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  BFH-Urteil vom 17.5.1990 (II R 32/87) BStBl. 1990 II S. 732

Ein Einkaufszentrum kann wegen einer einem Warenhaus vergleichbaren Funktion nach dem Sachwertverfahren bewertet werden.

BewG § 76 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt auf einem ihr gehörigen Grundstück ein Einkaufszentrum. Dieses besteht aus Kellergeschoß, Erdgeschoß, Obergeschoß, mehrstöckigem Verwaltungsgebäude, Tiefgarage, offenen Kraftfahrzeugstellplätzen und einem Kinderspielplatz. Die Geschoße sind in zahlreiche unterschiedlich große vermietete Einzelläden aufgeteilt; sie sind von breiten Einkaufspassagen durchzogen, in denen gelegentlich Sonderaktionen wie Werbeveranstaltungen und Ausstellungen veranstaltet werden mit dem Ziel, die Attraktivität des Einkaufszentrums zu erhöhen. Bei den vermieteten Läden handelt es sich überwiegend um solche mit einer Verkaufsfläche von unter 300 qm. Die Mieten werden teilweise nach der qm-Zahl der angemieteten Flächen, teilweise nach einem vertraglich festgelegten Vomhundertsatz der Umsätze bemessen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bewertete das Grundstück als Geschäftsgrundstück nach dem Ertragswertverfahren zum 1. Januar 1974 auf 25.443.600 DM. Nach Umbau des Kellergeschosses nahm das FA mit Bescheid vom 30. Dezember 1981 eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1976 vor und stellte den Einheitswert nach dem Ertragswertverfahren auf 29.403.700 DM fest. Ebenfalls zum 30. Dezember 1981 erließ es einen Grundsteuerbescheid und stellte beide Bescheide am 4. Januar 1982 der Klägerin zu.

Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie eine Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren begehrte, blieb erfolglos. Die Klage hatte Erfolg.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Voraussetzungen für eine fehlerberichtigende Fortschreibung des Einheitswerts nach § 22 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) lägen nicht vor; zudem habe das FG die Vorschrift des § 76 BewG unzutreffend ausgelegt und damit zu Unrecht das Sachwertverfahren auf den streitigen Fall angewendet.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG weder tatsächliche Feststellungen getroffen hat, die eine abschließende Prüfung in bezug auf das zutreffende Wertermittlungsverfahren ermöglichen noch Feststellungen getroffen hat, die die Nachprüfung seiner Entscheidung hinsichtlich des Fortschreibungszeitpunktes für den Fall gestatten, daß die Wertermittlung im Ertragswertverfahren fehlerhaft war.

1. Der Bescheid vom 30. Dezember 1981, zugestellt am 4. Januar 1982, konnte noch ergehen, weil nicht sämtliche Steuern verjährt waren, die auf das Jahr entfielen, auf dessen Beginn die Feststellung durchgeführt werden sollte (§ 225a Abs. 2 Satz 2 der Reichsabgabenordnung - AO -). Zwar sind die auf das Streitjahr bezogenen Grund- und Vermögensteuern mit Ablauf des Jahres 1981 verjährt (§§ 144 Abs. 1 AO, 5 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes - VStG - 1974, 9 Abs. 2 des Grundsteuergesetzes - GrStG - i.d.F. vom 7. August 1973, BStBl I, 965), jedoch gilt dies nicht für die Gewerbe-(Ertrag-)Steuer 1976 (vgl. § 9 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -). Denn gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 1 AO begann die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung für den Erhebungszeitraum abgegeben wurde, spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Anspruchs folgte, wenn die Abgabe einer Steuererklärung gesetzlich vorgeschrieben war. Eine Erklärungspflicht statuierte § 25 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV). Damit begann die Verjährung bezüglich der Gewerbesteuer frühestens mit Ablauf des Jahres 1977 und endete frühestens zum 31. Dezember 1982. Da § 225a AO keine dem § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechende Einschränkung enthielt, ist der Wertfortschreibungsbescheid des FA unter diesem Gesichtspunkt auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er keinen Hinweis darauf enthielt, daß er nicht mehr für sämtliche Steuern von Bedeutung war. Es kann somit dahinstehen, ob auf die Zustellung des Bescheids oder auf das Verlassen des Bescheids aus dem Machtbereich des FA abzustellen ist.

2. Die Fortschreibung wegen Änderung tatsächlicher Verhältnisse und die Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers stehen, soweit es um den Fortschreibungszeitpunkt geht, selbständig nebeneinander (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Oktober 1981 III R 96/80, BFHE 134, 184, BStBl II 1982, 15; vom 21. Oktober 1987 II R 26/87, BFHE 151, 88, BStBl II 1987, 841). Die Entscheidung des FG, das FA zu verpflichten, zum 1. Januar 1976 eine Fortschreibung nach dem Sachwertverfahren durchzuführen, ist daher nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 Nr. 2 BewG vorliegen.

a) Der Wert eines Geschäftsgrundstücks ist nach § 76 Abs. 1 BewG grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Abweichend davon ist das Sachwertverfahren bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen bebauter Grundstücke der in § 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Grundstücksarten durchzuführen, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 BewG geschätzt werden kann (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG). Die bisher vom FG getroffenen Feststellungen sprechen dafür, daß der Wert des Einkaufszentrums nicht im Ertragswertverfahren zu ermitteln war. Voraussetzung dafür wäre, daß die Jahresrohmiete für das Geschäftsgrundstück, bezogen auf die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964, geschätzt werden könnte (§§ 27, 79 Abs. 5 i.V.m. § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG; vgl. BFH-Urteile vom 10. August 1984 III R 41/75, BFHE 142, 289, BStBl II 1985, 36; vom 10. August 1984 III R 18/76, BFHE 142, 297, 300, BStBl II 1985, 200; vgl. auch Urteil vom 24. September 1985 II R 238/82, BFHE 145, 87, BStBl II 1986, 46). Dabei kann entgegen der Auffassung des FA der Wert nicht deshalb im Ertragswertverfahren geschätzt werden, weil sich für die Schätzung der Miete für jedes einzelne Geschäftslokal Vergleichswerte finden lassen. Denn das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Einkaufszentrum eine einem Warenhaus vergleichbare Funktion erfüllt. Denn durch die solchen Einkaufszentren eigene Vermietungspraxis wird ein weitgefächertes Angebot sichergestellt. Darüber hinaus wird die Attraktivität solcher Zentren regelmäßig durch Werbemaßnahmen sowie Sonderveranstaltungen gesteigert.

Die zu bewertende wirtschaftliche Einheit ist einem Geschäftsgrundstück mit lediglich unabgestimmt vermieteten Geschäftslokalen nicht vergleichbar. Die Wertermittlung im Wege des Ertragswertverfahrens stellt sich somit dann als fehlerhaft dar, wenn für derartige Geschäftsgrundstücke die Schätzung der üblichen Miete daran scheitert, daß im Hauptfeststellungszeitpunkt derartige wirtschaftliche Einheiten noch nicht bestanden. Das wird das FG noch aufzuklären haben.

b) Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, daß der Wert für die wirtschaftliche Einheit gemäß § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu ermitteln gewesen wäre, liegen die Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 BewG vor. Fehler im Sinne dieser Vorschrift ist jede objektive Unrichtigkeit (BFH-Urteil vom 29. November 1989 II R 53/87, BFHE 159, 215, BStBl II 1990, 149).

c) Nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG ist Fortschreibungszeitpunkt in den Fällen des Abs. 3 der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem FA bekannt wird, bei einer Erhöhung des Einheitswertes jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird. Feststellungen darüber, wann dem FA bekannt wurde, daß ihm bei der Nachfeststellung möglicherweise ein Fehler unterlaufen ist, hat das FG nicht getroffen.

3. Das FG hat die noch fehlenden Feststellungen (vgl. unter 2.a) und c) zu treffen. Daher war das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.