigen Gebäudeflächen tatsächlich zu den geförderten Zwecken genutzt worden sind.