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  BFH-Urteil vom 28.3.1990 (X R 160/88) BStBl. 1990 II S. 815

Unter Ferien- oder Wochenendwohnungen i.S. des § 10e EStG sind Wohnungen zu verstehen, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen oder sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen.

EStG §§ 10e Abs. 1 Satz 2, 34f, 39a Abs. 1 Nr. 6, 42b Abs. 3 Satz 1; FGO § 100 Abs. 1 Satz 4; BauNVO § 10 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1989, 55)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und beziehen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie arbeiten in A und wohnen dort in einem Hochhaus zur Miete. Im Streitjahr 1988 gehörte zum Haushalt ein - damals 19 Jahre alter - Sohn, der sich in einem Ausbildungsverhältnis befand.

1981 erwarben die Kläger ein unbebautes Grundstück in der ca. 200 km von A entfernten Gemeinde B. Das Grundstück liegt laut Festsetzung des Bebauungsplans in einem allgemeinen Wohngebiet. Die Kläger errichteten auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus mit Garage, das am 1. Dezember 1987 bezugsfertig wurde. Das Haus besteht aus Keller-, Erd- und Dachgeschoß. Im Erdgeschoß befinden sich Schlafzimmer, Kinderzimmer, Gästezimmer, Wohnzimmer mit Eßplatz, Küche, Bad und WC (Gesamtfläche ungefähr 122 qm); das Dachgeschoß ist als Speicher vorgesehen.

Die Kläger nutzten das Einfamilienhaus bei jeder sich bietenden Gelegenheit, z.B. an Wochenenden, Feiertagen und zum Jahreswechsel. Es ist mit einem Teil des Hausrats aus der Wohnung in A ausgestattet und soll den - im Streitjahr 1988 56 und 51 Jahre alten - Klägern später als Altersruhesitz dienen, da es in der Nähe des Geburtsortes des Klägers liegt und dort zahlreiche Verwandte und Freunde der Kläger wohnen.

Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren 1988 beantragten die Kläger, einen Freibetrag in Höhe von 13.075 DM auf der Lohnsteuerkarte des Klägers einzutragen: Einen Abzugsbetrag nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 10.675 DM für das Einfamilienhaus sowie einen Betrag in Höhe von 2.400 DM für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Eintragung des beantragten Freibetrags ab. Er war der Auffassung, den Klägern stehe die Steuervergünstigung nach § 10e EStG und § 34f Abs. 2 EStG nicht zu, weil es sich bei der Wohnung in dem Einfamilienhaus in B um eine - nichtbegünstigte - Ferien- und Wochenendwohnung handle. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 55 veröffentlicht ist, den Ablehnungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das FA, auf der Lohnsteuerkarte des Klägers einen Freibetrag in Höhe von 13.075 DM einzutragen. Es war der Auffassung, nur Wohnungen in einem im Bebauungsplan ausgewiesenen Sondergebiet nach § 10 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) seien als Ferien- oder Wochenendwohnungen i.S. von § 10e EStG anzusehen. Aber auch wenn man nicht auf die Belegenheit in einem Sondergebiet, sondern auf die bauliche Gestaltung abstelle, liege im Streitfall keine Wochenend- oder Ferienwohnung vor, da es sich bei dem Gebäude nach Grundriß und räumlicher Aufteilung um ein "normales" Einfamilienhaus handle, das ohne weiteres zur ganzjährigen Dauernutzung geeignet sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es führt aus: Die Beurteilung, ob eine Ferien- oder Wochenendwohnung i.S. von § 10e EStG gegeben sei, hänge nicht von der Belegenheit in einem Sondergebiet nach § 10 Abs. 1 BauNVO oder von der baulichen Gestaltung ab, sondern von der tatsächlichen Nutzung. § 10e EStG und § 34f EStG begünstigten nur Wohnungen, die dauernd zu eigenen Wohnzwecken genutzt würden. Wohnungen, die nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen (Familienwohnsitz) bildeten und bei denen Freizeit- und Erholungszwecke im Vordergrund stünden, fielen nicht darunter.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, festzustellen, daß die Ablehnung des FA, den beantragten Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, rechtswidrig war.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Obwohl der begehrte Eintrag auf der Lohnsteuerkarte beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber nicht mehr berücksichtigt werden kann (vgl. § 42b Abs. 3 Satz 1 EStG), hat der Senat noch über die Revision des FA zu entscheiden, denn die Kläger haben gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, festzustellen, daß die Ablehnung der begehrten Eintragung rechtswidrig war. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig, auch wenn nicht von den Klägern, sondern vom FA Revision eingelegt worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Februar 1988 X R 67/82, BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622 m.w.N.).

Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, weil eine im Lohnsteuerermäßigungsverfahren ergangene, rechtskräftige Entscheidung aus prozeßökonomischen Gründen auch für den Lohnsteuer-Jahresausgleich oder die Veranlagung beachtlich ist, sofern sich der zu beurteilende Sachverhalt unverändert darstellt (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 IX R 90/83, BFH/NV 1987, 445 m.w.N.).

2. Die Ablehnung des FA, einen Freibetrag für die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 bis 5 EStG und für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG auf der Lohnsteuerkarte des Klägers einzutragen, hat das FG zu Recht beanstandet.

a) Nach § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG ist Voraussetzung für die Grundförderung, daß der Steuerpflichtige die Wohnung im Abzugszeitraum genutzt hat und die Wohnung keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist.

Die Auslegung der Begriffe Ferienwohnung und Wochenendwohnung ist umstritten. Die Finanzverwaltung versteht darunter Wohnungen, "die vom Eigentümer tatsächlich nicht dauernd zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, sondern bei denen Erholungs- und Freizeitzwecke im Vordergrund stehen" (Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 15. Mai 1987, BStBl I 1987, 434, Abschn. I Abs. 8). Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung des FG vertreten, Ferien- und Wochenendwohnungen seien nur solche Wohnungen, die in einem Sondergebiet nach § 10 BauNVO liegen (z.B. Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. 13; Ehmcke, Das Wohneigentumsförderungsgesetz, S. 82; Jaser/Wacker, Die neue Eigenheimbesteuerung, 4. Aufl. 1989, S. 34; Stephan, Neuregelung der Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 3. Aufl. 1989, S. 17; Obermeier, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1989, 764).

Nach Auffassung des Senats sprechen der Gesetzeswortlaut, die allgemeine Zielsetzung des Wohneigentumsförderungsgesetzes (WohneigFG) und nicht zuletzt auch Gründe eines rechtsstaatlich unbedenklichen einfachen Gesetzesvollzugs gegen die von der Finanzverwaltung vertretene Abgrenzung nach der tatsächlichen Nutzung durch den Steuerpflichtigen.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ("zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die Wohnung keine Ferienwohnung oder Wochenendwohnung ist") kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Zweitwohnung als Ferien- oder Wochenendwohnung genutzt hat, sondern ob es sich um eine - nach objektiven Merkmalen zu bestimmende - Ferien- oder Wochenendwohnung handelt. Objektiv lassen sich Ferien- und Wochenendwohnungen von anderen Wohnungen nur danach unterscheiden, daß sie rechtlich und/oder tatsächlich zum dauernden Bewohnen ungeeignet sind. Keine Förderung nach § 10e EStG erhält daher der Eigentümer für Wohnungen in einem Sondernutzungsgebiet nach § 10 Abs. 1 BauNVO (z.B. Wochenend- oder Ferienhausgebiet), weil er sie baurechtlich nicht ganzjährig bewohnen darf. Nicht begünstigt sind ferner Wohnungen, die sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen. Soweit derartige Objekte überhaupt die Merkmale einer Wohnung i.S. des § 10e EStG erfüllen, sind sie als Ferien- oder Wochenendwohnungen zu beurteilen.

Bei der Auslegung des § 10e EStG ist auch die Rechtsprechung zu dem vor Einführung des § 10e EStG geltenden § 7b EStG heranzuziehen. Vor Inkrafttreten des WohneigFG und der damit verbundenen Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung wurde die Bildung von Wohneigentum durch erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG gefördert. Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 7b EStG i.d.F. vor 1977 konnten die in einem Sondergebiet gelegenen Gebäude nicht erhöht abgeschrieben werden (BFH-Urteil vom 8. März 1983 VIII R 111/81, BFHE 138, 215, BStBl II 1983, 498). Diese Rechtsprechung wurde für die nach dem 31. Dezember 1976 hergestellten oder angeschafften Gebäude aufgegeben (BFH, a.a.O.). Es liegt nahe, daß der Gesetzgeber mit dem Ausschluß der Begünstigung von Ferien- und Wochenendwohnungen diese alte für § 7b EStG i.d.F. vor 1977 geltende Rechtsprechung für § 10e EStG wiederherstellen wollte (vgl. auch BFH-Urteil vom 14. März 1989 IX R 45/88, BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776).

Dem scheint zwar die Gesetzesbegründung zu widersprechen. In dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 10/3633, S. 15) ist ausgeführt, Ferien- und Wochenendwohnungen seien entsprechend der Behandlung bei der Kinderkomponente nach § 34f EStG von der Begünstigung ausgeschlossen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 213a Abs. 3 Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -) war eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. von § 34f EStG nur anzunehmen, wenn die Wohnung im Veranlagungszeitraum den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bildete, so daß nur an Wochenenden oder in den Ferien genutzte Wohnungen nicht nach § 34f EStG begünstigt waren. Diese Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH jedoch nicht bestätigt. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken erfordert nach Auffassung des BFH kein ständiges oder zeitmäßig überwiegendes Bewohnen des begünstigten Objekts (BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776). Insoweit ist also die Gesetzesbegründung überholt.

Weiter ist in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (a.a.O.) ausgeführt, Ferien- und Wochenendwohnungen seien nicht begünstigt, weil bei ihnen "die Befriedigung des allgemeinen Wohnbedürfnisses nicht im Vordergrund stehe". Diese Aussage steht im Einklang mit der Auslegung der Begriffe Ferien- und Wochenendwohnung durch den Senat. Denn sie trifft allenfalls auf Wohnungen zu, die tatsächlich oder rechtlich nicht zur Dauernutzung geeignet sind. Wohnungen, die der Steuerpflichtige außerhalb des Arbeitsorts in einem Wohngebiet anschafft oder herstellt und die er nur wegen der weiten Entfernung nicht ständig nutzen kann, decken aber ebenfalls den allgemeinen Wohnbedarf.

Im übrigen entspricht die Begünstigung von Zweitwohnungen, soweit sie nicht in einem baurechtlichen Sondergebiet liegen, der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes. Danach sollen durch das WohneigFG die Voraussetzungen geschaffen werden, daß möglichst viele Bürger Wohneigentum erwerben können. Es soll die Vermögensbildung durch Wohneigentum gefördert werden, vor allem weil sie ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge ist. Diese Gründe treffen aber auch für Zweitwohnungen zu, die der Steuerpflichtige nicht ständig nutzt.

Für die Auslegung des Senats spricht ferner, daß eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. von § 10e EStG auch nach Auffassung des Gesetzgebers nicht voraussetzt, daß der Steuerpflichtige die begünstigte Wohnung ausschließlich bewohnt, oder daß es sich um die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt (a.A. Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. 1989, § 10e Anm. 5 d m.w.N.). Denn nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 10/3633, S. 15) soll auch eine am Arbeitsort des Steuerpflichtigen unterhaltene Zweitwohnung nach § 10e EStG begünstigt sein. Eine Unterscheidung danach, ob eine Wohnung aus beruflichem Anlaß oder für Freizeit- und Erholungszwecke angeschafft oder hergestellt worden ist, wird aber - soweit es sich nicht um einen Arbeitnehmer handelt - häufig nur schwer festzustellen sein.

Eine Begriffsbestimmung nach der tatsächlichen Nutzung würde daher im Einzelfall zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und auch zu nicht sachgerechten Lösungen führen. So wäre z.B. denjenigen, die - wie die Kläger - regelmäßige Arbeitszeiten am Arbeitsplatz einhalten müssen, die Vergünstigung zu versagen, weil sie die Zweitwohnung nur an Wochenenden und in den Ferien benutzen könnten, während Steuerpflichtige, die an keine festen Arbeitszeiten gebunden sind, oder aufgrund von Schichtdienst mehrere Tage hintereinander frei haben, die Vergünstigung gewährt werden müßte, wenn sie geltend machen, sie nutzten die Zweitwohnung in gleichem oder höherem Maß als die Wohnung am Arbeitsplatz.

Die Auslegung des Senats vermeidet - durch Abgrenzungsschwierigkeiten ausgelöste - Rechtsstreitigkeiten und erspart der Finanzverwaltung umfangreiche Sachverhaltsermittlungen. Eine solche Auslegung dient daher auch der Vereinfachung des Gesetzesvollzuges.

b) Da im Streitfall die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 10e EStG vorliegen, hätte das FA auch die Eintragung eines Freibetrags für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG in Höhe von 2.400 DM (§ 39a Abs. 1 Nr. 6 EStG) nicht ablehnen dürfen.