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  BFH-Urteil vom 16.2.1990 (VI R 85/87) BStBl. 1990 II S. 883

1. Eine AfA kann als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch für Arbeitsmittel angesetzt werden, die der Steuerpflichtige geschenkt bekommen und zunächst privat genutzt hat (Ergänzung des Urteils des Senats vom 2. Februar 1990 VI R 22/86, BFHE 160, 162, BStBl II 1990, 684).

2. Bei einem selbst erworbenen oder geschenkt erhaltenen Wirtschaftsgut ist eine Sofortabschreibung entsprechend Abschn. 30 Abs. 3 Satz 1 LStR 1984 bei der Umwidmung zu einem Arbeitsmittel zulässig, wenn der Teil der ursprünglichen Anschaffungskosten zuzüglich Umsatzsteuer, der auf die Zeit nach der Umwidmung entfällt, 800 DM nicht übersteigt.

EStG 1983 § 9 Abs. 1 Nrn. 6 und 7; EStDV 1981 § 11d; LStR 1984 Abschn. 30 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1987, 349)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist nichtselbständig tätig. Sein steuerlich anerkanntes Arbeitszimmer enthält u.a. folgende Einrichtungsgegenstände:

1 Schreibtischwinkelkombination

2 Büroschränke

1 Büro-Ledersessel

1 Schreibtischlampe

1 Schreibmaschine Olivetti 90C (Kugelkopf)

1 Anrufbeantworter mit Gesprächsaufzeichnung (Typ Kompur 380 S).

Die Schreibtischwinkelkombination, der Bürosessel sowie die Schreibmaschine waren dem Kläger von seinem Vater im Dezember 1981 geschenkt worden; den Anrufbeantworter hatte der Kläger im Herbst 1981, die Büroschränke im Dezember 1981 und die Schreibtischlampe Anfang 1982 erworben. Der Kläger beziffert den Zeitwert der Gegenstände im Streitjahr 1984 mit jeweils weniger als 800 DM. Er beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung 1984, diese Werte jeweils in voller Höhe als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Das wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) abgelehnt. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 349 veröffentlichten Urteil u.a. aus:

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1983 könne der Kläger bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstrecke, jeweils für ein Jahr den Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten absetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfalle. Die Einrichtungsgegenstände seien hier jedoch nicht zum Zwecke der beruflichen Nutzung angeschafft, sondern aus der Privatsphäre in die berufliche Sphäre überführt worden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG seien Einlagen im Zeitpunkt der Zuführung der Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen. Diese Vorschrift beziehe sich aber ausschließlich auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Der Kläger, der seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten ermittle, habe kein Betriebsvermögen. Er könne daher privat angeschaffte Wirtschaftsgüter nicht mit dem Teilwert in ein solches einlegen oder einbringen. Ein dem Betriebsvermögen vergleichbares Berufs-, Arbeits-, Einkunfterzielungs- oder Überschußvermögen gebe es nicht im Bereich der Überschußeinkünfte.

Die Klage sei auch insoweit nicht begründet, als der Kläger eine Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 und 7 EStG i.V.m. § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1981 begehre. Entgegen der Ansicht von Schmidt/Drenseck (Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. 1989, § 9 Anm. 11 b m.w.N.) komme eine direkte oder analoge Anwendung des § 11d EStDV nicht in Betracht. Die Vorschrift setze einen Wechsel in der Rechtszuständigkeit, nämlich den Übergang von einem Rechtsvorgänger zu einem Rechtsnachfolger und damit zwei verschiedene Personen, voraus. Im Streitfall sei jedoch der Kläger als Rechtsvorgänger sein eigener Rechtsnachfolger, da sich nur das Nutzungsverhältnis an diesen Gegenständen geändert habe.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein. Er rügt sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 EStG.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit es die Höhe der AfA und die sich daraus ergebende niedrigere Einkommensteuer 1984 festsetzt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, da das Gericht zu Unrecht den Ansatz einer AfA für die streitbefangenen Arbeitsmittel im Jahr 1984 aus Rechtsgründen abgelehnt hat.

1. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel. Arbeitsmittel sind Gegenstände, die vom Steuerpflichtigen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend zur Einnahmeerzielung, so insbesondere im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beruflich genutzt werden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Februar 1977 VI R 182/75, BFHE 121, 444, BStBl II 1977, 464). Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, daß die vom Kläger genutzte Schreibtischwinkelkombination, zwei Bücherschränke, ein Büro-Ledersessel, eine Schreibtischlampe, eine Schreibmaschine Olivetti 90C (Kugelkopf) und ein Anrufbeantworter mit Gesprächsaufzeichnung (Typ Kompur 380 S) als Arbeitsmittel zu werten sind (vgl. auch BFH-Urteile vom 31. Januar 1986 VI R 78/82, BFHE 146, 76, BStBl II 1986, 355, und in BFHE 121, 444, BStBl II 1977, 464).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können Arbeitsmittel eines Arbeitnehmers mit einer mehrjährigen Nutzungsdauer nicht bereits im Jahr der Anschaffung voll als Werbungskosten abgesetzt werden, da die die AfA als Werbungskosten regelnde Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG im Range vorgeht (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 8. Februar 1974 VI R 326/70, BFHE 111, 341, BStBl II 1974, 306, und in BFHE 146, 76, BStBl II 1986, 355). Nach Abschn. 30 Abs. 3 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1984 können allerdings die Anschaffungskosten von Arbeitsmitteln im Jahr ihrer Verausgabung aus Vereinfachungsgründen in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie für das einzelne Arbeitsmittel 800 DM einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen.

Bei den Einrichtungsgegenständen des Klägers handelt es sich um Wirtschaftsgüter mit jeweils mehrjähriger Nutzungsdauer. Der Kläger hat sie allerdings nicht im Streitjahr 1984 angeschafft, sondern schon vorher besessen und nach Ansicht des FG in den vorangegangenen Jahren privat genutzt. Der Senat sieht dies nicht als schädlich an. Er verweist insoweit auf sein Urteil vom 2. Februar 1990 VI R 22/86 (BFHE 160, 162, BStBl II 1990, 684) Wie der Senat in diesem Urteil betont hat, sind entsprechend dem BFH-Urteil vom 14. Februar 1989 IX R 109/84 (BFHE 156, 417, BStBl II 1989, 922) die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betreffenden Wirtschaftsgüter auf die Gesamtnutzungsdauer einschließlich der Zeit vor der Umwidmung zu verteilen, wobei als AfA in Form von Werbungskosten nur der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abziehbar ist, der auf die Zeit nach der Umwidmung entfällt.

Bei dem vom Kläger selbst angeschafften Anrufbeantworter, den Büroschränken und der Anfang 1982 erworbenen Schreibtischlampe ist folglich im Streitjahr 1984 eine AfA anzusetzen, wenn bei diesen Gegenständen die Gesamtnutzungsdauer jeweils das Jahr 1984 mitumfaßt. Es ist dann als Werbungskosten in Form der AfA der auf das Streitjahr 1984 anteilig entfallende Teil der Anschaffungskosten absetzbar. Für diese Gegenstände kommt u.U. auch eine sofortige Abschreibung entsprechend den Grundsätzen des Abschn. 30 Abs. 3 Satz 1 LStR 1984 in Betracht. Maßgebend hierfür ist nicht der ursprüngliche Betrag der Anschaffungskosten zuzüglich Umsatzsteuer, sondern der Teil davon, der auf die Zeit nach der Umwidmung der Wirtschaftsgüter entfällt. Dieser Restbetrag darf im Zeitpunkt der Umwidmung 800 DM nicht übersteigen (Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Köln vom 18. September 1984 S 2354 - 18 - St 124, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 588; v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. H 34; a.A. Richter, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1984, 680). Ob ab 1990 im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des Wohnungsbauförderungsgesetzes - WoBauFG - vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505, 509) etwas anderes gilt, kann dahingestellt bleiben.

2. Entsprechend den Grundsätzen zu 1. kann der Kläger nach § 11d Abs. 1 EStDV ggf. auch AfA für die Arbeitsmittel abziehen, die ihm von seinem Vater im Dezember 1981 geschenkt wurden, nämlich die Schreibtischwinkelkombination, den Büro-Ledersessel und die Schreibmaschine. Nach dieser Vorschrift bemessen sich bei Wirtschaftsgütern, die nicht zum Betriebsvermögen gehören und die der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, die AfA nach den Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers oder dem Wert, der beim Rechtsvorgänger an deren Stelle getreten ist oder treten würde, wenn dieser noch Eigentümer wäre, zuzüglich der vom Rechtsnachfolger aufgewendeten Herstellungskosten, nach dem Vomhundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre. Somit sind auch für die dem Kläger geschenkten Arbeitsmittel AfA im Streitjahr 1984 durch den Kläger als Rechtsnachfolger insoweit zulässig, als die vom Rechtsvorgänger (Vater) und Rechtsnachfolger (Kläger) zusammen anzusetzenden AfA beim jeweiligen Wirtschaftsgut in den Vorjahren noch nicht zur vollen Absetzung geführt haben.

Der Umstand, daß die dem Kläger geschenkten Wirtschaftsgüter zuvor von ihm bzw. dem Schenker privat genutzt worden sind, steht dem Ansatz einer AfA entsprechend den Grundsätzen des Urteils in BFHE 156, 417, BStBl II 1989, 922, das in Abschn. III 1 a der Entscheidungsgründe auch auf unentgeltlich erworbene Gegenstände Bezug genommen hat, nicht entgegen. Entscheidend ist allein die Beantwortung der Frage, ob die Gesamtnutzungsdauer der streitigen Wirtschaftsgüter, die vom Zeitpunkt ihrer Anschaffung durch den Vater des Klägers zu berechnen ist, noch das Streitjahr 1984 mitumfaßt. Entsprechend der Vereinfachungsregelung in Abschn. 30 Abs. 3 Satz 1 LStR 1984 kann der Kläger den Wert der ihm geschenkten Arbeitsmittel sofort in voller Höhe als Werbungskosten abziehen, wenn der zu Beginn der beruflichen Nutzung in 1984 hiernach anzusetzende Wert 800 DM nicht übersteigt (so auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Anm. 10 b; Meyer, DStR 1981, 134).

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entsprechend dem Antrag des Klägers an das FG zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu trifft, ob und ggf. welche AfA-Beträge entsprechend den Grundsätzen dieser Entscheidung als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit im Streitjahr 1984 zu berücksichtigen sind.