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  BFH-Beschluß vom 21.6.1990 (V B 27/90) BStBl. 1990 II S. 801

Ein sog. Freizeitgegenstand (hier: Reisemobil) kann i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 für ein Unternehmen angeschafft werden. Auch in solchen Fällen gelten für die Beurteilung dieser Vorsteuerabzugsvoraussetzung die allgemeinen Zuordnungsgrundsätze der BFH-Rechtsprechung.

UStG 1980 § 15 Abs. 1.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) meldete am 21. März 1988 bei der Gemeinde einen Gewerbebetrieb mit dem Gegenstand "Vermietung von Reisemobilen" an.

Am 24. März 1988 erwarb sie ein Reisemobil. Aufgrund eines am 22. April 1988/2. Mai 1988 unterzeichneten "Vermittlungsvertrag für die Vermietung von Reisemobilen ...." bot sie das Reisemobil über die Vermittlungsfirma fremden Dritten zur entgeltlichen Nutzung an. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde das Reisemobil 1988 an 36 Tagen vermietet. An 27 Tagen wurde es für private Urlaubsreisen genutzt. Im April 1988 (vor dem Vertragsschluß) nutzte die Klägerin das Reisemobil auf einer 15tägigen Fahrt, die sie als Testfahrt zur Tauglichkeitsprüfung ansah.

In der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Kalendervierteljahr 1988 machte die Klägerin die in der Rechnung über den Reisemobil-Kauf gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 5.280,70 DM als abziehbare Vorsteuer geltend.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) versagte den geltend gemachten Vorsteuerabzug und setzte die Umsatzsteuer für das erste Kalendervierteljahr 1988 auf 0 DM fest. Das FA vertrat die Auffassung, Freizeitgegenstände würden nach der Lebenserfahrung in der Regel aus nichtunternehmerischen Gründen angeschafft.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Es vertrat im wesentlichen die Auffassung, die mit der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs geltend gemachte Zuordnungsentscheidung der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe das Reisemobil sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch verwendet, nämlich durch Fremdvermietung an 36 Tagen und Privatnutzung an mindestens 27, höchstens jedoch 42 Tagen; an den Tagen der Nichtnutzung habe keine Verwendung im Sinn des § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) vorgelegen. Die Gewährung des Vorsteuerabzugs hänge allein von der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung ab. Entgegen der auf Abschn. 192 Abs. 14 Sätze 8 und 9 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) gestützten Auffassung des FA sei unerheblich, daß aufgrund der Lebenserfahrung ein Reisemobil aus nichtunternehmerischen Gründen angeschafft würde. Eigenverbrauch sei im ersten Kalendervierteljahr 1988 nicht zu berücksichtigen gewesen, weil das Fahrzeug in diesem Zeitraum noch nicht genutzt worden sei.

Das FA beantragt mit der Beschwerde Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Es gehe um die Rechtsfrage, ob für den Vorsteuerabzug allein die erstmalige Verwendung des Gegenstands im Erstjahr der Verwendung maßgebend sei (so das FG), oder ob bei Gegenständen, die üblicherweise der Freizeitgestaltung und Erholung dienten, für eine sachgerechte Zuordnung in den Vordergrund gestellt werden müsse, aus welchen Gründen der Gegenstand angeschafft worden sei (Verwaltungsauffassung).

Bezüglich der Verwaltungsauffassung verweist das FA auf Abschn. 192 Abs. 14 UStR, auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Nürnberg vom 23. Juli 1986 (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1986, 246) - unter Hinweis auf drei Urteile des FG Münster - sowie eine Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 8. April 1987 (Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Eilnachrichten 1987, 218).

Ferner macht das FA unter Hinweis auf die Reihe der Verwaltungsanweisungen geltend, daß die Rechtsfrage für eine Vielzahl gleichliegender Fälle von Bedeutung sei.

Die Klägerin tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des FA ist unbegründet.

Hinsichtlich der im Streitfall allein angeschnittenen Frage, ob die Anschaffung des Reisemobils als sog. Freizeitgegenstand "für das Unternehmen" der Klägerin erfolgte, so daß insoweit die Vorsteuerabzugsvoraussetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 vorlag, bedarf es keiner grundsätzlichen Klärung durch eine weitere Revisionsentscheidung mehr. Die bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 zu berücksichtigenden Zuordnungsgrundsätze hat die Rechtsprechung bereits entwickelt. Der Senat verweist insbesondere auf das für den Streitfall einschlägige Urteil vom 19. Mai 1988 V R 115/83 (BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916, m. w. N., zur Zuordnung eines Flugzeugs zum privaten oder unternehmerischen Bereich des Erwerbers). Wie der Senat darin ausgeführt hat, kann ein Gegenstand, der sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch verwendet werden kann, als insgesamt für das Unternehmen angeschafft angesehen werden, wenn der Erwerber ihn dem Unternehmen zugeordnet hat. Dabei reicht es aus, daß der Gegenstand im Umfang des vorgesehenen Einsatzes für unternehmerische Zwecke in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll. In welcher Reihenfolge der Gegenstand in Besteuerungszeiträume der erstmaligen Verwendung für unternehmerische und nichtunternehmerische Zwecke eingesetzt wird, ist im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Zuordnungsentscheidung grundsätzlich unerheblich. Eine Zuordnung zum Unternehmen scheidet allerdings dann aus, wenn der Bezug der Leistung nach den gesamten Umständen allein für die nichtunternehmerische (private) Nutzung bestimmt ist oder wenn der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen nur eine so unwesentliche Bedeutung zukommt, daß der Gegenstand insgesamt als Teil des unternehmensfremden Bereichs anzusehen ist. Die Zuordnung hängt nicht davon ab, in welchem Bereich der Gegenstand "überwiegend" eingesetzt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649). Nach dem Urteil in BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916 ist die Frage, ob die unternehmerische Verwendung nur unwesentliche Bedeutung hat, anhand der gesamten tatsächlichen Verwendung des Gegenstands zu entscheiden (im Urteilsfall: grundsätzlich anhand der Flugstunden; allerdings kann der Grund für lange Standzeiten, die eine andere Benutzung ausschließen, zu berücksichtigen sein).

Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für die Entscheidung, ob sog. Freizeitgegenstände, die auch zur Vermietung (entgeltliche Überlassung) an Dritte dienen, insoweit als für ein Unternehmen angeschafft anzusehen sind. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Soweit nach Abschn. 192 Abs. 14 Satz 9 UStR hingegen der Abzug der auf die Anschaffung solcher Freizeitgegenstände entfallenden Vorsteuerbeträge "unabhängig von einer späteren teilweisen unternehmerischen Verwendung" ausgeschlossen sein soll, ist das mit den wiedergegebenen Grundsätzen nicht vereinbar.