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BFH-Urteil vom 11.4.1990 (I R 163/87) BStBl. 1990 II S. 783

1. § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG definiert den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr als den Einsatz eines Schiffes zur Beförderung von Personen oder Gütern überwiegend im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See.

2. § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG ist auch auf Schleppschiffe anzuwenden.

3. Bei der Ermittlung des überwiegenden Einsatzes zur Beförderung von Personen und Gütern auf begünstigten Fahrten ist darauf abzustellen, ob die Schiffe zu mehr als der Hälfte der tatsächlichen Seereisetage des gesamten Wirtschaftsjahres auf Fahrten im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt waren.

EStG § 34c Abs. 4.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1988, 25)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1981 eine Reederei. Sie hatte u.a. die im inländischen Seeschiffahrtsregister eingetragenen Schleppschiffe MS I und MS II i.S. des § 34c Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in folgendem Umfang eingesetzt:

                                         MS I            MS II

                                         ------            -------

                                        Tage            Tage

  

Schlepptage                        270              154

Ballastfahrten                        53                86

Liegezeit                               25                78

Reparaturen                          17                47

Das MS I befand sich lediglich in der Zeit vom 10. bis 27. Juni 1981 (= 17 Tage) und das MS II vom 23. Juli bis 21. August 1981 (= 30 Tage) zur Reparatur in inländischen Gewässern. Außerdem befand sich das MS II in der Zeit vom 22. bis 28. August 1981 (= 7 Tage) in Hamburg, um auf neue Order zu warten. An den übrigen Tagen befand es sich auf Fahrten zu ausländischen Häfen, in ausländischen Häfen oder auf freier See.

Die Klägerin begehrte in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1981 für den durch den Betrieb der Schleppschiffe im internationalen Verkehr erzielten Teilgewinn den ermäßigten Steuersatz gemäß § 26 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 i.V.m. § 34c Abs. 4 EStG. Den begünstigt zu besteuernden Gewinn ermittelte sie dadurch, daß sie den durch den Betrieb der Schlepper erzielten Erlösen nur die Aufwendungen gegenüberstellte, die zeitanteilig auf die Einsatztage in ausländischen und internationalen Gewässern entfielen. Auf diese Weise wurden bei der Ermittlung des ermäßigt zu besteuernden Gewinnes nur 266/360 der Aufwendungen des MS I und nur 153/360 der Aufwendungen des MS II berücksichtigt. Die so ermittelten Einkünfte betrugen 1.355.109 DM. Davon sollten 80 v.H. (§ 34c Abs. 4 Satz 5 EStG) als ausländische Einkünfte behandelt werden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berechnete dagegen die ermäßigt zu besteuernden Einkünfte in der Weise, daß er sämtliche durch den Betrieb der Schlepper direkt oder indirekt ausgelösten Aufwendungen den tatsächlich erzielten Erlösen gegenüberstellte. Auf dieser Grundlage ergaben sich für das MS I Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 4 Satz 5 EStG in Höhe von ./. 26.526 DM und für das MS II solche in Höhe von ./. 811.504 DM.

Im Körperschaftsteuerbescheid 1981 vom 9. August 1984 stellte das FA das zu versteuernde Einkommen der Klägerin mit 8.346.090 DM fest. Außerdem setzte es die tarifliche Körperschaftsteuer mit 4.673.810 DM an. Der Einspruch und die sich anschließende Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 25 veröffentlicht.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 26 Abs. 6 KStG 1977 i.V.m. § 34c Abs. 4 EStG.

Sie beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 14. August 1987 aufzuheben und entsprechend dem Klageantrag der Klägerin vom 15. Februar 1985 zu entscheiden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 26 Abs. 6 Sätze 1 und 3 KStG 1977 ist § 34c Abs. 4 EStG auf Kapitalgesellschaften mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß die Körperschaftsteuer für die ausländischen Einkünfte 28 v.H. beträgt. Nach § 34c Abs. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (BGBl I 1979, 721, BStBl I 1979, 379) setzt die Ermäßigung (hier:) der Körperschaftsteuer ausländische Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr voraus. Ergänzend dazu bestimmt § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG, wann Handelsschiffe im internationalen Verkehr betrieben werden. Satz 2 besagt dagegen nichts darüber, welche Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr als ausländische i.S. des § 34c Abs. 4 Satz 1 EStG zu qualifizieren sind. Dies bestimmt sich nach § 34c Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG. Danach gelten 80 v.H. aller Einkünfte, die aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr (Satz 2) erzielt werden, als ausländische i.S. des § 34c Abs. 4 Satz 1 EStG.

2. Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß das MS I und das MS II im Streitjahr 1981

a) Schleppschiffe waren und der Klägerin gehörten,

b) ausschließlich in einem inländischen Seeschiffahrtsregister eingetragen waren und die Flagge der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) führten und

c) sämtliche Schlepptage (270 bzw. 154) auf Fahrten zur Beförderung von Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen entfielen.

Aus diesen Feststellungen folgt, daß das MS I und das MS II im Streitjahr 1981 als Handelsschiffe im internationalen Verkehr i.S. des § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG betrieben wurden. Die Vorschrift ist auch auf Schleppschiffe anzuwenden, weil sie jede Art der Güterbeförderung zu Schiff umfaßt (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 34c EStG, Rdnr. 208). Außerdem ist bei der Ermittlung des überwiegenden Einsatzes zur Beförderung von Personen und Gütern auf begünstigten Fahrten darauf abzustellen, ob die Schiffe zu mehr als der Hälfte der tatsächlichen Seereisetage des gesamten Wirtschaftsjahres auf Fahrten im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt waren (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, a.a.O., Rdnr. 211). Ist ein Schiff - wie im Streitfall - überwiegend für Fahrten zu und zwischen ausländischen Häfen eingesetzt, dann gilt es nach § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG auch während der Ballast-, Leer- und Reparaturzeiten als im internationalen Verkehr betriebenes Handelsschiff mit der Folge, daß die durch die genannten Zeiten veranlaßten Aufwendungen in die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der ausländischen Einkünfte einzubeziehen sind. Dem entspricht auch die Gesetzesformulierung in § 34c Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG. Danach gelten jeweils 80 v.H. der Einkünfte, die durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt werden, als ausländische. Die Verwendung des Wortes "gelten" belegt, daß § 34c Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG eine abschließende Definition des Begriffes "ausländische Einkünfte" nur für Zwecke der Anwendung des § 34c Abs. 4 Satz 1 EStG enthält. Die Definition löst sich von der tatsächlichen Herkunft der Einkünfte und stellt pauschal nur auf den festen Prozentsatz von 80 v.H. aller aus dem Betrieb des Handelsschiffes erzielten Einkünfte ab.

3. Demgegenüber findet die Rechtsauffassung der Klägerin im Gesetz keine Stütze:

a) Der Begriff "Betrieb von Handelsschiffen" wird in § 34c Abs. 4 Satz 1 EStG im Sinne eines Gewerbebetriebes verwendet. Dies folgt aus § 34c Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG. Beide Vorschriften gehen ausdrücklich von einem Gewerbebetrieb aus, dessen alleiniger Gegenstand der Betrieb von Handelsschiffen ist oder zu dessen Gegenstand auch der Betrieb von Handelsschiffen gehört. Entsprechend ist unter dem "Betrieb von Handelsschiffen" eine selbständige nachhaltige Betätigung i.S. des § 15 Abs. 2 EStG 1984 (BGBl I 1983, 1583, BStBl I 1984, 14) bzw. i.S. des § 1 der Gewerbesteuer Durchführungsverordnung (GewStDV) zu verstehen, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Zum Betrieb von Handelsschiffen gehört jede Tätigkeit in diesem Sinne, die durch den Zweck, Personen oder Güter per Schiff zu befördern, ausgelöst wird. Es ist unerheblich, ob die Tätigkeit im In- oder im Ausland ausgeübt wird und ob sie unmittelbar oder nur mittelbar (wie z.B. bei Reparaturen, Ballastfahrten und Leerfahrten) der Beförderung von Personen oder Gütern dient.

b) Die Klägerin vermischt die in § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG einerseits und in den Sätzen 4 und 5 andererseits enthaltenen Regelungen in unzulässiger Weise, wenn sie unter die ausländischen Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 4 Sätze 1, 4 und 5 EStG nur diejenigen faßt, die durch den Einsatz von Handelsschiffen im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen veranlaßt sind. § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG definiert den "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" als den "Einsatz eines Schiffes zur Beförderung von Personen oder Gütern überwiegend im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See". Ein Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr ist deshalb schon dann anzunehmen, wenn ein Handelsschiff überwiegend für Fahrten zu und zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt wird. Ein ausschließlicher Einsatz auf diesen Strecken wird nicht vorausgesetzt. Wird ein Handelsschiff zu 55 v.H. im Verkehr mit und zwischen ausländischen Häfen und zu 45 v.H. im Verkehr zwischen inländischen Häfen eingesetzt, so gilt es unter den übrigen Voraussetzungen des § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG in vollem Umfang als "im internationalen Verkehr betrieben". Dies hat zur Folge, daß auch die Einnahmen aus den Fahrten zwischen den inländischen Häfen in die Bemessungsgrundlage der ausländischen Einkünfte (§ 34c Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG) eingehen. Wird dagegen dasselbe Handelsschiff (nur) zu 45 v.H. im Verkehr mit und zwischen ausländischen Häfen und zu 55 v.H. im Verkehr zwischen inländischen Häfen eingesetzt, so gilt es insgesamt nicht als "im internationalen Verkehr betrieben". Dies hat zur Folge, daß § 34c Abs. 4 Satz 1 EStG auch für den Teil der Einkünfte nicht beansprucht werden kann, der auf Fahrten in internationalen oder ausländischen Gewässern entfällt. Ein Handelsschiff gilt deshalb für ein Wirtschaftsjahr immer nur insgesamt als im internationalen Verkehr betrieben oder nicht betrieben. Entsprechend können in die Bemessungsgrundlage für die ausländischen Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG immer nur alle Einkünfte einbezogen bzw. nicht einbezogen werden, die durch den Betrieb des Schiffes im Wirtschaftsjahr erzielt werden.

c) Gegenüber dieser an dem Wortlaut des § 34c Abs. 4 EStG ausgerichteten Gesetzesauslegung kann die Klägerin nicht einwenden, sie widerspreche dem Subventionscharakter der Vorschrift. § 34c EStG ist als eine Steuerermäßigungsvorschrift (Tarifermäßigungsvorschrift) konzipiert. Dies folgt aus § 2 Abs. 6 EStG einerseits und aus der Überschrift vor § 34c EStG andererseits. Als Steuerermäßigungsvorschrift setzt sie positive Einkünfte voraus, auf die an sich eine tarifliche Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entfällt, die zu ermäßigen § 34c Abs. 4 EStG gebietet. Der Subventionscharakter der Vorschrift erschöpft sich damit in der vorgesehenen Steuerermäßigung. Entsprechend ist für die an sich beabsichtigte Subvention dann kein Raum, wenn der Betrieb eines Handelsschiffes im internationalen Verkehr zu einem Verlust führt. In einem solchen Fall entfällt auf den Verlust keine Einkommen- oder Körperschaftsteuer, weshalb auch deren Ermäßigung nicht in Betracht kommt. Der Verlust ist entweder bei der Ermittlung des Gesamtgewinnes auszugleichen oder gemäß § 10d EStG abzuziehen.

4. Die Vorentscheidung entspricht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht.