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  BFH-Urteil vom 28.3.1990 (II R 125/87) BStBl. 1990 II S. 727

Bei einem viehlos wirtschaftenden Ackerbaubetrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 7,75 ha ist das dem Betriebsinhaber und seiner Familie zu Wohnzwecken dienende Wohngebäude (Gebäudeteil) regelmäßig auch dann in die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einzubeziehen, wenn es sich um einen Neubau handelt, der nach seiner baulichen Gestaltung die Zugehörigkeit zum landwirtschaftlichen Betrieb äußerlich nicht erkennen läßt. Dies gilt auch, wenn der Betriebsinhaber neben seiner Tätigkeit als Landwirt noch einen anderen Beruf ausübt.

BewG §§ 2, 33, 34.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger unterhielt am Stichtag 1. Januar 1978 einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft mit 7,75 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche; davon standen 3,75 ha im Eigentum des Klägers, 4 ha waren zugepachtet. Der Kläger hielt kein Vieh, sondern baute ohne fremde Arbeitskräfte mit einem jährlichen Arbeitsaufwand von vier bis sechs Wochen ausschließlich Getreide an; er besaß einen kleinen Mähdrescher und einen Schlepper. Dem Kläger gehörte außerdem das an der A-Straße in B gelegene Grundstück, Flurstück 144/1, mit einer Fläche von insgesamt 1.420 qm. Auf diesem Grundstück stehen zur Straße hin ein älteres vermietetes Wohnhaus (sog. Altbau) sowie der ehemalige Viehstall, in dem der Kläger seit 1972 eine Sattler- und Polsterwerkstatt betrieben hat. Das beklagte Finanzamt (FA) hat diesen Teil des Grundstücks mit Wohnhaus und Polsterwerkstatt bestandskräftig als eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bewertet. Hinter beiden Gebäuden errichtete der Kläger in den Jahren 1976 und 1977 auf dem verbliebenen Grundstücksteil ein freistehendes Wohngebäude (sog. Neubau), das er 1977 mit seiner Familie bezog. Der Kläger ist ferner Eigentümer eines auf der gegenüberliegenden Seite der A-Straße belegenen Grundstücks (Flurstück 68/3), auf dem sich ein Wirtschaftsgebäude mit den landwirtschaftlichen Geräten befindet.

Das FA bezog den Neubau zum 1. Januar 1978 in die Bewertung des landwirtschaftlichen Betriebs ein.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloß sich der Auffassung des Klägers an, daß der 1977 bezugsfertig gewordene Neubau auf den 1. Januar 1978 nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen, sondern als gesonderte wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens zu bewerten sei.

Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung der §§ 2, 33 Abs. 1 und 2 und 34 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Abweisung der Klage.

Der vom Kläger und seiner Familie im Jahre 1977 bezogene Neubau ist zum 1. Januar 1978 in die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einzubeziehen.

1. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BewG gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Hierzu gehören gemäß § 33 Abs. 2 BewG auch die Gebäude und Gebäudeteile, soweit sie dem Inhaber des Betriebs und seiner Familie zu Wohnzwecken dienen (vgl. § 34 Abs. 3 BewG), wenn der Betriebsinhaber oder einer der zu seinem Haushalt gehörenden Familienmitglieder durch eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit an den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gebunden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. November 1983 III R 73/80, BFHE 140, 295, 297, BStBl II 1984, 292, 293, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz bei einem Betrieb von der Größe des Betriebs des Klägers regelmäßig auch dann gegeben, wenn es sich um eine landwirtschaftliche Nutzung in der Form einer reinen Ackerwirtschaft mit Getreideanbau ohne Viehhaltung handelt. In einem solchen Fall muß sich der Betriebsinhaber nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Stetigkeit mit der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen befassen. Das folgt für den Streitfall schon aus der Feststellung des FG, wonach die Bewirtschaftung einen Arbeitsaufwand von jährlich insgesamt vier bis sechs Wochen erforderte. Dieser zeitliche Aufwand verteilte sich aufgrund der einzelnen Arbeitsphasen eines Ackerbaubetriebs über das ganze Jahr. Der Kläger mußte sich deshalb während der Vegetationsperiode nicht nur gelegentlich, sondern immer wieder der Bewirtschaftung seiner Ackerflächen widmen. Daß der Kläger neben seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit am Stichtag nach seinem Vortrag auch noch eine Sattler- und Polsterwerkstatt sowie einen Möbelhandel und eine Versicherungsagentur betrieben hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Tätigkeit des Klägers und seiner Familienangehörigen in der Land- und Forstwirtschaft braucht nicht die ganze Arbeitskraft dieser Personen zu umfassen; es genügt, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit - wie im Streitfall - mehr als eine nur gelegentliche ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 51/74, BFHE 118, 71, 75, BStBl II 1976, 281, 283).

Im Streitfall kommt hinzu, daß der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanz am Stichtag einen Mähdrescher sowie einen Schlepper besaß, die sinnvoll nur in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden können. Dies weist darauf hin, daß die landwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers nicht nur von untergeordneter Bedeutung war (vgl. dazu Abschn. 1.02 Abs. 7 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens - BewRL - und BFH-Urteil vom 17. Januar 1980 IV R 33/76, BFHE 129, 543, 548, BStBl II 1980, 323, 326).

2. Die Zusammenfassung des Neubaus mit den vom Kläger bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen und dem Wirtschaftsgebäude mit den landwirtschaftlichen Geräten zu einer wirtschaftlichen Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens widerspricht auch nicht der Verkehrsanschauung.

Dabei ist unbeachtlich, daß sich der Neubau nach der baulichen Gestaltung als ein reines Wohnhaus darstellt und eine Zugehörigkeit zum landwirtschaftlichen Betrieb äußerlich nicht zu erkennen ist. Die Zuordnung eines Wohngebäudes zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nach dem baulichen Charakter ist im Hinblick auf die Entwicklung des Wohngebäudebaus in der Landwirtschaft nicht mehr möglich (BFHE 118, 71, 75, BStBl II 1976, 281). Entgegen der Auffassung des FG schließt im Streitfall auch die Lage des Wohngebäudes seine Einbeziehung in den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Klägers nicht aus. Der Neubau befindet sich in geringer Entfernung von dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite belegenen Wirtschaftsgebäude und den dort untergestellten landwirtschaftlichen Geräten. Die von hier aus bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzflächen liegen, wie der festgestellte zeitliche Bearbeitungsaufwand von jährlich vier bis sechs Wochen zeigt, in einer für landwirtschaftliche Betriebe üblichen Entfernung. Daß die vom Kläger genutzten landwirtschaftlichen Flächen nicht an das Wohngrundstück angrenzen, ist unerheblich und beseitigt nicht den wirtschaftlichen Zusammenhang, der im Streitfall der wirtschaftlichen Einheit das Gepräge der Landwirtschaft gibt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1978 III R 112/76, BFHE 125, 459, 463, BStBl II 1978, 642, 644).